Aufbrechen bedeutet, Gottes Anruf im Vertrauen auf Seine Führung zu folgen, auch wenn man sich der Aufgabe eigentlich nicht gewachsen fühlt - und dann, Schritt für Schritt an Seiner Hand weiterzugehen. Ein Zeugnis.
Im August des vergangenen Jahres las ich in VISION 2000 (4/2001) das Portrait über das begnadete polnische Mädchen Magdalena Buczek. Von Geburt an lebt sie mit schweren körperlichen Leiden und stellt ihre Schmerzen ganz Jesus und der Muttergottes zur Verfügung, ja sie möchte, daß jeder Schmerz zum Segen für andere wird. Als ich von den vielen Kindergebetsgruppen las, die durch sie entstanden sind, flammte in mir die Sehnsucht, daß Kinder zum Glauben an Gott finden, wieder auf.
Ich erinnerte mich an meine Zeit als Elementarlehrerin, an mein tägliches Gebet mit den Kindern. Wir sagten Gott Danke für alles, was Er uns schenkt, sprachen Bitten aus und baten Ihn um Hilfe für die Herausforderungen des konkreten Schultages. So war Gott immer mitten unter uns. Die Jahre, in denen ich auf diese Weise mit den Kindern betete, waren meine glücklichsten als Lehrerin.
Ich erfuhr, daß die kleinen Kinder eine natürliche Offenheit für das Gebet besitzen und sich leicht führen lassen, wenn man selbst eines von ihnen wird, ein Kind, das sich voll Vertrauen an den himmlischen Vater wendet. War nun die starke Betroffenheit von diesem Portrait der Magdalena ein Ruf Gottes an mich persönlich? Sollte ich mit Kindern beten? Mein Gedanke war, den Guardian des Kapuzinerklosters in Leibnitz zu fragen, ob ich im Rahmen der Kindergruppenarbeit zu einer Gruppe mit dem Schwerpunkt “Gebet" einladen darf.
Zuvor mußte allerdings bei mir noch die innere Sicherheit wachsen, daß ich diese Aufgabe übernehmen kann. Widersprüche und Zweifel waren in mir, die Sorge, daß ich mich überfordere. In dieser Situation der Bedrängnis erinnerte ich mich an eine Erzählung von Antony de Mello “Laß den Zweig los!" Sie enthält die Einladung, ins Ungewisse zu springen, sich ganz Gott anzuvertrauen.
Ich suchte also das Gespräch mit Menschen, von denen ich wußte, daß sie für mich beten würden. Sie ermutigten mich und halfen mir auch, inhaltlich den Schwerpunkt zu finden, nämlich das Gebet in Verbindung mit dem Wort Gottes. Gott führte mich durch diese Menschen, aber er führte mich auch direkt in der Begegnung mit seinem Wort im Gebet.
Trotzdem blieb es meine Entscheidung, ein Wagnis.
Ganz wichtig war, daß ich Mitarbeiter fand: Klaudia, eine junge Kindergärtnerin und Bruder Josef, ein frischgebackener polnischer Priester. Er ist unser geistlicher Begleiter.
Wir hatten uns entschieden, fünf - bis siebenjährige Kinder einzuladen. Das ist ungewöhnlich für eine Kindergruppe, aber wenn man die Liebe zu Jesus in die Kinderherzen einpflanzen möchte, ist es gut, früh damit zu beginnen. In dieser Altersstufe sind die Kinder noch unbelastet und unvoreingenommen. Sie glauben unmittelbarer. Ihre Herzen sind offen für die Liebe und die Wahrheit Gottes.
Inzwischen war es September und wir wollten so schnell wie möglich beginnen. Voll Begeisterung standen Klaudia und ich an der Kirchtür und teilten die Zettel aus. Klaudia lud auch die Kinder ihrer Kindergartengruppe ein. Wir begannen am Fest des Apostels Matthäus, dem 21. September. Große Spannung: Würden Kinder und deren Eltern die Einladung annehmen? Wir hatten die Stelle Mt. 19/13-15 vorbereitet: “Laßt die Kinder zu mir kommen."
