VISION 20002/2004
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Der Mensch als göttlicher Funken des göttlichen Kosmos

Artikel drucken Ãœber den gemeinsamen geistigen Hintergrund der zahllosen esoterischen Angebote und Praktiken (Clemens Pilar)

Esoterik-Messen, Esoterik-Läden, esoterische Literatur - Esoterik ist ein geläufiges Wort. Welches Gedankengut, welche Praktiken sind da gemeint? Und: Ist die Welt der Esoterik mit der Botschaft Christi vereinbar? Gespräch mit dem Autor des Buches “Esoterik und christlicher Glaube".

Was versteht man eigentlich unter Esoterik?

P. Clemens Pilar: So, wie der Begriff heute verwendet wird, ist er eigentlich irreführend. Ursprünglich hat er Geheimlehren bezeichnet, die in bestimmten Zirkeln weitergegeben worden sind. Heute versteht man darunter ein Sammelsurium von Ideen und Praktiken aus verschiedenen Religionen und heidnischen, gnostischen, kabalistischen Strömungen. Es werden Elemente aus den Weltreligionen importiert. So entsteht ein Konglomerat von Ideen, die unter dem Begriff Esoterik transportiert werden - und dies in aller Öffentlichkeit. Geht man in die Esoterikabteilung einer Buchhandlung, so kann es auch passieren, daß man dort die Literatur der Heiligen, ja sogar die Bibel entdeckt. Alles, was spirituell und nach Mystik klingt, läuft heute unter diesem Titel.

Man kann den Begriff also nicht wirklich klar fassen?

Pilar: Es geht darum, nach der Idee zu suchen, die hinter all dem steckt. Und da muß man weiter ausholen. Warum ist diese Esoterikwelle heute so präsent? Das hat mit dem sogenannten “New Age" zu tun...

Ist die New Age-Welle nicht längst wieder vorüber?

Pilar: Nein. Man hat sich an die Ideen des New Age gewöhnt. Was vor 20 Jahren neu war, durchdringt heute praktisch alle Lebensbereiche. Daher wird New Age nicht mehr als solches wahrgenommen.

Können Sie das an einem Beispiel illustrieren?

Pilar: Ich habe vor 17 Jahren begonnen, mich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Also bin ich in Buchhandlungen gegangen. Da war unter dem Titel Esoterik vor allem Astrologie und Literatur über Hexen zu finden. Einige Jahre später habe ich einmal einen Gesundheitsführer herausgezogen, in dem verschiedene Therapieformen angeboten wurden. Da war neben Pflanzenheilkunde - also etwas ganz Natürlichem - Bachblüten, Hexenheilung (Schamanismus) und vieles andere bunt gemischt zu finden. Heute gibt es zum Jahreswechsel Hexenkalender, magische Rituale für jede Lebenssituation. Vor 20 Jahren hätte man das noch als verrückt bezeichnet.

Wie unterscheidet man zwischen natürlichen Methoden und bedenklichen Praktiken?

Pilar: Um da klar zu sehen, muß man den größeren Rahmen kennen. Nur so wird klar: Welches Heilungsziel wird mir da eigentlich angeboten?

Was ist also das Grundkonzept der esoterischen Praktiken?

Pilar: Ausgangspunkt ist das New Age, das neue Zeitalter. Es wurde schon im 19. Jahrhundert von den Theosophen, den Antroposophen angekündigt: das Zeitalter des Wassermanns würde das alte Zeitalter des Christentums - laut einer astrologischen Lehre, das Zeitalter des Fisches - ablösen. Eine neue Religiosität würde entstehen, eine Periode des Friedens und der Harmonie. Endlich würde dann das erreicht, was die Menschen ersehnen. In diesem goldenen Zeitalter könnte der Mensch dann endlich seine göttlichen Potentiale entfalten.

Was ist unter göttlichen Potentialen zu verstehen?

