VISION 20005/2002
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Der heilige Paul vom Kreuz

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Wolfgang Stadler)

Der hl. Paul vom Kreuz, Gründer des Ordens der Passionisten, war einer der bedeutendsten Mystiker Italiens im 18. Jahrhundert. Er wurde 1694 in Ovada, Norditalien, als das zweitälteste von 16 Kindern - von denen allerdings 11 im frühen Kindesalter starben - geboren. Über seine Kindheit ist wenig bekannt, außer daß er nur unregelmäßig Schulunterricht bekam, da seine Eltern mehrfach den Wohnort wechselten. Allerdings dürfte er ein sehr aufgewecktes Kind gewesen sein, das schnell und leicht lernte.

Wichtig für seine Glaubensentwicklung war seine Mutter, eine durch die vielen Geburten und Todesfälle gereifte Frau. Sie gab ihren Kindern eine tiefe, christliche Erziehung und scheute sich nicht, wenn die Kinder Krankheit und Schmerzen zu ertragen hatten, sie auf das Leiden Jesu hinzuweisen: “Schau, mein Kind, wieviel hat Jesus für dich gelitten!" - eine Zumutung, würde man heute sagen, die jedoch den Seelen ihrer Kinder durchaus keinen Schaden zufügte, ganz im Gegenteil.

Diese Haltung und ihre Gewohnheit, die Kinder durch das Vorlesen von Heiligengeschichten mit deren Leben bekannt zu machen, waren für Pauls spätere Hinwendung zum Leiden Jesu gewiß grundlegend, wenngleich nicht die einzige Ursache.

1713 erlebte Paul bei einer Predigt offenbar sehr stark den Ruf Gottes. Er selbst nannte dieses Erlebnis seine “Bekehrung zur Buße". Obwohl er von da an das starke Bedürfnis hatte, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, um “allein für Gott zu leben", blieb er bei seiner Familie, die seine Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes dringend brauchte. Allerdings schloß er sich einer Bruderschaft an, wurde bald für die religiöse Weiterbildung ihrer Mitglieder verantwortlich und hielt häufig geistliche Vorträge von solcher Tiefe, daß sich Jahrzehnte später Menschen noch an sie erinnerten.

Am 22. November 1720 schließlich nahm er Abschied von der Familie, um endlich dem drängender werdenden inneren Ruf zu folgen. Er erhielt von seinem Beichtvater, dem Bischof Gattinara, ein schwarzes Ordenskleid und wurde als Eremit eingekleidet. Paul war zu diesem Zeitpunkt erstaunlicherweise bereits fest entschlossen, eine Kongregation zu gründen. Vorerst aber lebte er 40 Tage lang unter primitivsten Bedingungen neben der Sakristei der Kirche seines Heimatortes, gleichsam als Vorbereitungsexerzitien für sein künftiges Leben.

Dort schrieb er innerhalb von nur fünf Tagen die Ordensregeln für die zu gründende Gemeinschaft nieder. Außerdem führte er im Auftrag des Bischofs eine Art geistliches Tagebuch, in dem die geistliche Haltung und Lehre Pauls, die er während seines ganzen Lebens beibehielt, in den Grundzügen bereits klar ausgebildet war. Nach diesen Wochen der Einsamkeit wollte er sofort nach Rom reisen, um sich seine Ordensregel vom Papst bestätigen zu lassen - ein Vorhaben, das sein Beichtvater nicht zuließ. Die Zeit war noch nicht reif.

In der Folgezeit bewohnte Paul verschiedene Einsiedeleien der Umgebung, hielt auf Wunsch des Bischofs Katechismusunterricht und sogar Sonntagspredigten! 1721 endlich ging er wegen seiner Ordensgründungspläne nach Rom, gelangte aber nicht einmal in die Nähe der päpstlichen Residenz. Zurückgekehrt in die Heimat, schloß sich ihm sein Bruder Johann Baptist an, der sein treuester Gefolgsmann bis an sein Lebensende blieb.

Von da an bewohnten die beiden verschiedene Einsiedeleien Mittelitaliens und erprobten die von Paul verfaßten Ordensregeln. 1725 erhielt Paul endlich wenigstens die mündliche Erlaubnis vom Papst, Gefährten um sich sammeln zu dürfen.

1726 wurden die beiden Brüder eingeladen, nach Rom zu ziehen und in einem neuerbauten Spital zu helfen und seelsorglich zu wirken. Dort wurde ihnen auch nahegelegt, sich zu Priestern weihen zu lassen. Nach einer kurzen Ausbildung wurden sie 1727 von Papst Benedikt XIII. geweiht, verließen dann Rom und zogen in eine Einsiedelei auf den Monte Argentario, nördlich von Rom. Dort entstand auch das erste Kloster der Passionisten, das nach größten Schwierigkeiten 1737 eingeweiht werden konnte.

Im Laufe seines Lebens gründete Paul vom Kreuz elf Klöster, 1771 auch das erste Kloster des weiblichen Zweiges der Passionisten, die kontemplativ in strenger Klausur leben. Am 18. Oktober 1775 starb er, 1867 wurde er heiliggesprochen.

