Was für unglaubliche dämonische Täuschungen möglich sind, zeigt das folgende Beispiel. Ich halte mich in meinen Ausführungen an das klassische „Handbuch der Mystik“ von August Poulain und ergänze den Bericht durch Aufzeichnungen von J. Görres in seinem Werk „Christliche Mystik“.
Magdalena vom Kreuz wurde im Jahre 1487 geboren und trat mit 17 Jahren in das Franziskaner-Elisabethenkloster von Cordoba/Spanien ein. Schon bald erlangte sie den Ruf außerordentlicher Heiligkeit. Dreimal war sie in diesem Kloster Äbtissin. Sie vollbrachte, so wird berichtet, „alle Wunderwerke Gottes“: Ekstasen, Levitationen (Schweben), hatte Erscheinungen von Heiligen, von Jesus Christus, sagte zukünftige Ereignisse voraus, die auch eingetroffen sind (z.B. die Gefangenschaft König Franz I.). Sie trug die Wundmale des Herrn an sich und ernährte sich elf Jahre lang ausschließlich von der Hl. Kommunion.
Nicht nur das Volk war überzeugt, sie sei eine große Heilige, sondern es gelang ihr, die angesehensten Leute zu täuschen: Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Herzoge, Gelehrte, Ordensmänner. „Man redete von ihr durch die ganze Christenheit. Die Prediger rühmten sie auf den Kanzeln, und alle andern huldigten ihr in gleicher Weise, ohne irgendeinem Zweifel an ihrem Verdienst und ihrer Heiligkeit Raum zu geben. Sie war der Gegenstand der zartesten Zuneigung aller Beichtväter des Klosters und der Provinziale des Ordens“ (Görres). Viele suchende Menschen „glaubten, in ihrer Lebensweise einen neuen Weg zu sehen, um zur Heiligung zu gelangen“. Man überhäufte sie mit Almosen, die so reichlich waren, daß sie damit fast das ganze Kloster von Grund auf neu bauen konnte. Von allen Seiten kamen angesehene Leute, um sie um Rat zu fragen...
Dieser Frau gelang es – wer hält es für möglich? - 38 Jahre lang alle Menschen zu täuschen: Sie sagte gegen Ende ihres Lebens aus, daß ihr mit fünf Jahren ein Dämon in Gestalt eines Engels des Lichtes erschienen sei und ihr verkündet habe, sie sei berufen, eine große Heilige zu werden, und er habe sie mit Stolz, Eitelkeit und Sinnlichkeit erfüllt. Er habe sie aufgefordert, ein frommes Leben zu führen.
Die Erscheinungen dieses „Lichtengels“ hätten sich im Laufe der Jahre wiederholt und sie immer tiefer in diese dämonische Abhängigkeit geführt. Mit zwölf Jahren habe sie schon als Heilige gegolten, habe viele gute Werke und (falsche) Wunder vollbracht. Sie habe Erscheinungen vieler Heiliger gehabt. Sie sagte auch aus, daß sie mit Hilfe ihres Geistes bisweilen das Kloster verlassen und ein anderes Kloster besucht habe. Dort habe sie alles gesehen, was sich zugetragen habe und es dann auch erzählt, um ihr geheimes Wissen zu beweisen. Sie gestand auch viele falsche Offenbarungen, Heilungen, Erscheinungen von Seelen, Engeln, Dämonen. Auch die Nahrungslosigkeit während elf Jahren und ebenso ihre Stigmata seien nicht echt gewesen. „Als der Tod näher kam, gestand sie alles öffentlich und bereute ihre Fehler. Man mußte den Exorzismus anwenden, um die Macht des Teufels über sie zu brechen. Sie wurde dann in ein anderes Kloster ihres Ordens geschickt, wo sie starb“ (A. Poulain).
Das ist nur ein Beispiel von vielen, die wir aus der Geschichte der christlichen Mystik kennen bis hinauf in unsere Tage. Daß es einer Frau im Kraftfeld dunkler seelischer und geistiger Mächte gelingt, die größten Theologen, Bischöfe, Kardinäle, Inquisitoren und Hofleute 38 Jahre lang geistig in ihren Bann zu ziehen und sie zu täuschen, das dürfte zu unserer Warnung aufgeschrieben sein.
Urs Keusch