Bei Hochzeiten wird noch immer geweint - vor Rührung, Ergriffenheit, aus dem Staunen angesichts dieses großen Augenblicks im Leben von zwei Menschen. Gedanken über die Größe der christlichen Ehe.
Wenn dann die eigene Tochter einem fast fremden Mann tief in die Augen blickt und sagt: “Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe", dann schießen noch immer vielen Müttern die Tränen in die Augen. Man kann allerlei einwenden gegen den hohen Anspruch dieses Wortes. Man verweist auf die Scheidungszahlen und nennt den Anspruch lebenslanger Liebe romantisch, unmodern, unrealistisch oder weltfremd. Eines aber kann niemand bestreiten: Er hat eine einmalige Größe.
Nicht hohles Pathos, nicht alles verklärende und beschönigende Liebelei, sondern nüchterne Größe spricht aus der kirchlichen Trauungsformel: Von einer “Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit" ist da die Rede. Und von einer Entschlossenheit, die dem menschlichen Willen zutraut, sein ganzes Schicksal zwar nicht in den Griff zu nehmen, aber doch unter ein Vorzeichen zu stellen. Keiner weiß am Tag seiner Hochzeit um die Wechselfälle der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Aber vor dem Traualtar bekräftigen zwei mutige Menschen, dass sie einander lebenslang lieben, achten und ehren wollen.
Dazu gehört Courage, in einer Zeit, die uns Ehebruch und wechselnde Kurzzeitbeziehungen von allen Plakatwänden, aus Hollywood-Schnulzen und Society-Magazinen entgegenschreit. Dazu gehört menschliche Größe in einer Gesellschaft, die Zweit-, Dritt- und Viert-Ehen von Promis aller Art als Normalfall behandelt, in der Scheidungsraten steigen und Kinderzahlen sinken.
Wieviel angemessener erschiene dem Geist dieser Zeit doch die Formel “Ich will dich lieben, solange es halt geht", oder “Ich verspreche dir die Treue in allen unseren guten Tagen ... und bis unsere Liebe stirbt".
Das hohe Ideal der lebenslangen Verbindung von einem Mann mit einer Frau entspricht unserer zwar vielfach ignorierten oder verschütteten, aber sich doch immer wieder bemerkbar machenden Menschennatur. Die Schöpfungsberichte der Bibel geben darüber Auskunft: In poetischer Sprache ist davon die Rede, daß der erste Mensch das Paradies zwar genießt, aber kein Wesen findet, das ihm wirklich entspricht. Da erschafft Gott die Frau und führt sie dem Mann zu - worauf dieser in Jubel ausbricht.
Kein Wunder, daß die Erzählung mit einer bis heute treffenden Prognose schließt: “Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und beide werden zu einem Fleisch." Zu “einem Fleisch" werden sie vor allem in ihren Kindern, von denen Vater und Mutter mit einem gewissen Recht sagen, sie seien “mein eigen Fleisch und Blut".
Monogamie und Unauflöslichkeit sind die beiden signifikantesten Charakteristika der christlichen Ehe im Gegensatz zur Naturehe, zu außerchristlichen religiösen oder auch säkularen Ehe-Modellen. Sie sind zugleich die Chance für die Frau, im unauflöslichen Lebensbund als gleichberechtigte Partnerin neben ihrem Mann zu stehen, ohne mit Nebenfrauen konkurrieren zu müssen oder verstoßen werden zu können. Als Mensch gleicher Würde ist sie nicht beliebig austauschbar, wenn sie alt und runzelig wird oder ihre “Funktionen" nicht (mehr) erfüllt.
Leicht macht es das Scheidungsverbot Jesu den Menschen sicher nicht. Das erkannten schon die Apostel, die stöhnten: “Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten." Nein, für Bequeme ist die Ehe nichts! Dem Jawort vor dem Traualtar müssen täglich neue Ja-Worte folgen. Doch nur eine solche Beziehung wird dem gottebenbildlichen Menschen und der Größe seiner Würde gerecht: Du, ganz und alleinig Du, und Du für immer! Ist das nicht das größte Kompliment, das ein Mann einer Frau, und umgekehrt eine Frau einem Mann machen kann?
Und ist es nicht die größte Beleidigung eines Menschen, ja geradezu ein Verstoß gegen seine Menschenwürde, wenn ich ihm sage: “Du bist ganz O.K. für mich - zumindest jetzt und hier, für eine gewisse Zeit, für diesen Lebensabschnitt." Heißt nicht “Ehe auf Probe", daß man meint, einen Menschen ausprobieren zu können und zu dürfen - um ihn dann vor Ablauf der Garantiefrist ins Regal zurückzustellen?
Rapide hat sich in den zurückliegenden Jahren die staatliche Ehegesetzgebung vom christlichen Eheverständnis entfernt. Aus christlicher Sicht ist die Ehe ein heiliger Bund, dem etwas Göttliches anhaftet. Deutlich wird das in der Analogie, die Paulus im Epheser-Brief zwischen der Ehe und der Beziehung Christi zur Kirche zieht. Das hat Vorbilder im Alten Testament, wo der Bund zwischen Gott und dem auserwählten Volk mit einer Ehe verglichen wird. Aber Paulus zieht aus der Liebe Christi zu seiner Kirche Schlußfolgerungen für die Ehe von Mann und Frau.
So ist es eigentlich eine sensationelle Entdeckung: Die Kirche hat von Anfang an die Liebesehe propagiert! Ganz im Gegensatz dazu wurde ihr immer vorgeworfen, die Liebe zu ersticken, die Vernunftehe vor der Liebesbeziehung zu sehen, die wahre Partnerschaftlichkeit von Mann und Frau verraten und die Unterjochung der Frau unter den Männerwillen betrieben zu haben.
Paulus aber schreibt über die Ehe: “Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus." Solche Partnerschaft schließt eine “Hierarchie" zwischen den Eheleuten aus. Auch wenn es faktisch oft patriarchale und matriarchale Züge in christlichen Ehen geben mag: dem Paulus-Wort folgend sollten christliche Eheleute “sich dem anderen" unterordnen, nicht den anderen sich selbst unterwerfen.
Achtung vor dem Partner bedeutet für den Mann, in der Weiblichkeit, im fraulichen So-Sein seiner Gattin das Liebenswerte und Wertvolle zu sehen, sie in ihrem Anders-Sein anzunehmen. Wenn ein Ehemann seine Frau liebt und achtet, dann liebt und achtet er an ihr wohl auch, vielleicht sogar besonders jene Eigenschaften, die er selbst nicht hat.
Wenn eine Gesellschaft die Frau als Frau akzeptiert, dann versucht sie weder ihre Fraulichkeit als etwas Minderwertiges abzuqualifizieren (wie dies in vielen Kulturen der Welt geschieht), noch sie zur “Männin" zu “emanzipieren". Unter Berufung auf den Schöpfungsbericht der Bibel können Frauen beanspruchen, nicht Männerkarrieren machen und Männergehabe tun zu müssen, um geachtet zu werden. Frauen müssen in ihrer Weiblichkeit respektiert und als gleichwertig behandelt werden - in der Ehe ebenso wie in der Gesellschaft.
Stefan Baier
Der Autor ist Publizist, sein Beitrag ein Auszug aus seinem Vortrag beim Tag der Hauskirche in Feldkirchen am 18. Oktober 2003.