Die ganze Heilige Schrift ist ein Zeugnis für den außergewöhnlichen Bund zwischen Gott und den Menschen. Schon durch die Gnade der Schöpfung stehen wir in einer fundamentalen Beziehung zu Gott: “... denn keinem von uns ist er (Gott) fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir..." (Apg 17,27f) Durch seine ganze Geschichte hindurch lernt Israel, daß es nur überleben kann, wenn es auf den Herrn hört - und daß Gott seinerseits über das Leben Seines Volkes wacht.
Mit Jesus Christus erlangt diese Beziehung zwischen Gott und Mensch eine neue Intensität und Tiefe: “Ich bin der Weg, und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich". (Joh 14,6) Für die Jünger ist ihre Berufung im Grunde genommen nicht eine Sache, die zu erledigen, ein Ideal, dem nachzueifern, eine Mission, die zu erfüllen ist. Sie ist vielmehr eine Person, der sie nachfolgen: Jesus. Er selbst ist das Maß, das Ziel der Entscheidungen: “Folge mir nach!"
Allerdings gilt es, gut zu verstehen, was es bedeutet, Jesus nachzufolgen. Es heißt nicht, Ihn als eine außenstehende Referenz anzusehen: ein nachzuahmendes Vorbild, ein zu erfüllender Vertrag. Vielmehr geht es darum, in Seine innere Haltung einzutreten: in Sein Hören auf den Vater, in Seine frohe Hingabe, in Seine leidenschaftliche Bereitschaft zu dienen und zu retten.
Es ist die eigentliche Aufgabe des Heiligen Geistes, uns in die ganze Wahrheit einzuführen, in die göttliche, aber auch in unsere menschliche Wahrheit. Der Geist offenbart mir meinen wahren Namen, jenen verborgenen, von dem die Apokalypse spricht und mit dem Gott mich ruft (Offb 2,17).
Eine solche Berufung ist nicht irgendwelchen, besonders privilegierten Seelen vorbehalten. Es gibt sie nicht nur in außergewöhnlichen Situationen. Vielmehr lerne ich in jedem Moment meines Lebens mit dem Willen Gottes übereinzustimmen. Das ist das Geheimnis des Glücks und der Weg der Heiligkeit. Das entspricht meiner tiefsten Sehnsucht. Auf diese Weise entdecke ich auch, welchen Sinn jede kleinste Einzelheit meines Lebens in der Vorsehung Gottes hat.
Alain Bandelier
Auszug aus Famille Chrétienne v. 18.5.2000