Ich habe die Erfahrung gemacht, Kinder stellen ihre Fragen oft aus der Situation heraus. Dann ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen. Etwa wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, heißt es: “Papa, das muß ich Dir unbedingt erzählen".
Ich muß mich dann nicht hinlegen oder Zeitung lesen oder Fernsehen. Vielleicht mache ich mir eine Kleinigkeit zu essen, und sie können ihr Herz ausschütten. Eine Stunde später oder am Abend ist das kein Thema mehr.
Besonders für Gespräche mit Jugendlichen sind solche Zeiten sehr wichtig. Oft zwischen Tür und Angel, manchmal auch um zwei Uhr am Morgen. Dann ergreife ich die Chance. Es sind oft richtige Sternstunden, weil ich alle Werte, die mir wichtig sind, hineinpacken kann.
Wenn ich sie dagegen nach einem Schultag frage: “Wie war es heute?", verdrehen sie meist nur die Augen. Eisen muß man schmieden, wenn es heiß ist. Wenn man dagegen auf kaltes Eisen draufhaut, wird es nur spröde.
Eine schöne Erfahrung dazu: Meine Tochter (14) wollte die Zeitschrift Bravo abonnieren. Für mich war klar: Das kommt nicht ins Haus. Also nahm ich mir Zeit, es war schon spätabends. Ich ging die Zeitschrift Seite für Seite mit ihr durch.
Ich versuchte ihr deutlich zu machen, daß diese Art der Aufklärung eine Anleitung zur Pornographie ist. Es war bereits weit nach Mitternacht. Wir mußten zu einem Ende kommen. Sie fragte mich: “Also, was ist jetzt, kann ich oder kann ich nicht?" Ich blieb dabei: “Die Zeitung kommt nicht ins Haus."
Natürlich hieß es: “Diktator, mit Dir kann man nicht reden," und wutentbrannt stürmte sie aus dem Zimmer.
Am nächsten Tag, als ich von der Arbeit kam, lauschte ich ungewollt einem Telefonat, das meine Tochter mit ihrer Freundin führte, und ob Sie es glauben oder nicht: Mit exakt denselben Argumenten, die ich in der Nacht zuvor gebraucht hatte, redete sie ihr Bravo aus. Sie holte sich bei mir die Argumente und wollte natürlich testen, ob ich Argumente habe oder ob ich umkippe.
Aus “Familie - Weg der Kirche" 2/3 2001