VISION 20001/2002
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Dasein zwischen Freude, Trauer, Hoffnung

Artikel drucken Über die zentrale Bedeutung der Frau, Frieden zu stiften und Fürsorge zu leisten, besonders in der Familie (Von Barbara von Wulffen)

Ich selber habe nach heutigen Maßstäben früh, schon als Studentin geheiratet und rascher vier Kinder gehabt, als Gedanken an Beruf, gar Karriere hätten aufkommen können. Und ich habe mich immer geme zum Hausfrauenberuf bekannt, ihn zugleich als Bürde und Freiraum, also als Ganzes und als Berufung erfahren.

Keinen Plan habe ich damit erfüllt, aber vermutlich mein Leben. Denn um etwas zu verplanen, muß man es abstrahieren, das heißt aus natürlichen Verbindungen lösen und reduzieren auf einen verfügbaren Rest. Abstraktion und Reduktion sind Kennzeichen der Moderne, demnach Voraussetzung unseres Umgangs mit Welt und Menschen, also auch mit der Familie.

Sie allerdings sträubt sich dagegen, denn sie ist unreduzierbar und immer anders als geplant. Wie soll denn auch, was zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern, Enkeln, Schwiegereltern, Onkeln und Tanten so herumwirbelt, lastet, sich aufdrängt, glückt und mißlingt - wie soll all dies in einem Punkt oder wenigstens auf einer Linie Platz finden?

Also ist Improvisieren das, was die Familie fordert und lehrt, und es mag zu ihrem Wesen gehören, daß eine nicht beruflich außer Hauses tätige Mutter nachträglich nie recht sagen kann, was sie den ganzen Tag, das ganze Jahr, das ganze Leben über gemacht hat.

Dagewesen ist sie vor allem, hat wieder und wieder, zwischen Freude oder Trauer über Vergangenes und Hoffnung wie Sorge vor der Zukunft, bedroht von Höllen, verlockt von Paradiesen, das Unmögliche versucht: In einer Gemeinschaft von Menschen verschiedenen Geschlechts und Alters Liebe, Verbundenheit und Geborgenheit zu erhalten.

Darüber wäre zu reden. Daß Familien auch zur Hölle werden können, was besagt das schon? Vielleicht darf da gegengefragt werden, wie es in öffentlichen Einrichtungen zugeht? In Krippen, Horten, Heimen für Jung und Alt? Sind das etwa Paradiese?

Am Anfang steht ein auf Dauer (Ehe) angelegter Bund zwischen Mann und Frau, eine leiblich-geistige Gemeinschaft. Sie hat in der Geschichte vielerlei Gesichter gehabt, machtpolitische, wirtschaftliche, gefühlsbetonte. Sobald eines dieser Antlitze zu stark hervorgetreten ist, hat das der Familie meist nicht gut getan. Ihre verläßlichste Basis würde ich noch immer in der Frage des Priesters sehen “Wollt ihr eure Aufgaben erfüllen in Ehe und Familie, in Kirche und Welt?"

Weit geht das hinaus über die emotional individualistische Eheauffassung, die uns vor 200 Jahren die Romantik als schwere Bürde aufgehalst hat und die sich in der abgewandelten Trauformel mancher sich modern dünkender Pastoren ausdrückt, die Treue und Verläßlichkeit nicht mehr fordert “bis daß der Tod Euch scheidet", sondern nur “bis daß die Liebe endet". Das ist nicht progressiv sondern romantisch und in keiner Weise ausreichend .

Es gibt seltsame Gegenmodelle, etwa die sogenannte “Kettenehe", nämlich eine Folge wechselnder Partnerschaften. Diese mag vielleicht eine Kette ergeben, hat aber mit Ehe nichts zu tun. Ebenso absurd, schon vom Wort her, ist die “postfamiliale Familie". Beide Male wird das hinausdefiniert, was Ehe und Familie ausmachen. Wozu dann überhaupt noch die alten Worte? Patchwork-Familie oder Familienphase?

