VISION 20004/2014
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Aufruf zum „Outen“

Artikel drucken Anregungen zum Bekennen des Glaubens im Alltag (Von Horst Obereder)

Es ist „in“ sich zu „outen“, also Intimes öffentlich bekannt zu machen. Homosexuelle nützen das reichlich, um für ihre Lebensart zu werben. Warum sind wir Christen beim Bekennen so schüchtern?  

Es ist nicht lange her, da konnte man die Leistungen einzelner Sportler bei der Fußballweltmeisterschaft 2014 bestaunen. Ich nehme an, dass sogar das Ehrenmitglied des argentinischen Fußballvereins San Lorenzo – Papst Franziskus – zumindest Teile eines Spieles gesehen hat.
Die Namen guter Stürmer, Verteidiger oder Tormänner sind allen Fußballbegeisterten geläufig. Eine politische oder moralische Äußerung eines Stars hat dementsprechend großen Einfluss auf viele Menschen. Dazu ein Beispiel:
Die Zeitschrift „Die Welt“ hat am 8. 1. 2014 über das „Outing“ des Ex-Profi-Fußballers Thomas Hitzlsperger berichtet, der sich öffentlich zu seiner Homo­sexualität bekannte. Nur wenige Minuten nach seinem Bekenntnis kam, so konnte man lesen, „eine Lawine ins Rollen … Die Resonanz auf sein ‚Outing’ war so gewaltig, dass am Mittwoch kurzzeitig der Server von ‚Zeit Online’ zusammenbrach.“ Er sei immer homosexuell und trotzdem erfolgreich gewesen, war Hitzlspergers Aussage. Man lobte nicht mehr die ehemalige fußballerische Leistung, sondern das Bekenntnis zur Homo­sexualität und zollte dem Ex-Fußballer Respekt, vom DFB-Präsidenten bis zur Bundeskanzlerin Angela Merkel.
An diesem Beispiel sieht man deutlich, dass das öffentliche Bekennen zur eigenen Überzeugung immer eine Botschaft an die Welt ist! Dies gilt natürlich für jede Überzeugung und ganz besonders für den Glauben. Grandios hat Papst Paul VI. diesen Zusammenhang im Apostolischen Schreiben Evangelii Nuntiandi (41) formuliert: „Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind.“ Das persönliche Zeugnis ist das „Um und Auf“ jeglicher Evangelisation! Ich kann nicht Armut predigen und das teuerste Auto fahren, Verlässlichkeit verlangen und selbst ungehorsam sein.
Wenn dieses „Outen“ sogar höchste Politiker beeindruckt, sollten wir Christen dann nicht auch eine große Welle des „sich Outens“ starten? Aber da stellt sich natürlich gleich eine Frage: Wie kann ich mich denn als Christ „outen“? Wenn ich als HTL-Direktor i.R. eine Pressekonferenz einberufen würde, um der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass ich Christ bin, nach meinen Kräften immer treu zur katholischen Kirche und damit treu zu Papst und Bischöfen stand, fast täglich die Heilige Messe besuchte, regelmäßig betete, monatlich beichtete und trotzdem in meinem Beruf „erfolgreich“ war – kein Journalist würde kommen, keine Unterrichtsministerin und kein Bundeskanzler meinen Mut loben. Eine Pressekonferenz ist daher nicht unser Weg.
Wie also können wir uns „outen“? Ich wurde zweimal vom ORF eingeladen, einmal zu einem Club2 und einmal zur Barbara Karlich-Show. Beide Male durfte ich von meinem Glauben Zeugnis geben. Aber das ist nicht der normale Weg. Auch nicht das „Bücher-Schreiben“ oder Verfassen eines Artikels gehört zum „Outen“ eines „normalen“ Christen. Es ist der als Christ gelebte Alltag, der uns letztlich zu Zeugen für das Evangelium macht.
Eine besonders freundliche Serviererin ist mir aufgefallen. Ich habe mich für ihre Freundlichkeit bedankt und sie antwortete: „Ich bin gerade auf einer Wallfahrt gewesen. Das muss man doch merken!“ Jemand anderer sitzt alleine in einem Speisesaal und macht vor dem Essen ein Kreuzzeichen. An einem Auto klebt an der Heckscheibe ein Fisch, in einem anderen Auto hängt ein Rosenkranz. Und so gibt es viele Situationen des täglichen Lebens, in denen wir uns ohne Worte „outen“ können.
Meine Frau und ich, wir fahren sehr oft um 6.30 Uhr in der Früh von unserem Parkplatz weg in die Frühmesse zu Schwestern. Wenn Sie glauben, dass dies unbemerkt bleibt, dann haben Sie sich getäuscht. Wir wohnen in Linz in einem großen Miethaus mit vielen Parteien. Da gibt es einige, die wissen, was wir am Morgen treiben – ohne dass wir je davon redeten. Wir „outen“ uns alleine durch die Absenz von 6.30 Uhr bis 7.30 Uhr. Im beiläufigen Gespräch meinte ein Nachbar, er habe ein anderes Hobby. Er wusste also, dass unser „Hobby“ der Glaube ist.
Wir „outen“ uns jedem Besucher unseres Heimes gegenüber, wenn dieses Heim eindeutig als Haus eines Christen erlebt wird. Es herrscht Ordnung und Sauberkeit, und die Zeichen des Glaubens sind klar zu erkennen: das Kreuz, ein Marienbild, ein Weihwasserkessel… Die Wohnung muss keine Kapelle sein und kann trotzdem eine gewisse Atmosphäre des Glaubens vermitteln.
Der Freund eines Bekannten war mit mir beim Bundesheer. Ihm gegenüber äußerte er sich über mich so: „Er ist so lustig, und trotzdem katholisch!“ Bis heute ist mir unklar, wie ich zu dieser Charakterisierung kam. Aber es zeigt, dass wir sehr wohl beobachtet werden und uns schon mit kleinen Aussagen als Gläubige „outen“.
Wir haben den Auftrag, missionarisch zu sein – oder modern ausgedrückt – uns zu „outen“, einen Auftrag, von dem Papst Franziskus immer wieder spricht. Wir können uns täglich „outen“ – in der Familie, im Büro, bei Freunden und Bekannten. Sagen Sie, wenn es passt, dass Sie praktizierender Katholik sind und die katholische Lehre befreiend und toll finden!
Bilden Sie sich im Glauben weiter, damit sie auf möglichst viele Fragen antworten können. Hören Sie nicht passiv zu, wenn über die Kirche hergezogen wird, beziehen Sie Stellung. Sie können dadurch den „Konformitätsdruck“ durchbrechen. Plötzlich gibt es durch Ihren Beitrag eine andere Meinung. Wenn Sie Ihren Standpunkt gut darlegen, dann könnte es sein, dass auch andere sich Ihrer Meinung anschließen. Solche Möglichkeiten ergeben sich nicht nur bei öffentlichen Debatten, sondern viel häufiger am Arbeitsplatz oder in der Familie.
Sie werden anfangs wahrscheinlich keine bewundernden Zurufe bekommen, wie Hitzlsperger. Sie werden möglicherweise in die Ecke der ewig „Gestrigen“ gestellt, mitleidig belächelt und Ihr Mut wird als Blödheit abgestempelt. Einige Wenige aber werden die Tragfähigkeit Ihrer Überzeugung erahnen und sich Ihrem Denken – vielleicht anfangs noch zaghaft – anschließen und sich eines Tages vielleicht auch selbst „outen“, wie es der Apostel Paulus getan hat.
Was ein Hitzlsperger kann, das könne wir doch auch – oder?


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