Pilar: Der Mensch sieht sich selbst als göttlich - übrigens kein neuer Gedanke: die Gnosis sieht im Menschen einen göttlichen Funken. Für den Menschen gehe es nun darum, zu erkennen, daß er göttlich ist, damit er den Rückweg in das göttliche Ganze antreten könne. Diese Idee wird im New Age aufgegriffen: Wer die richtigen Methoden anwendet, kann die göttlichen Potentiale in sich aktivieren.

Wie ist im Gegensatz dazu die christliche Sicht?

Pilar: Aus christlicher Sicht ist der Mensch Geschöpf Gottes, geschaffen zur Gottähnlichkeit. Er bleibt aber immer Geschöpf. Auch die Vereinigung mit Gott, die wir anstreben, hebt unser Sein als Geschöpf nicht auf. Wir glauben an einen ewigen Dialog der Liebe. Die Lehren des New Age hingegen sehen im Menschen einen Teil des göttlichen Ganzen. Seine Bestimmung ist es, in diesem göttlichen Ganzen, im kosmischen Bewußtsein aufzugehen. Der Mensch ist ein Energieknotenpunkt, der sich wieder auflösen wird.

Für Christen ist der Mensch also immer ein Gegenüber Gottes.

Pilar: Ja. Wir stehen mit Gott in einem Dialog der Liebe.

Kürzlich ist ein römisches Dokument zur Frage des New Age erschienen. Sieht das die Dinge so wie Sie?

Pilar: Endlich wird in dieser Frage Stellung bezogen. Gleich am Anfang des Schreibens wird die Frage gestellt: Warum jetzt dieses Dokument? Weil die Behauptung, jetzt beginne ein neues Zeitalter, dem christlichen Glauben widerspreche. Denn wir glauben, daß mit Christi Kreuz und Auferstehung die Endzeit begonnen hat. Und danach kommt kein neues Zeitalter mehr. Daher steht die Ausrufung eines New Age im Widerspruch zum christlichen Glauben.

Welche anderen grundsätzlichen Feststellungen enthält dieses Dokument?

Pilar: Das Schreiben hält fest, daß es sich beim New Age um eine kosmische Spiritualität handelt, als sei der Kosmos das Absolute, das Ganze, außerhalb von ihm gibt es nichts. Daher haben viele Therapien und Praktiken genau das zum Ziel: Einswerden mit dem Kosmos, Hauptsache natürlich, in der richtigen energetischen Schwingung. Bezeichnend ist eine der heute weitverbreiteten Praktiken, das Feng shui: Durch die richtige Art der Einrichtung ziehe man die guten Energien auf sich, so die Vorstellung. “Wie bekomme ich günstige Energien, günstiges Chi?", wird so zur Grundfrage des Menschen.

Das ist jedenfalls keine Frage, die sich für Christen stellt.

Pilar: Die Christen fragen: Wie erlange ich Gnade? Der Christ hat ein Gegenüber, den persönlichen Gott. Das New Age hingegen kennt das Göttliche, etwas Neutrales, Ganzes, dessen integraler Bestandteil der Mensch ist. Auch wir Christen sagen: Gott ist in mir. Man denke an Augustinus. Dennoch sind wir nicht ident mit Gott. Er bleibt mein Gegenüber. Er trägt mich, Er hält mich, Er ist in mir, Er umgibt mich. Das New Age hingegen sagt: “Du bist Gott. Nur nimmst du es nicht wahr. Das ist ein Mangel an Erkenntnis. Durch die richtige Methode aber wirst du zur Erleuchtung kommen, daß du selbst das Göttliche bist."

Wer nicht genau hinhört, kann diese feinen Unterschiede leicht überhören.

Pilar: Die Verwirrung setzt immer bei kleinen Unterschieden an. Auf eine plumpe Lüge fällt niemand herein.

Sie haben einmal in VISION 2000 festgestellt, Sie interessierten sich besonders für die Grauzonen zwischen Esoterik und Frohbotschaft. Wie war das zu verstehen?

