VISION 20006/2003
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Furchtlos und unbeugsam

Artikel drucken Papst Johannes Paul II.: ein beeindruckender Zeuge der Furchtlosigkeit, zu der er aufruft

Er hat den Papst in Polen, Spanien, Rumänien und an vielen anderen Orten live erlebt, zuletzt beim Jubiläum in Rom: Der Autor gehört zur “Generation Johannes Paul", zu einer Jugend, die sich vom Mut und Glauben des Papstes hat anstecken lassen.

Ein Vierteljahrhundert ist er nun Papst - Johannes Paul II. Er hat die letzte Epoche des vergangenen Jahrhunderts geprägt, wie die ersten Jahre des neuen Jahrtausends. Mit der Dynamik eines Spitzensportlers, der Auftrittsicherheit eines Schauspielers und seiner natürlichen Liebenswürdigkeit zog er in alle Himmelsrichtungen aus, um die Herzen für sich und die Kirche zu gewinnen. “Fürchtet Euch nicht!" - “Öffnet die Tore für Christus!" waren seine ersten Worte, die er nach seiner Wahl am 16. Oktober 1978 auf dem Petersplatz aussprach.

Und diese Worte ziehen sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Pontifikat. Bei der Jubiläumsfeier, die genau am gleichen Abend, 25 Jahre später, am 16. Oktober 2003 stattfand, dankte der Papst Gott für die 25 Jahre seines Dienstes an der Universalkirche: “Seit Beginn des Pontifikates sind meine Gedanken, meine Gebete und meine Handlungen von einer einzigen Sehnsucht bewegt gewesen: zu bezeugen, daß Christus, der gute Hirt, im Werk seiner Kirche gegenwärtig ist. Er ist ununterbrochen auf der Suche nach jedem verirrten Schaf." Genau das ist die Kernbotschaft dieses Papstes: Um nichts anderes ging es ihm, als den “Redemptor hominis" allen Menschen zu verkünden.

Heute, nach 25 Jahren Pontifikat, schwer gezeichnet durch seine Parkinsonerkrankung, verkündet er Christus am Kreuz. Vielleicht ist es vermessen, sein Leben mit dem seines Meisters Jesus Christus zu vergleichen, aber gewisse Parallelen tun sich doch auf. Wie sein Meister das Himmelreich in den Dörfern und Städten und auf den Bergen Galiläas verkündete, so verkündete der Pontifex das Evangelium von der Liebe Christi bis an die Enden der Erde. Die vielfältigen Schauplätze in den Städten und Ländern der Erde boten ihm die Bühne, um die Herzen der Menschen zu gewinnen.

Genau wie sein Meister wurde er am Beginn seines öffentlichen Wirkens von den Menschen geliebt und umjubelt. Heute, 25 Jahre später, spürt er zuweilen die Einsamkeit des Kreuzes.

Niemand kann ermessen, wievielen Menschen der Papst durch seine unmittelbaren Begegnungen Freude, Hoffnung, Orientierung, neue Zuversicht, oder auch nur ein Lächeln geschenkt hat. Vor einem Monat, am Fest der Kreuzerhöhung, saß er bei seinem Besuch in der Slowakei auch bildlich unter einem großen Kreuz. Die ganze viertägige Reise war ein einziger großer Kreuzweg für ihn.

Doch wer das Glück und die Freude in den Gesichtern der alten Mütterchen in ihren Landestrachten in der Ostslowakei sah, der bekam eine Antwort darauf, warum er sich immer noch die Leiden und Strapazen antut.

Seit den Zeiten der Apostel konnte niemand das Evangelium so authentisch zu den Menschen bringen wie eben dieser Papst. Anlässlich seiner hundersten Auslandsreise nach Kroatien, im Juni dieses Jahres, schrieb der italienische Journalist Marcello Veneziani im Corriere della Sera einen bemerkenswerten Aufsatz: “Die nachkommenden Generationen werden, wenn sie auch nur eine Spur seines Gedächtnisses bewahren, von ihm sagen, daß er der Größte unserer Epoche war. Er hat zwar all seine Schlachten mit Bravour verloren, aber er hat sich gigantisch geschlagen. Die Kämpfe, die er auf Erden verloren hat, waren für ihn die Etappen eines Krieges, der für das Himmelreich gewonnen wurde. Denn letztlich wird jeder den Lohn empfangen, den er verdient. Es wird für Karol Wojtyla, den Verlierer, der Tag kommen, an dem über ihn Geschichte und Heiligkeit streiten werden."

Die Bezeichnung Verlierer sicher unangebracht, hat doch dieser Papst auch große Siege errungen. So wäre der Fall des Kommunismus ohne ihn nicht möglich gewesen, wie selbst Michael Gorbatschow bestätigte. Auch hat er durch seine Reisen der katholischen Kirche weltweit Bedeutung verschafft.

Und sein Einsatz für den Frieden in der Welt hat ihn weltweit zur unumschränkten moralischen Autorität gemacht. Ihn hören die Staatsoberhäupter und Wirtschaftsbosse, aber auch die Schwachen und Entrechteten der Gesellschaft.

In diesen 25 Jahren seines Pontifikates hat der Mann auf dem Stuhl Petri die Welt verändert wie keiner der großen politischen Führer. Er hat mit dem Gebet der Armen und Kleinen das unzerstörbar geglaubte Weltreich des Kommunismus im Osten besiegt. Auch wenn er keinen Friedensnobelpreis bekommen hat, so bezeugen doch Millionen stummer Zeugen in den Ländern Ost- und Mitteleuropas diese historische Wahrheit.

Wer die Tränen der Freude und Dankbarkeit in den Augen der Menschen bei den Begegnungen mit dem Papst in Polen, der Slowakei, Rumänien oder in Bulgarien gesehen hat, der weiß, was er für diese Menschen getan hat. Bei der großen Jubiläumsfeier, am 16. Oktober in Rom, sprach Kardinal Joseph Ratzinger an den Papst gewandt: “In ihrem Leben ist das Wort Kreuz nicht nur ein Wort. Sie haben sich von ihm verletzen lassen in Geist und Körper."

Sein Kreuz tragend, steht er heute vor einer Welt, die dabei ist, diese Realität des Lebens auszublenden und zu vergessen. Am Ende seines Pontifikates ist er selbst zu einem lebenden Zeichen geworden, auf das die Menschen blicken und durch das die Erlösung Christi sichtbar wird.

Niemand weiß, wie lange der Papst noch leben wird. Vielleicht kann er sein großes Lebenswerk noch mit einem Besuch bei der orthodoxen Schwesternkirche in Rußland abschließen. Jedenfalls schimmern schon heute die Strahlen der Auferstehung durch das Kreuz, das dieser alte, kranke und gebückte Papst für die leidende Menschheit trägt, weit in unsere Welt.

Durch sein Kreuz ruft er uns auch heute, nach 25 Jahren, wie zuletzt am 16. Oktober 2003 auf dem Petersplatz zu: “Habt keine Angst, Christus aufzunehmen und seine Macht anzunehmen. Öffnet die Türen für Christus, mehr noch, reißt sie weit auf! Laßt euch von ihm führen! Vertraut euch seiner Liebe an!"

Christoph Hurnaus

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