Die Uneinigkeit in der Kirche in wesentlichen Fragen ist ein großes Hindernis bei der Verkündigung des Glaubens. Eine Herausforderung für die Hirten der Kirche.
Wir leben in einer Welt, in der die Ansichten aufeinanderprallen, wir gehören einer Kirche an, in der die Zugänge zum Glauben - so heißt es - sehr unterschiedlich sind. Zunächst sei klargestellt: Den Glauben kann man nicht aufoktroyieren, nur anbieten...
Alle aber hoffen auf Hirten und Lehrer, die den katholischen Glauben immerhin so sehr lieben, daß sie ihn respektieren und ihm Respekt verschaffen. Zumindest, was das Zentrum anbelangt: Das Credo, die Sakramente, die Gebote. Denn dreierlei steht auf dem Spiel: Was die Kirche anbelangt, hat die mangelnde Einheit eine Schwächung zur Folge. Die Märtyrer hätten nicht ihr Blut für einen hypothetischen Christus oder ein erdachtes Evangelium vergossen!
Glauben Sie, daß die Jungen ihr Leben in einer Kirche einsetzen, die nichts anderes als ein Jahrmarkt zweifelhafter und revidierbarer Meinungen ist? Dieser Relativismus führt direkt zu einer Verhärtung auf der Gegenseite: Wenn man zentrale Punkte der Theologie, der Moral oder der Liturgie in Frage stellt - darf man sich da wundern, wenn sich “reaktionäre" Gruppen bilden?
Was die Ökumene anbelangt, ist die mangelnde Einheit im Glauben eine Katastrophe. Wenn wir nicht ausdrücklich und ohne jede Reserve den Glauben der großen Konzilien des ersten Jahrtausends, den Glauben der noch ungetrennten Kirche, verkünden, so haben wir überhaupt keine Basis, auf der die Versöhnung der getrennten Gemeinschaft aufbauen könnte.
Wenn unser Katholizismus nur irgendwie vage ist, wird der Dialog mit unseren evangelischen, anglikanischen und orthodoxen Brüdern zu einem netten Kamingespräch, statt zu einer geduldigen und herausfordernden Suche nach einer echten, von der Wahrheit getragenen Kommunion. Wenn sich jeder Christ seinen Glauben selbst zusammenbastelt, ist dies das Ende des Christentums.
Und was schließlich die Mission anbelangt, ist die mangelnde Einheit im Glauben lähmend. Das führt zum Scheitern jeglicher Evangelisation. Wenn wir Widersprüchliches verkünden, wer soll uns glauben? Wenn wir uns damit zufrieden geben, unsere Zweifel kundzumachen, wer soll uns da folgen? Im Vorort, in dem ich wohne, haben es christliche Schüler mit wenig Glaubensfundament mit überzeugten jungen Muslimen zu tun. Diese sind überzeugt, daß unsere Schriften gefälscht sind. Wer wird da wohl wen missionieren?
Diese ganzen Debatten haben aber immerhin einen Vorteil: Ihnen verdanken wir, daß wir langsam wiederentdecken, daß der Glaube ein uns gemeinsam anvertrauter Schatz ist. Ein Schatz, den es zu hüten und zu teilen gilt!
Alain Bandelier
Famille Chrétienne v. 25.-31.1.03