Pilar: Es geht um die Elemente des New Age, denen man im Alltag begegnet. Wer auf die Esoterik-Messe geht, hat eine Vorentscheidung getroffen. Im Alltag aber begegnen wir so vielen Praktiken, die nicht als Esoterik gekennzeichnet, tatsächlich aber mit esoterischen Ideen durchdrungen sind. Viele Leute betreiben solche Praktiken, ohne nachzudenken. Sie wären sogar sehr erbost, wenn man ihnen sagte: Du, das hat mit Esoterik zu tun.

Einer Bekannten, deren Mann schwer krank ist, wurde geraten, sie solle einen Reiki-Kurs machen, dann könne sie ihm helfen. Ist das ein Beispiel für das, was Sie sagen wollen?

Pilar: Beim Reiki ist es relativ leicht, den geistigen Hintergrund zu erkennen. Es baut auf der Lehre von der universalen kosmischen Lebenskraft, die letztlich göttlich ist, auf. Diese Kraft soll durch Handauflegen kanalisiert werden, damit der Patient in Einheit mit der kosmischen Kraft kommt. Das widerspricht unserer Vorstellung von Heilsein. Wir glauben nicht an die Existenz einer kosmischen Lebensenergie, sondern daran, daß das Leben ein Geheimnis Gottes ist. Unter Christen kann nun die Verwirrung auftreten, daß sie meinen: auch Christus habe die Hände aufgelegt. Der Verwirrer setzt an diesem äußeren Zeichen, das ähnlich ist, an. Was ist aber der entscheidende Unterschied? Das Heil, das Christus schenkt, bestand vor allem darin, daß die Menschen eine Beziehung zu Ihm eingehen: Dein Glaube hat dir geholfen! Es geht um Zuwendung. Wohlgemerkt nicht um Autosuggestion: ich werde sicher gesund.

Was ist vom positiven Denken zu halten?

Pilar: Da steckt im Ansatz etwas Richtiges drinnen. Als Christ habe ich jedenfalls Grund, positiv zu denken, wenn ich auf Christus schaue. Dann bekomme ich Hoffnung, die mir im Gesundungsprozeß sehr helfen kann. Das muß man von einem positiven Denken unterscheiden, bei dem ich mir etwas einrede. Das ist jedoch die Grundtendenz bei den Techniken des positiven Denkens: Man soll sich selber einreden, daß es einem gut geht, obwohl es nicht der äußeren Wirklichkeit entspricht.

Ein wichtiger Unterschied also: Es geht nicht um Autosuggestion, sondern darum, sich Gott anzuvertrauen, der die Macht hat, mich heil zu machen.

Pilar: Insofern verstehen wir Christen ja umfassende Heilung immer auch in Verbindung zum Schöpfer. Ich kann ohne diese Beziehung nicht ganz heil werden. In den esoterischen Praktiken ist es anders, aber nur scheinbar um Nuancen: Ganz sein kannst du nur in Einheit mit dem kosmischen Ganzen.

Wie kann man nun jemanden, der sich beispielsweise überlegt, einen Reiki-Kurs zu machen, davon überzeugen, daß dies für ihn nicht gut sei? Er will eben mit dem Kanalisieren von Energien Gutes tun, sieht in der weißen Magie etwas Positives.

Pilar: Jedenfalls kann man darauf hinweisen, daß die Lehre der Kirche seit jeher weder schwarze noch weiße Magie erlaubt hat. Dabei nimmt man Mächte in Anspruch, die der Mensch nicht in Anspruch nehmen dürfte. Das wäre bei Reiki der Fall. Im Zusammenhang damit erinnere ich mich an einen konkreten Fall: Bei einer Pfarrmission ist eine Frau auf mich zugekommen, die durch eine Reiki-Behandlung in schwere seelische Nöte geraten ist. Man darf nicht glauben, daß Reiki harmlos ist. Man setzt sich damit ja Mächten aus. Nachdem wir um Befreiung gebetet hatten, sagte sie mir, es sei ihr sehr schlecht gegangen, aber in der Pfarre habe sich niemand um sie gekümmert. Die Reiki-Leute aber hätten sich um sie gekümmert. Damals habe ich mir gedacht: Es ist ein ganz wichtiger Auftrag für uns Christen, daß wir uns umeinander kümmern - auch im Sinne eines Heilungsauftrags.

