Sein Leben nach dem Willen Gottes auszurichten, bedeutet nicht, in jeder Situation sofort Klarheit über den einzuschlagenden Weg zu haben. Auch bewahrt es nicht vor Härten. Allerdings vermittelt es eine letzte Geborgenheit, die die Welt nicht geben kann.
Wer jemals mit der kroatischen Kirche Bekanntschaft machen durfte, wird von ihrer Vitalität und Glaubensfreude, von ihrer Treue zur Gesamtkirche und ihrem missionarischen Eifer beeindruckt worden sein. Er wird tiefgläubige Laien, darunter viele junge Menschen, vorbildliche Ordensschwestern mit echt katholischer Lebensfreude, überfüllte Kirchen der kroatischen Auslandsseelsorge und kraftvolle Prediger und Hirten kennengelernt haben.
Es lohnt sich darum auch hierzulande, einmal eine ihrer großen Gestalten, die in ihrem Leben in vorbildlicher Weise um die Ergebung in den Willen Gottes gerungen haben, kurz vorzustellen: Johannes Paul II. hat 1998 Alojzije Stepinac, den ehemaligen Erzbischof von Agram (Zagreb), seliggesprochen. Wer ist dieser unter den Kroaten so beliebte Selige?
Stepinac wird am 8. Mai 1898 in Krasic in eine katholische bäuerliche Familie geboren. Seine Eltern sind schlichte, mit Hausverstand und Gottvertrauen gesegnete Leute. Seine Mutter betet und fastet viel für seine priesterliche Berufung.
1909 wird er in das erzbischöfliche Internat in die kroatische Hauptstadt Agram geschickt. Nach sechs Jahren wechselt er mit dem Wunsch, Priester zu werden, in das Lyzeum über. Hier klingt das Thema seines Lebens an, das reich an Krisen und Prüfungen war: Was ist der Wille Gottes für mein Leben und in dieser speziellen Situation?
Nach der Matura 1916 wird er in die Österreichisch-Ungarische Armee eingezogen und nach Einsätzen an der italienischen Front zum Leutnant befördert. Nach italienischer Gefangenschaft und der Entbindung aller Soldaten von ihrem Eid auf Kaiser Karl meldet er sich zur “Südslawischen Legion". 1919 kehrt er nach Hause zurück.
Das Studium der Landwirtschaft, das ihm von seinem Vater nahegelegt wurde, befriedigt ihn nicht. Aber zum Priesteramt kann er sich nicht entschließen. Er verlobt sich mit Marija Horvat, ist sich seiner Sache aber offenbar nicht recht sicher. “Aus dem Briefwechsel, den beide miteinander führten, geht hervor, daß die Braut irgendwie fühlte, daß ihr Bräutigam zu etwas Höherem berufen war, und sie klagt über seine ’eisige Liebe'."
Die Auflösung der Verlobung seitens der Braut beendigt aber die Krise noch nicht. Der Durchbruch ereignet sich erst nach einer massiven Intervention seines ehemaligen Studiendirektors. Dieser teilt ihm mittels eines Artikels in einer Priesterzeitschrift über den heiligen Klemens Maria Hofbauer und eines langen persönlichen Briefes mit, daß er ihn für das Priesteramt berufen halte.
Schließlich, nach schweren inneren Kämpfen, fällt im Frühling 1924 der Entschluß. Im Herbst tritt er in das Collegium Germanicum in Rom ein. Zweifel bezüglich seiner Berufung bleiben ihm aber auch hier nicht erspart. 1930 wird er schließlich zum Priester geweiht. Im Gehorsam stimmt er 1934 seiner Ernennung zum Erzbischof-Koadjutor zu. Nach dem Tod Erzbischof Bauers übernimmt Stepinac 1937 dessen Amt.
Die politische Situation ist schwierig: Noch vor der Zerschlagung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie hatten sich viele Kroaten eine bessere Zukunft durch den Zusammenschluß der südslawischen Völker erwartet. Das kroatische Volk und die Katholische Kirche sind im Vielvölkerstaat des “Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen" (1929 in “Jugoslawien" umbenannt) jedoch benachteiligt. Bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung.
Den Wunsch der Kroaten nach einem eigenen Staat macht sich schließlich Hitler zunutze, unter dessen Einfluß der “Unabhängige Staat Kroatien" 1941 ausgerufen wird. Unter Staatschef Ante Pavelic beginnen Verfolgungen von Juden und Serben.
Stepinac stellt sich mit Protestnoten und Predigten den Verbrechen der Ustaschas entgegen und organisiert Hilfe und Unterschlupf für die Verfolgten. Scharf wendet er sich gegen alle Rassenideologien.
Als das Ende des Regimes naht, stellt er sich unzweideutig auch dem früheren (und letztlich “erfolgreicheren") der beiden großen Aggressoren des 20. Jahrhunderts entgegen, dessen Machtübernahme sich bereits abgezeichnet hat: “Nie kann die katholische Kirche ein System anerkennen, das dem Bauern seinen Grund, dem Gewerbetreibenden sein Häuschen, dem Privatmann sein durch anständige Arbeit erworbenes Vermögen und dem Arbeiter und Menschen überhaupt seine Seele wegnehmen will.
Wir können auch kein System anerkennen, das die Familie verneint, in der die Kirche eine göttliche Einrichtung und den Grundstein jedes Volkes sieht."