Seine große Bedeutung ist auf den ersten Blick vielleicht nicht sofort erkennbar. Gewiß, er war ein sehr erfolgreicher Volksmissionar; schon in jungen Jahren hatte er “das beständige Verlangen, sich für die Bekehrung der Sünder einzusetzen", wie er in seinem geistlichen Tagebuch schrieb. Das sollte auch “der vorzüglichste Zweck" der Kongregation sein: die Priester sollten nach einer Zeit kontemplativen Lebens im Kloster ins Apostolat, “in die Welt" hinausgehen, um aus der Gotteserfahrung im Gebet den Menschen “die befreiende Botschaft des Wortes vom Kreuz" zu verkünden.

Schonungslos zu sich selbst, war er anderen ein überaus barmherziger, gütiger Beichtvater und - vor allem - ein bedeutender Seelenführer. Das läßt sich aus seinem großteils erhaltenen Briefwechsel erkennen. Bis zu 25 Briefe schrieb er pro Woche an verschiedenste Menschen aus allen Ständen, die Rat und geistliche Begleitung bei ihm suchten und auch bekamen.

Er führte die Menschen zum gütigen und barmherzigen Gott: “Vertrauen Sie sich Gott ganz an", schrieb er, “... Er ist ein liebender Vater, der eher Himmel und Erde vergehen lassen würde als einen Menschen, der sich Ihm anvertraut". Darum geht es Paul: die Menschen zum Vertrauen auf Gott zu ermutigen - trotz aller Nöte. “Ich möchte, daß Sie sich ganz in die Hände Gottes fallen lassen und im göttlichen Schoß des himmlischen Vaters ausruhen". “... Sie befinden sich in den Händen des Allmächtigen und Sie haben Angst?"

Viele leben ja, mit Sorgen und Ängsten belastet, heimgesucht von verschiedensten Leiden oder Krankheiten, in einer - wenn auch meist nicht bewußten, aber menschlich oft unbeantwortbaren - Frage nach dem Sinn des Leidens - auch Christen, die das nur besser verstecken. Es stimmt schon: In allen Nöten des Lebens den göttlichen Willen zu sehen und zu bejahen, der so vieles zuläßt, verlangt einem Menschen oftmals das Äußerste ab. Der hl. Paul ermutigt uns, den Blick auf das Kreuz zu richten: Im Sich-dem-Kreuz-Stellen, nicht im Gefühl der scheinbaren Sinnlosigkeit des Leidens liegt das Heil.

Paul vom Kreuz wußte das ja auch aus seinem eigenen Leben, fand darin aber nichts Resignatives, im Gegenteil, es war seine geistliche Nahrung. Er wußte: nach dem Beispiel Jesu angenommen (Joh 4,34: Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat), ist das Kreuz der gerade Weg zur Auferstehung, zum Leben.

Paul war von dem Gedanken fasziniert, daß der allmächtige Gott, in Jesus Mensch geworden, in vollkommener Schuldlosigkeit um unseretwillen, aus Liebe den Weg des Leides gehen wollte. So ergab sich für ihn in der Gegenüberstellung seines Selbst zum Licht der Liebe Gottes die “Erkenntnis der eigenen Unwürdigkeit, ja Nichtigkeit" - und wieder fand er darin nichts Bedrückendes, sondern im Gegenteil die tiefe Freude, den Frieden, die innere Freiheit.

Erfüllt von einem starken Auferstehungsglauben, forderte er dazu auf, das eigene “Nichts" - die eigene menschliche Armut, wie man vielleicht heute sagen würde (sofern man bereit ist, dieses Faktum zu erkennen und anzunehmen) - im “Alles, das Gott ist" zu versenken: “Wenn sich die Seele ganz in Gott verliert, so ist sie gut aufgehoben". Weise Worte ...

Paul war kein Fachtheologe, dessen tiefsinnige Abhandlungen die Wissenschaft erleuchtet hätten - war doch sogar seine Priesterausbildung nur kurz und beschränkt auf das Notwendigste. Sein Leben und Wirken beweisen aber, daß die theoretische Theologie, wie sie an den Fakultäten der hohen Schulen gelehrt wird, zwar notwendig, aber nicht unbedingt die Quelle ist, aus der Menschen in ihrer alltäglichen Not, in ihren Problemen und Sorgen Kraft schöpfen können. Paul hingegen war ein von Jesus, dessen Leiden und Beispiel Ergriffener, dessen schon in jungen Jahren erstaunliche geistliche Reife aus der Kenntnis der Schriften von Theresa von Avila, Johannes vom Kreuz und Franz von Sales stammte.

Paul vom Kreuz ist sicher kein Heiliger, der ganz leicht zu begreifen ist. Ich denke aber, daß er, der ein hervorragender Seelenführer war, auch heute jeden persönlich führen wird, der sich der Passion Jesu, dem “erstaunlichsten Werk göttlicher Liebe", in der Betrachtung nähert.

“Denn das Wort vom Kreuz ist ... Gottes Kraft und Gottes Weisheit" (siehe 1 Kor 17-24).

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