Zur ersten Stunde kamen sechs Kinder. Wir begannen mit einem Kennenlernspiel, sangen das Lied “Gott mag Kinder, große und kleine" und bewegten uns dazu. Dann setzten wir uns auf unsere Teppiche auf den Boden. In die Mitte kamen Gebetsteppich, Kerze und Bibel. Wir erzählten den Kindern von diesem besonderen Buch. Wir würden ihnen viele Geschichten daraus vorlesen und begannen gleich mit der Begebenheit, als die Kinder einmal zu Jesus kamen und Er sie liebevoll aufnahm.
Nachdem wir die Geschichte vorgelesen hatten, luden wir die Kinder zum Spielen der Handlung ein. Und da wir einen wirklichen Nachfolger von Jesus in der Gruppe haben, konnte er die Kinder auch segnen, wie es Jesus damals tat. Zuletzt zeichnete jedes Kind sich selbst für unser Wandbild “Jesus und die Kinder".
Aus dem Inhalt der ersten Bibelstelle ergab sich folgendes Gebet: Lieber Jesus! Ich komme zu dir. Du freust dich über mich. Du hast mich lieb. Ich hab dich lieb. Bitte segne mich! Dieses Gebet beteten wir bei jeder weiteren Gruppenstunde und Bruder Josef segnete die Kinder, indem er ihnen die Hände auflegte und ein Kreuzzeichen auf die Stirn zeichnete. (Seit wir mit den Kindern über den Tod Jesu gesprochen haben, fügen wir in unser Gebet noch den Satz: “Danke, daß du für mich gestorben bist" ein.)
So begannen wir. Die nächste Bibelstelle war “Abraham". Dann folgte “Die Verkündigung". Insgesamt wurden es 15 Stellen aus der Hl. Schrift, zuletzt noch das Thema “Schutzengel". Meist behandelten wir jedes Thema zweimal.
Bruder Josef, Klaudia und ich machten alles im Team. Bei unserer wöchentlichen Besprechung planten wir gemeinsam. Vor jeder Kinderstunde beteten wir den Rosenkranz, auch vor jeder Besprechung und stellten uns so ganz unter den Schutz der Gottesmutter. Wir beteten auch zu den Heiligen. Das Gebet gab uns Sicherheit und Freude.
Gleichbleibende Elemente unserer Gruppenstunden waren:
* Das Entzünden der Kerze, die uns während des ganzen Beisammenseins an die Gegenwart Jesu erinnerte.
* Unser gemeinsames Gebet und der anschließende Segen.
* Das Vorlesen der biblischen Geschichte bzw. das Wiederholen derselben. Dabei verwendeten wir immer auch Bilder. Diese können unser Inneres öffnen, uns zum Staunen und Betrachten bringen. Deshalb war es uns wichtig, gute Bilder auszuwählen.
Die biblische Geschichte in einer kindgemäßen Sprache schrieben wir selbst. Unsere Grundlage war die Kinderbibel, Midrascherzählungen und die Originalstelle. Bei der Wiederholung versuchten wir uns auch den Leitgedanken der Stelle, einen von uns gewählten Vers, einzuprägen.
* Die Vertiefung der Stelle. Öfters spielten die Kinder die Handlung, indem wir die Verse laut vorsprachen und die Kinder sie wiederholten. Es war also ein Vor- und Nachsprechen, wodurch die Kinder das Wort Gottes mehrmals hörten und es ihnen dadurch vertraut wurde. Dabei verwenden wir die Originaltexte.
* Ein weiterer Bestandteil des Treffens wurde im Laufe des Jahres das Rosenkranzgebet. Aus den Stellen “Verkündigung" und “Heimsuchung" ergab sich der erste Teil des “Gegrüßet seist du Maria" und so sprachen wir bald dieses Gebet. Als wir einmal die Mutter Gottes in der Marienkapelle besuchten, beteten wir zum ersten Mal ein Gesätzchen des Rosenkranzes. Glücklich kehrten wir in unseren Gruppenraum zurück.