Nach der Einnahme Agrams durch die Kommunisten Titos beginnt dann auch die erwartete Kirchenverfolgung. Stepinac wird am 18. September 1946 verhaftet und in einem typisch kommunistischen Schauprozeß zu 15 Jahren Haft mit Zwangsarbeit verurteilt.
Von den 35 registrierten Zeugen der Verteidigung, die zugunsten von Stepinac aussagen wollten, lehnte das Gericht 27 ab, darunter einige Serben und Juden. Man wirft ihm unter anderem Kollaboration mit den Deutschen, Zwangsumtaufen der Orthodoxen und Widerstand gegen die kommunistische Obrigkeit vor.
Ein wesentlicher Grund für Anklage und Urteil ist jedoch der Zorn Titos auf Stepinac, der sich weigert, die kroatische Kirche von der Gesamtkirche zu lösen. Vor Gericht erklärt Stepinac: “Ich bin bereit, für meine Überzeugung nicht nur Spott, Haß und Demütigungen zu ertragen, sondern ich bin auch - eben weil mein Gewissen rein ist - jeden Augenblick bereit, den Tod zu erleiden. ...
Ich war keine persona grata, weder bei den Deutschen noch bei den Ustaschas, ich habe auch keinen Eid geleistet wie Ihre Beamten, die sich hier im Saal befinden (Anspielung auf den Senatsvorsitzenden, dem der Erzbischof im Krieg das Leben gerettet hatte). Das kroatische Volk hat sich durch Volksentscheid für den kroatischen Staat entschieden, und ich wäre ein Taugenichts gewesen, hätte ich den Pulsschlag meines kroatischen Volkes nicht verspürt, das ein Sklave im ehemaligen Jugoslawien war. ...
Kein Priester und kein Bischof ist weder tagsüber noch bei Nacht seines Lebens sicher. ... In den Schulbüchern behaupten Sie das Gegenteil aller geschichtlichen Beweise, daß Christus nicht gelebt habe. Sie sollen wissen, Jesus Christus ist Gott! Für Ihn sind wir bereit zu sterben."
Bis 1951 ist Stepinac im Gefängnis von Lepoglava in Haft, danach wird er in seinem Heimatdorf Krasic unter Hausarrest gestellt. Alle Versuche des Staates, ihn zu einem Gnadengesuch zu bewegen und ihm die freie Ausreise anzubieten, fruchten nichts. Während des Hausarrests wird Stepinac schwer krank. Neben der großen psychischen Belastung scheinen es Folgen von gezielten Vergiftungen im Gefängnis zu sein.
Papst Pius XII. ernennt ihn 1952 zum Kardinal, worauf Tito die diplomatischen Beziehungen zum Heiligen Stuhl abbricht.
Stepinac wird durch die Bewacher mehr und mehr isoliert. Schikanen begegnet er mit Geduld und Festigkeit. Immer wieder werden Operationen nötig. Stepinac betet viel für die Kirche und für seine Verfolger. Am 10. Februar 1960 gibt er schließlich wohlvorbereitet und in Ergebung in den Willen Gottes sein Leben zurück. Die Überführung des Leichnams und die Beisetzung wird zur machtvollen Demonstration des katholischen Kroatien.
In unzähligen Nachrufen, auch von jüdischer Seite, wird Stepinac geehrt. Auch ehemalige Feinde anerkennen seinen Mut. Sein Portrait ist in den Kirchen und Pfarrhöfen der Kroaten bis heute häufig zu finden.
Was kann der Selige uns Heutigen mitgeben? Seine wichtigste Botschaft an uns ist sicher sein unbedingter Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, in dem seine Bereitschaft wurzelte, eher sein eigenes Leben daranzugeben als die Integrität der Kirche und den Anspruch der Wahrheit zu opfern. Er mußte den “Dialog" mit der Macht Titos verweigern, der hunderttausende Menschen auf dem Gewissen hatte.
Stepinac hat mit dem Teufel nicht dialogisiert. Er konnte der Lüge keine Wahrheit abgewinnen. Er “polarisierte", wie man heute zu sagen pflegt. Er wußte, daß ihn jedes Eingehen auf die Schmeicheleien oder Drohungen Titos kompromittieren würde - bei unermeßlichem Schaden für das Gewissen der Gläubigen.
Stepinac blieb es erspart, die vielen “Dialoge" der Kirche mit den kommunistischen Unterdrückern im Osten und ihren Helfern im Westen miterleben zu müssen.
Was würde er heute zur Übernahme marxistischer Lehren in die Kirche, nicht nur in Lateinamerika, sondern auch in verschiedenen “katholischen" Sozialaktivitäten in Europa sagen? Was zur antirömischen Wühlarbeit im deutschen Sprachraum? Es ist nicht schwer, sich das vorzustellen.
Geben wir Kardinal Montini (dem späteren Paul VI.) das Schlußwort, der am 12. Februar 1960 zu Mitgliedern der Katholischen Aktion sagte: “(Unser Glaube) verlangt Zeugen und keine Schwächlinge ... Er fordert Söhne, Apostel der Treue und der Konsequenz und nicht Mitläufer, Propagandisten des Opportunismus und des Kompromisses, die eher geneigt sind, sich mit den Gegnern zu einigen, als mit den Freunden die Einheit zu bewahren. Stepinac sei unser Lehrer!"
Die Ausführungen lehnen sich an: Ernest Bauer Aloisius Kardinal Stepinac, Ein Leben für Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit, im Auftrag von Kirche in Not/Ostpriesterhilfe, an. Diesem Werk sind auch die Zitate im Artikel entnommen.