Verräterisch ist an solchen Modellen, deren einzig Verbindendes ihre Unverbindlichkeit ist, vor allem die notorische Abwesenheit von Kindern und Alten. Weil es hier um die Jahrgänge derer geht, die das schwerbeladene Netz des sozialen Wohlfahrtsstaates tragen müssen, ist es wohl nur konsequent, daß Abtreibung und Euthanasie, also die Tötung sehr junger und sehr alter Menschen, das Programm meist säumen.

Es gibt gute Gründe, Ehe und Familie nicht ausschließlich, aber doch auch aus der Natur des Menschen abzuleiten. Im Gegensatz zu unseren nächsten “Säugetier-Verwandten", den zu 98 Prozent mit denselben Genen ausgestatteten Affen, ist das menschliche Neugeborene ein extrem hilfloser Nesthocker mit einer überlangen Entwicklung. Dies entspricht unserer naturbedingten Abhängigkeit von Kultur und unserer Ungeborgenheit in der Natur, Voraussetzungen unserer Instinktoffenheit sowie der Freiheit, das Gute zu tun und das Böse zu lassen oder auch andersherum.

Im schönen Wort Muttersprache zeigt sich, daß das Reden des Kindes nicht von selbst beginnt, sondern im Umgang mit der dafür von der Natur mit hoher Sprachbegabung ausgestatteten Mutter. Eine weitere Besonderheit des Menschen ist das seltsame Phänomen der frühzeitigen Menopause der Frau; das schenkt ihr viele Jahre, in denen sie von der Bürde ständiger Schwangerschaften befreit, erstaunliche Leistungskraft entwickelt.

Der Gedanke des englischen Altenforschers Tom Kirkwood, daß diese Zeit biologisch, also als Überlebensvorteil gesehen, dazu gut sein könnte, den mit kleinen Kindern überforderten Töchtern als noch einsatzfähige “Babitschka" - wie Großmütter in meiner böhmischen Heimat hießen - zur Seite zu stehen, hat mir ziemlich eingeleuchtet, so sehr ich mich dagegen wehre, pausenlos für die auf neun angewachsene Enkelschar zur Verfügung zu stehen.

Die Großmutterrolle, die ich mit ganz unerwartetem Entzücken übernommen habe, dürfte allerdings in unserer Gesellschaft bald ausgespielt sein, wenn die sogenannten Erstgebärenden weiterhin schon Mitte bis Ende 30 sein werden. Mit 70 hat Großmama nicht mehr dieselbe Kraft wie mit 50.

Aber mit einseitig biologischen Argumenten ist Vorsicht geboten. So ist es auch riskant, vorschnell anthropologische Unterschiede zwischen Mann und Frau festzustellen, da diese immer auch kulturbedingt sind.

Gottlob hat sich vieles geändert seit der Zeit, als es hieß, wo käme man hin, wenn Frauen lesen und schreiben lernten und als die Männerwelt zutiefst überzeugt war von der “Minderwertigkeit des Weibes", eine Haltung, die trotz notorischer Behauptung des Gegenteiles den Islam nach wie vor zu bestimmen scheint. Plötzlich gibt es in unserer Kultur Philosophinnen, Dirigentinnen, Komponistinnen oder Biochemikerinnen.

Gegen Unterschiede zwischen Mann und Frau, die über die “tiny little differences" hinausgehen, spricht dies aber keineswegs. Denn offensichtlich trennen uns Damen doch Welten von den Herren der Schöpfung, gegen die lebenslang nicht nur mit Schlankheitsdiät anzukämpfen, ziemlich aufreibend ist.

Ich möchte hier der für mich unwiderstehlichen Versuchung nachgeben, meine geliebte Vogelkunde ins Spiel zu bringen. Wenn im Sommer die prunkvollen Erpel gemausert und das weibliche Schlichtkleid angelegt hatten, sodaß man die Geschlechter auch mit dem besten Fernglas kaum mehr unterscheiden konnte, pflegte mein Lehrer Walter Wüst zu sagen: “Wer nachgibt, ist die Ente".

