Hoffnung - das Thema der letzten Nummer hat viele Leser bewegt, vor allem das Interview mit Maria Loley. Sie bekam viele Anrufe von Menschen in scheinbar ausweglosen Situationen. Ein Grund, das Thema noch einmal aufzugreifen.
Dein Interview in Vision 2000 hat sehr viel Echo gehabt. Was war das Bezeichnende daran?
Maria Loley: Daß hoffnungslose Menschen Mut bekommen haben, über ihre Probleme zu reden. Es kamen Anrufe aus Österreich, Deutschland, Italien...
Und was hat den Anrufern diesen Mut gegeben?
Loley: Sie hatten den Eindruck gewonnen, ich würde ihnen zuhören, sie verstehen. Erst gestern abends war ein junger Mann da, aus dessen Erzählung ich erkenne, worum es in der Begegnung mit hoffnungslosen Menschen geht: Daß man ihnen in Bescheidenheit begegnet, daß das Evangelium erfahrbar und glaubhaft wird. Das gibt aufkeimender Hoffnung Stärke. Daß Gott uns die Hoffnung gibt, brauche ich nicht zu betonen. Und die Menschen spüren das. Nur passiert es heute immer häufiger, daß Menschen in die Hoffnungslosigkeit verfallen, vollkommen anstehen.
Sind das Menschen, die niemanden haben, an den sie sich vertrauensvoll wenden können?
Loley: In dem Problem, das sie quält, haben sie keinen Ansprechpartner.
Hoffnungslosigkeit ist also eng verknüpft mit dem Gefühl, mit Problemen allein dazustehen?
Loley: Ja. Das Pflegen vertrauensvoller Beziehungen ist für den Menschen wesentlich. Und es wäre wichtig, Gelegenheiten für solche Beziehungen zu schaffen. So beginnt zum Beispiel ab nächster Woche das Nachtprogramm von Radio Maria: Donnerstag von 22 bis 23 Uhr bin ich unter dem Titel: “Wie geht es Ihnen?" über das Studio ansprechbar.
Kann man in einer Rundfunksendung überhaupt helfen?
Loley: Der Hoffnungslose kann sich mitteilen. Es ist entscheidend, mit ihm seine Lage durchzugehen. Dabei zeigen sich zunächst natürliche Ansätze, wie man helfen kann. In einem Partnerkonflikt komme ich zum Beispiel als sogenannter Dritter zu Hilfe. Ich kann meine Sichtweise einbringen und dadurch neue Perspektiven eröffnen. So bin ich als Mensch ein natürliche Hilfe.
Aber ohne Patentrezepte zu geben...
Loley: Ich trete nicht von oben, als der große Helfer auf, sondern subsidiär. Das wird dann möglich, wenn ich dem Menschen im Glauben begegne, im Bewußtsein, daß Gott es ist, der hilft, im Wissen, daß Gott der Partner des Notleidenden ist. In jeder Not ist Gott der Partner und es braucht Menschen, die sichtbare Mittler Seiner Hilfe sind, die dem Betroffenen Gottes Helfen aus ihrem Glauben heraus zuleiten. Als ehemalige Beamtin möchte ich das Weisungsgebundenheit nennen. Dem Heiligen Geist gegenüber bin ich weisungsgebunden. Er lenkt, weist mich an, gibt Impulse, erleuchtet, wirkt...
Solche Hilfe zu eröffnen, wäre eigentlich eine Aufgabe für jeden von uns...
Loley: Ja. Darauf müßten sich nicht nur viele Laien neu besinnen, sondern vor allem auch viele Priester. Warum ist die Beichte keine gesuchte Möglichkeit der Hilfe heute? Diese Quelle ist fast total abhanden gekommen. Wieso? Weil die Priester vielfach nicht mehr als die offenen Herzen Gottes unter den Menschen sind.
Ein Appell an die Priester also?
Loley: Natürlich! Die Priester müßten sich auch mehr herausgefordert fühlen, dahin zu wirken, daß viele Christen zu ihrer Verantwortung erwachen. Aber wieviele Laien können auf diesem Weg wirklich voranschreiten, wenn ihnen die Priester nicht den Rücken stärken? Und dabei: Wie wichtig ist das Engagement der Laien! Erst kürzlich hat ein junges Ehepaar durch einen Anruf davon Wind bekommen, daß eine Frau sehr gefährdet sei. Diese hatte schon Selbstmordäußerungen gemacht und war nirgends zu erreichen. Der Anrufer hatte keine Möglichkeit, der Frau nachzugehen... So hat das Ehepaar sich auf die Suche nach ihr gemacht, hat sie erreicht und zu mir gebracht - ich war damals im Spital. Und tatsächlich: Im Gespräch hat sie mir dann dezidiert erklärt, dies sei der Tag gewesen, an dem sie entschieden hatte, Schluß zu machen. Welche Kette von Verantwortung!
