Hierzulande verkünden Aufklärungsbroschüren immer noch, Sex in jugendlichem Alter sei unbedenklich, solange man sich mittels Kondomen „schütze“. Die Erfahrungen aus dem Aids-geplagten Afrika sprechen eine andere Sprache, wie das Beispiel Uganda zeigt.
In Uganda wurden 1982 die ersten Aids-Fälle gemeldet. Die sogenannte „Silimi“ oder „Slim disease“ – wegen der Abmagerung der Aids-Kranken – verbreitete sich in den städtischen Zentren und am Rand größerer Straßennetze. Hinzu kam der kulturelle Faktor der polygamen Gesellschaft, wo ein Mann zwei, drei oder vier Frauen haben kann und unverheiratete Frauen mit verheirateten Männern verkehren. Jugendliche nehmen im frühen Teenageralter sexuelle Kontakte auf, wobei die Mädchen sich früher und häufiger dem HIV-Risiko aussetzen, weil sie mit älteren Männern verkehren. 1987 war die HIV-Prävalenz auf 29% gestiegen.
Die Regierung nahm die Gefahr der Pandemie wahr und startete eine großangelegte Informationskampagne in einer Zeit, als es noch nicht klar war, wie die Krankheit übertragen wurde. Man dachte, man könne krank werden, wenn man miteinander spielte oder einander die Haare kämmte. Man warnte vor ungeschütztem Sexualverkehr, nicht vertrauenswürdigen Bluttransfusionen oder vor gesundheitlicher Behandlung durch traditionelle Heiler. Durch eine falsche Vorstellung wurde Aids zusätzlich bei jungen Frauen verbreitet: Man glaubte, dass der Sexualverkehr mit einer Jungfrau von der Krankheit heilen würde. Später wurde diese Handlung als krimineller Akt eingestuft.
Präsident Yoweri Museveni selbst führte 1987 die ABC-Methode in Uganda ein. Pragmatisch erklärte er, es sei die Pflicht eines jeden Bürgers, sich vor der Ansteckung mit dem Virus zu schützen. Es liege in der Verantwortung des Einzelnen, sein Verhalten zu verändern, um nicht an Aids zu erkranken und zu sterben. Drei Komponenten stünden zur Wahl:
A = abstain bzw. Enthaltsamkeit vor der Ehe,
B = be faithful bzw. Treue zum Ehepartner und
C = condoms, falls man die Tat begeht oder mehr als einen Partner hat. Enthaltsamkeit vor der Ehe und Treue in der Ehe seien die richtigen Entscheide für den Kampf gegen Aids.
Katholische Organisationen verwendeten für das C = character building bzw. Aufbau des Charakters, welches ein Schwerpunkt ihres Jugendprogramms war.
Diese Botschaften wurden laut und klar durch Radioprogramme und Theatergruppen verbreitet. Der Ansatz schlug ein und zeigte Wirkung. 1991 sank die HIV-Prävalenz auf 15% und erreichte 6,4% im Jahr 2006.
Eine Studie von USAID fasst die statistischen Zahlen zu HIV/Aids zwischen 1986 und 2000 zusammen und bestätigt den Erfolg der Aids-Präventionskampagnen in Uganda. Nicht nur die Anzahl der Erkrankten (Prävalenz), sondern auch die Anzahl Neuinfizierte ( Inzidenz), besonders unter den jüngeren Bevölkerungsgruppen, ist signifikant gesunken.
In der Hauptstadt Kampala und in anderen Städten verringerte sich der Anteil der Aids-infizierten jungen Menschen in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen von 1991 bis 1998 um 75%. 1991 waren 21,1% der Schwangeren HIV-positiv, 1998 waren es 9,7%.
Die Abnahme der Häufigkeit von HIV-Infektionen deutet – gemäß wissenschaftlichen Studien – auf eine Verhaltensänderung auf Bevölkerungsebene hin, wobei der wichtigste Faktor die Abnahme von häufigem Partnerwechsel und die spätere Aufnahme sexueller Kontakte unter den Jugendlichen ist. Kondome wurden in Uganda nicht gefördert, deshalb misst man ihnen eine sekundäre Rolle zu.
Es sind sowohl epidemiologische als auch soziokulturelle und politische Elemente, die den Verlauf der Epidemie in Uganda beeinflussten. Vor allem war das politische Engagement auf höchster Ebene ausschlaggebend. Es wurde eine multi-sektorielle Aids-Kommission (UAC) gegründet, um die nationale Aids-Strategie mit einem operativen Plan zu koordinieren und zu beobachten. Wesentlich war eine dezentralisierte Informationskampagne zur Verhaltensänderung, welche sich flexibel und pro-aktiv auf die Dorfgemeinschaften, Mund-zu-Mund-Kommunikation und kulturelle Gegebenheiten stützte. Religiöse Leader waren seit den Anfängen in den Erziehungs- und Präventionsaktivitäten aktiv beteiligt und gründeten u. a. die ersten Spitäler mit Versorgung von Aids-Kranken.
Auszug aus „Youth Alive – Eine junge Generation macht den Unterschied!“ in Schweizer HLI-Report 1/14.