Es war eines meiner schönsten Weihnachtsfeste in der Nachkriegszeit. 1945 lernte ich in Brünn, im heutigen Tschechien, einen russischen Kommandanten kennen, der für ein Konzentrationslager verantwortlich war, in dem deutsche Kinder und ältere Leute inhaftiert waren. Als ich dort die Not und Armut sah, begann ich sofort für die Gefangenen betteln zu gehen.
Viele Tschechen lehnten zunächst entschlossen ab: “Wir haben unter den Deutschen so viel gelitten!" Doch wenn ich ihnen dann antwortete: “Aber ihr habt nicht unter den Kindern gelitten, sie sind unschuldig", gaben sie alle gerne etwas.
Am Weihnachtstag brachte ich dann die erbettelten Gaben ins Lager. Auch wenn die Umgebung sehr arm und einfach war, versuchten die Erwachsenen doch, mit weihnachtlichen Gesängen wenigstens für die Kinder eine festliche Atmosphäre zu schaffen.
Ich gab dem Kommandanten die Geschenke, damit er sie den Kleinen austeilen konnte. Schon beim dritten Kind, das ihn mit dankbaren Augen anschaute, als es sein Päckchen empfing, begannen diesem hartgesottenen Aufseher die Tränen über die Wangen zu rollen.
Aus Dankbarkeit lud er mich zum Abendessen bei sich zu Hause ein. Noch immer von dem Geschehen im Lager berührt, fragte er mich: “Was ist heute mit mir geschehen? Ich haßte die Deutschen, und habe ihnen unglaubliche Grausamkeiten zugefügt. Doch jetzt, nach diesem Weihnachtsabend, kann ich nicht mehr hassen."
“Ja", erklärte ich ihm, “das Jesuskind ist gekommen, um alle zu versöhnen. Heute ist es durch diese Kinder zu Ihnen gekommen."
Daraufhin vertraute er mir sein größtes Leid an: Seine Frau und er waren kinderlos. “Aber seit heute ist das nicht mehr so", tröstete ich die beiden. “Ihr könnt diese 100 Waisenkinder ,adoptieren' und für sie Vater und Mutter sein." Sie schauten sich mit nassen Augen an und nickten. Von diesem Zeitpunkt an konnte ich immer in das Lager kommen, um Hilfsgüter zu bringen, und der einst so hartherzige Kommandant wurde unser väterlicher Freund.
Wie kann doch die Gnade von Weihnachten ein Leben verändern!
Bischof Paul Maria Hnilica SJ
Auszug aus einem Weihnachtsrundbrief von “PDF-Familie Mariens der Miterlöserin".