VISION 20001/2011
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Klar und liebevoll zur eigenen Position stehen

Artikel drucken Wenn die Kinder ihre eigenen Wege gehen (Alain Bandelier)

Viele Eltern sagen: „Wir haben die Kinder doch im Glauben erzogen, sie im Umgang mit dem anderen Geschlecht angeleitet. Und jetzt studieren sie und leben in einer „Beziehung“! Was haben wir falsch gemacht?“


Eine Leserin schreibt: „Im ersten Studienjahr hat sich meine Tochter in einen Studienkollegen verliebt. Ursprünglich wollte sie auf die Ehe warten. Jetzt bittet sie mich, sie zum Arzt zu begleiten, damit dieser ihr die Pille verschreibe. Sie war ein liebes Mädchen, engagiert in der Pfarre. Wir hatten über alles geredet. Sie war von einem Ideal beseelt. Und jetzt entdecke ich, daß sie mit diesem Burschen schläft: ,Daran ist doch nichts Schlimmes, wir lieben einander!’ Mit meinen Illusionen ist in mir eine Welt zusammengestürzt. Was habe ich falsch gemacht? Welche Sicht der Ehe habe ich ihr vermittelt, welches Zeugnis gegeben?“
Als Eltern und Erzieher können wir uns durchaus solche Fragen stellen. Das schadet nichts. Aber sich so zu fragen, heißt nicht, Schuldgefühle zu pflegen. Man muß zugeben, daß wir in einer Welt leben, die sich weit vom Evangelium entfernt hat. Wir haben eben keinen direkten Zugriff auf die Vorstellungen und die Sitten unserer Zeit. Auch dürfen und können wir die Grundentscheidungen dieser jungen Erwachsenen (vielleicht sind es nur große Jugendliche) nicht an ihrer Stelle treffen. Andererseits aber sollen wir sehr wohl sagen, was wir davon halten. Ich bin eigentlich froh zu hören, daß dieses Mädchen sich auf ein Gespräch, das für Mutter und Tochter lästig ist, einläßt.
Wo liegt nun aber der Fehler? Der erste, leider allzu häufige ist, daß junge, überzeugte Christen sich in „Partner“, die weder dieselben Überzeugungen, die gleichen Lebensperspektive, dasselbe Ideal haben, verlieben und mit diesen intim werden. In neun von zehn Fällen ist das ein Wahnsinn.
Man wird mir jetzt entgegenhalten: Keiner weiß im voraus, wo die Liebe hinfällt. Und ob! Man muß nur die Ehepaare (und die Gottgeweihten) fragen, was sie tun, um treu zu bleiben, wenn ihnen jemand in den Blick gerät und ans Herz klopft, der verführerisch auf sie wirkt und verfügbar erscheint. Weil ich eben einen wirklichen Partner, eine echte Partnerin, eine wahre Kommunion des Leibes, des Herzens und der Seele erhoffe und erwarte, deswegen lasse ich meine Gefühle und meine Sinnlichkeit nicht bei der erstbesten Gelegenheit mit mir durchgehen.
Der zweite Fehler: nicht überhastet ein (zwar nicht offizielles, aber tatsächlich bestehendes) Eheleben beginnen. Da sperrt man sich in eine intensive, intime Beziehung ein, noch bevor man die erforderliche äußere (soziale, berufliche, wirtschaftliche) Autonomie, noch die innere (die psychologische, intellektuelle, spirituelle, gefühlsmäßige Reife) erlangt hat. Denn nur diese Autonomie ermöglicht eine wirkliche Entscheidung und ein Engagement für die Zukunft. Diese unreifen Beziehungen sind keine Vorbereitung auf die Ehe, sondern auf eine Scheidung. Da lernt man nicht wirklich eins zu werden, sondern auseinanderzugehen. Und wenn man dann aufwacht, leidet das Herz.
Der dritte heute so weitverbreitete Irrtum, daß man ihn für wahr und auf der Hand liegend ansieht: daß man Mädchen mit Pillen traktiert. Als wäre es risikolos, das empfindliche weibliche Gleichgewicht durcheinander zu bringen, noch dazu in einer Phase, in der es sich überhaupt erst einstellt und stabilisiert! Und klar gesagt werden muß auch: Man tut so, als gäbe es später keine Risken für die Gesundheit und die Fruchtbarkeit!
Klarerweise sind in diesen wilden Ehen die natürlichen Methoden der Empfängnisregelung von vorneherein in Mißkredit: Sie erfordern Rücksichtnahme, Dialog, Verantwortung; sie stehen im Widerspruch zum gebieterischen Gesetz des „Reichs der Sinne“. Mit diesen Methoden haben vor allem die Burschen, für die ihre Schöne jederzeit verfügbar sein soll, keine besondere Vorliebe.
Man mag nun einwenden, es sei immer noch besser, die Pille zu nehmen, als eine Schwangerschaft – in neun von zehn Fällen eine Abtreibung – zu riskieren. Also das kleinere von zwei Übeln zu wählen. Klar! Aber ist nicht auch das bezeichnend? Es macht deutlich, daß das Kind von Anfang an ausgeschlossen wird aus diesen jugendlichen Lieben, in denen man eher ein symbiotisches Gespinst sucht als daß man an der Zukunft baut.
Ich kenne Jugendliche, die warten, Verlobte, die warten. Sie bewundere ich. In ihnen wird eine besondere Gnade spürbar. Manchmal erkennt man sie in ihren Blicken, ihren Gesten.
Aber auch jenen, die diese innere Schönheit bereits verloren haben, sei gesagt: Man kann sie sich neu schenken lassen.

Alain Bandelier
Famille Chrétienne Nr. 1483

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