Das mag illustrieren, daß es ein weiblich-mütterliches Verhalten geben muß, vermutlich auch bei uns, und zwar ganz abgesehen von der sogenannten Mutterrolle (ich mag den Ausdruck nicht, wir spielen doch keine vorübergehende Rolle, wir sind Mütter vom ersten bis zum letzten Atemzug).

Mütterlichkeit ist, falls sie nicht ständig unterdrückt wird, eine die Gesellschaft seit der Höhlenzeit wohnlicher gestaltende Fähigkeit. Frieden stiften, Ausgleich suchen, Geborgenheit und verläßliche Nähe in Sorge und Fürsorge bieten, das sind natürliche Eigenschaften der meisten Frauen mit ihrem größeren Harmoniebedürfnis. Noch der emanzipierteste weibliche Single sehnt sich irgendwann zuinnerst danach, diese Fähigkeiten ausleben zu dürfen, selbst um den Preis der erkämpften Karriere. (Daß so viele Väter heute mithelfen bei den Kindern, sei eigens und freudig anerkannt als echter Fortschritt.)

Derzeit laufen im Fernsehen einige sehr erfolgreiche New Yorker Serien, die von nichts anderem handeln als den Konflikten schöner, erfolgreicher, sich selbst versorgender Dreißigerinnen, die hin- und hergerissen sind zwischen Coolness, Schlankheit, Jugend und der gleichzeitigen Sehnsucht nach Mister Perfect, der ihnen Nähe und Erfüllung schenken soll, ohne sie ernstlich einzuschränken.

Also wissen sie nicht mehr ein und aus in dieser ins eigene Innere eingedrungenen Schizophrenie: Ally Mc Beal in der gleichnamigen Serie, oder Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda in “Sex and the City" zeigen eine Prosecco-Cappuccino-Welt Manhattens, in der Krankheit, Armut, Hunger, gar Terror nicht vorgesehen sind und zu der unsereiner nur sagen kann: “Denen ihre Sorgen möcht ich haben!"

Vielleicht ist es an dieser Stelle angebracht, unser naturbedingtes Angewiesensein auf Familie in Beziehung zu sehen zur Menschwerdung Gottes. Christus hätte ja wie Athene aus dem Haupt des Vaters springen, wie Apoll aus der Verbindung mit einer Titanin oder aus einer Liebesbeziehung des vielleicht als Schwan verkleideten Zeus mit einer sterblichen Frau hervorgehen können.

Er ist aber gerade nicht einer der Götter oder mythischen Halbgötter, sondern der Sohn Gottes seit je und zugleich auf geheimnisvolle Weise historisch leiblicher Menschensohn. Nur als solcher konnte er die Zeit wenden.

Eine junge Frau mußte ihn zur Welt bringen. Als Fötus - heute zur Abtreibung freigegeben - hat ihn als erster ein anderer Ungeborener begrüßt, der übrigens später mit seinem Kopf für eine königliche Eheverfehlung zahlen mußte. Der Messias ist Baby in Windeln und ist Kind gewesen.

Er ist sogar ein Trost für Eltern Halbwüchsiger - von daheim ausgerissen, wenn auch nicht in die Disco sondern in den Tempel, und Er hat sich später scheinbar wenig freundlich von seiner Familie distanziert: “Wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder?" oder gar “Frau, was habe ich mit dir zu schaffen?" Harte Worte.

Dennoch hat er am Kreuz für seine irdische Mutter gesorgt. Daß hier nicht die Ehe am Anfang der sogenannten Heiligen Familie steht sondern eine uneheliche Schwangerschaft, ergibt kein Modell für alleinerziehende Mütter sondern eher eine Bestätigung dafür, wie dringend eine junge Mutter den Beistand eines Ehemannes braucht, nicht nur, wenn ihr schon gleich eine Flucht nach Ägypten bevorsteht.

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