Bald darauf widmeten wir eine Stunde ganz dem Rosenkranzgebet und von da an beteten wir am Ende jedes Treffens ein Gesätzchen: für die Mama, den Papa, die Oma, den Opa, die Geschwister, die Kranken... Wir sagen den Kindern, daß sie durch das Gebet den Menschen helfen können. Zu Ostern waren dann die selbstgefädelten Rosenkränze fertig, bunte, in fünf Farben.
Seit damals gibt es in unserer Gruppe auch eine Wandermuttergottes. Durch die biblische Geschichte erfuhren wir, daß Jesus vom Kreuz aus dem Johannes seine Mutter anvertraut und damit uns allen zur Mutter gegeben hat. Jede Woche nimmt ein Kind die Statue mit nach Hause und bringt sie in der nächsten Stunde wieder mit. Es war für uns berührend zu sehen, wie sehr sich die Kinder freuten, wenn ihr Name aus dem Körberl gezogen wurde, und sie an der Reihe waren, die Muttergottes zu beherbergen.
Am Ende jeder Stunde gab es eine Kopie zur Bibelstelle zum Anmalen. Darauf steht auch der Leitgedanke. Und zum Abschluß der gemeinsamen Zeit gaben wir einander die Hände und sagten: “Danke Jesus für die schöne Zeit mit dir. Bitte beschütze mich, bleib immer bei mir."
Was wir noch versuchten war, daß wir den Kindern die Originalstelle vorlasen, wie es in der Kirche, bei jedem Gottesdienst geschieht. Wir baten sie, gut zuzuhören und sich etwas zu merken. Der Erfolg war nicht erheblich, doch an eine Situation erinnere ich mich immer wieder, als ein vierjähriger Bub (wir hatten zwei Kinder unter fünf Jahren) die Worte Jesu an Bartimäus wiederholte: “Was willst du, daß ich dir tue?"
Dreimal besuchten wir Jesus im Tabernakel und empfingen den eucharistischen Segen. Wir sagen den Kindern, daß Jesus im Tabernakel immer auf sie wartet und ermutigen sie, ihn zu besuchen, vielleicht während eines Einkaufbummels mit Mama.
Der Artikel von Pfarrer Urs Keusch “Bringt die Kinder vor den Herrn"(Vision 5/2001), der für das Mitnehmen kleiner Kinder in den Gottesdienst plädiert, war für uns eine Ermutigung: “Und wenn sich solche Kinder auch einmal von diesem Weg abwenden: In ihrem Innern gibt es eine Erinnerung an ihre (früh-) kindlichen religiösen Erlebnisse. Es ist das Heimweh nach der verborgenen Liebe Gottes in ihren Herzen, auf die hin wir erschaffen sind."
Diese Worte drücken auch unsere Hoffnung aus, daß der Same, der jetzt in die Kinderherzen gestreut wird, nicht verlorengeht. Dafür ist für mich vor allem das Wort Gottes Garant. Denn das Wort ist lebendig und kraftvoll. “Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe."(Jes. 55/11)
Im September möchten wir die Kinder unserer vorjährigen Gruppe (es waren insgesamt 13) wieder einladen, den Weg zu Jesus mit Maria weiter mit uns zu gehen. Was wir gemeinsam mit den Kindern erlebten, hat auch unseren Glauben gestärkt. Ich spürte immer wieder: Gott ist mit uns. Wir hoffen und beten, daß sich weitere Kinder anschließen werden. Die Uhrzeit wird gleich bleiben. Mit dieser Zeit (Freitag 15 Uhr) fühlen wir uns auch besonders in der Gnadenstunde des Barmherzigen Jesus geborgen.
Alles war ein Geschenk Gottes und ich danke allen, die für uns gebetet , geopfert und uns geholfen haben. Gott allein weiß, wie sehr sie uns im vergangenen Jahr getragen haben. “Kein Schmerz soll verloren gehen," sagt Magdalena Buczek. Mögen immer mehr Menschen ihre Leiden Gott “aufopfern", für Seine Pläne zur Verfügung stellen.
Von Helga Tropper, 8481 Siebing, e-mail: alfred.tropper@aon.at