Aber wer kann schon heilen?

Pilar: Da geht es zunächst gar nicht um besondere Charismen oder um Sakramentenspendung, sondern um die Zuwendung im Gebet. Daß man einander segnet, füreinander betet und füreinander da ist. Damit könnte im Vorfeld schon sehr viel abgefangen werden. Eines muß uns nämlich klar sein: Den Menschen in Not, die nach jedem Strohhalm greifen, etwas wegzunehmen, bringt nichts, solange man ihnen selbst nichts anzubieten hat. Wir Christen müssen das bessere Angebot bringen.

Welche Herausforderung stellt die New Age-Bewegung also für die Christen dar?

Pilar: In der Auseinandersetzung mit den esoterischen Lehren habe ich den christlichen Glauben erst so richtig kennen und schätzen gelernt - und zwar als Antwort auf diese große Verwirrung. Wir stehen vor der Herausforderung, das christliche Glaubensgut neu kennenzulernen. Manche froh machenden Wahrheiten habe ich in der Auseinandersetzung mit dem New Age entdeckt. So sagt Jesus in der Heiligen Schrift: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er ist das Leben. Gott ist die Kraft meines Lebens. Als ich das erkannte, ist mir Gott viel näher gekommen. Er trägt mich fortwährend in Seiner Liebe, sonst könnte ich nicht sein. In der Auseinandersetzung mit dem Begriff Lebenskraft habe ich das neu entdeckt. Auch das Schreiben aus Rom ruft uns Christen auf, unseren Glauben neu zu entdecken. Speziell hingewiesen wird auf den Weltkatechismus. Es zahlt sich aus, ihn zu lesen. Dann können wir den vielen Suchenden Antwort geben. Unsere Zeit, in der religiös alles gleich gültig erscheint, braucht ein profiliertes Christentum. Es geht darum, den vielen verwirrten, leidenden, suchenden Menschen, Christus zu bringen.

Das Gespräch führten Alexa und Christof Gaspari. Es kann als Kassette bezogen werden bei:

Radio Maria, Wien: Tel: (0043) (0)1 7107072


Eine Vorliebe für das Exotische

Leider verleitet heute eine gewisse Faszination des Neuen - vielleicht auch eine bestimmte Vorliebe für alles Exotische - Christen oft dazu, sich mehr für Hinduismus und Buddhismus zu interessieren als für ihre eigene Religion. Und da die meisten unter ihnen nur ein sehr elementares Wissen von den Inhalten ihres Glaubens haben, verfügen sie über keinerlei Voraussetzungen, die sie zur Unterscheidung und damit zur kritischen Stellungnahme befähigen.

Kühn vermischen sie Auferstehung und Wiedergeburt, die Gottheit Christi und Avatars (mythische Erscheinungsformen von Vishnu), Gebet und Yoga, Leben im Geist und Verschmelzung im Allganzen. So gleicht ihr christlicher Glaube gelegentlich einem bemerkenswerten synkretistischen Cocktail. Dieses Durcheinander wird weder dem Hinduismus noch dem Christentum gerecht.

Joseph Verlinde

Aus: Die verbotene Erfahrung. Union Verlag, Hochaltingen (S. 119f)

Diese und andere Bücher können bezogen werden bei: Christoph Hurnaus, Waltherstr. 21, 4020 Linz, Tel/Fax: 0732 788 117; Email: hurnaus@aon.at

 

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