Wie schaffst Du das, diese viele Not zu tragen?
Loley: Der Herr trägt unsere Last, Psalm 26, glaube ich. Petrus sagt in seinem ersten Brief: Werft alle Sorge auf den Herrn. Und dann der Psalm 91: Eine Zusicherung nach der anderen!
Aber dieser Einsatz erfordert sicher Zeiten, in denen man sich Gott bewußt ausliefert...
Loley: Die 5 Stunden Anbetung am Donnerstag sind für mich die heiligste Zeit der Woche. Sie ist eine unermeßliche Kraftquelle. Da steht das Herz unseres Gottes ganz offen für uns. Seine Liebe teilt sich da wunderbar mit, baut auf, gibt Kraft, schafft neu. Das ist die Zeit, des innerlich aufgebaut Werdens. Ich stelle fest, daß sich eine Welle der Anbetung in Bewegung setzt. Immer zahlreicher sind jene, die erkennen, daß die Anbetung das Zentrale ist, nicht Aktion - obwohl Aktion gefordert ist.
Hast Du eine Botschaft der Hoffnung?
Loley: Zunächst in Geduld alle natürlichen Möglichkeiten des Aufbaus neuer Hoffnung ausschöpfen. Ich muß aber wissen, daß an der Grenze der menschlichen Hoffnung nur die Hoffnung auf die Hilfe Gottes trägt. Ich erfahre, daß Menschen in einer hoffnungslosen Situation sehr darauf ansprechbar sind, auf Gott zu hoffen. Sie müssen nur den Durchblick bekommen...
Was heißt das?
Loley: Wenn sie neuen Mut im Gespräch schöpfen und erneut bei meiner Zuwendung ansetzen, dann sage ich sehr oft: Der uns die Hoffnung gibt, ist Gott. Das spreche ich offen aus. Und ich merke, dieses Zeugnis greift. In der Folge beginnen viele Menschen zu beten, sie erzählen mir: Ich war in der Kirche, habe mich vorne hingesetzt und mit Gott gesprochen.
Wie kommen sie darauf?
Loley: Sie brauchen Hilfe auch fürs Beten, das Sprechen mit Gott. Ich sage ihnen: “Jesus ist es nicht egal, wie es dir geht! Sag Ihm, wie Dir wirklich zumute ist! Sag: ,mir ist zum Kotzen elend.' Du kannst so ein Kraftwort sagen, wenn es deinem Gefühl entspricht. Schrei es Ihm entgegen! ,Wenn Du mir nicht hilfst, muß ich verzweifeln!' Du kannst Deinen Gefühlen vor Ihm Luft machen. Er hört es und kann sich voll in Dich einfühlen. Und Er versteht, was in Dir vorgeht. Aber Er braucht Deine ehrliche Rede."
Und das hilft?
Natürlich füge ich hinzu: Wenn Du es sagst, muß Du Ihm auch vertrauen. Um Hilfe zu rufen - und dann nicht mit ihr rechnen, ist unsinnig. Ich versuche auch, einen Anstoß zu geben, Christus in der Schrift zu begegnen.
Welche Stellen empfiehlst Du?
Loley: Sehr oft Johannes, die Abschiedsreden. Oder die Apostelgeschichte, vor allem am Anfang. Oder die Stellen, die zeigen, wie Jesus mit den Kranken umgegangen ist. Was sagt der Evangelist: Er hatte Mitleid mit der Frau, die da im Fieber liegt. Er nahm sie bei der Hand. Er richtet sie auf - und sie steht auf und ist gesund! Es geht um das Hinführen zu Gott, der unsere Hoffnung ist. In Dir ruht all mein Hoffen, heißt es in einem Psalm. In Dir ruht all mein Hoffen - das muß ich mir immer auch selbst in Erinnerung rufen, wenn so viel Hoffnungslosigkeit auf mich hereinstürmt. Ich komme mir dabei gar nicht heldenhaft vor. Immer mehr dringt in mich das Wort ein: Wenn ihr alles getan habt, dann sagt, wir sind armselige Knechte. Es ist beglückend zu sehen, was aus dieser Armseligkeit entsteht, wenn man sie annimmt. Es schenkt eine unglaubliche Erweiterung des eigenen Horizonts.
Das Gespräch führte CG.