Bernard Bastian ist Arzt und Priester. Er hat ein bewegtes Leben hinter sich: Mit 16 entdeckt er die Welt des Okkultismus und Spiritismus, verfügt über hypnotische Fähigkeiten. Erst die Begegnung mit Jesus Christus befreit ihn daraus. Heute ist er geistlicher Leiter der “Communauté du Puits de Jacob". Im folgenden Gespräch nimmt er zum Thema “Umgang mit dem Okkulten" Stellung.
Ist das Interesse für Magie und paranormale Phänomene heute größer als früher?
P. Bernard Bastian: In einem populärwissenschaftlichen Magazin war kürzlich folgendes zu lesen: “Nur 4,3 Prozent der Franzosen glauben an gar nichts! ... weder an paranormale Phänomene, noch an eine Religion, noch an ein Leben nach dem Tod". Daraus kann man zumindest folgendes schließen: Obwohl sich die Wissenschaft dem Anliegen verschrieben hatte, alle Geheimnisse zu enträtseln, hungert der Mensch nach wie vor nach dem Geheimnisvollen. Heute bleibt nicht nur weiterhin vieles ungeklärt, vielmehr trägt die Wissenschaft sogar zur Verdichtung des Rätselhaften bei. Kein Wunder also, daß sich über diesen “homo religiosus", der in uns allen schlummert, Fragen über Fragen stellen - im Guten wie im Bösen...
Was versteht man unter Magie? Stehen magisches und religiöses Denken in Beziehung?
Bastian: Das sind zwei ganz verschiedene Welten. Der religiöse Mensch, wendet sich bewußt an Gott, den er zumindest als eine von ihm unterschiedene Macht, die ihn weit überragt, betrachtet: ... Für Christen ist dieser Gott eine Person, der Vater Jesu Christi, jener, den Jesus Christus selbst uns offenbart. Der magische Mensch glaubt an okkulte, also an verborgene, an unpersönliche Kräfte - in dem Sinn, daß sie nicht “Ich" sagen. Man hat es also mit “Kräften", “Energien", “Mächten", nicht mit Personen zu tun. Diese übermenschlichen, überweltlichen Einflußgrößen würden auf die Natur und die Menschen wirken. Die Magie wäre demnach eine Art Zwischeninstanz, die uns mit diesen Kräften in Beziehung setzt: ein diffuses Bündel von Riten und Praktiken mit einem wichtigen Merkmal: sie erzeugen automatisch Wirkungen.
Das Schlüsselwort dabei ist: automatisch. Genau daran läßt sich der Unterschied zwischen magischer Praktik und religiösem Tun festmachen: Dem magischen Verständnis nach genügt es, daß jemand das richtige Ritual anwendet, damit alle möglichen Arten von Kräften - spirituelle, natürliche, kosmische, Kräfte der Erde - ihm gehorchen. Der Mensch ist ihr Herr und absoluter Herrscher. Dieses “Automatisch" impliziert eine absolute Souveränität des Menschen über alle Kräfte - seien es nun Mächte, Geister, Engel oder Dämonen. Die Magie akzeptiert keine übergeordnete Macht. Der Magier ist der Meister. Man ist an die erste Versuchung erinnert: “Ihr werdet sein wie Gott."
Weiße, schwarze Magie: Was ist dazu zu sagen?
Bastian: Da versucht die Magie, sich selbst in ein gutes Licht zu rücken. Demnach wäre die weiße Magie die Summe aller magischen Praktiken, die Gutes bewirken wollen. Im allgemeinen geht es immer um dieselben drei Anliegen: Liebe, Gesundheit und Geld. Die eingesetzten Mittel: Talisman, Glücksbringer, Wahrsagerei, Kartenlegen, okkulte Heilkräfte, Pendel, Kristallkugeln, Liebeszauber und ähnliches. Erstaunlicherweise trifft man manchmal solche weißmagischen Praktiken auch unter Christen an!
Was die schwarze Magie anbelangt - vor ihr fürchten wir uns schon eher. Hier sind ja ausdrücklich diabolische Mächte im Spiel. Da soll dann unter dem Einfluß böser Geister gehandelt werden, um Böses zu tun, beispielsweise Krankheiten, Unglücksfälle, ja den Tod zu bewirken. Was mich betrifft - ich mag diese Unterscheidung nicht. Sie ist verwirrend und kann den Eindruck erwecken, es gäbe eine gute, gefahrlose Magie und eine schlechte, die schwarze, vor der man sich hüten muß. Tatsächlich aber bleibt Magie eben Magie, ob sie nun schwarz oder weiß ist - für unseren Gott ein Greuel.
Welchen Gefahren setzt man sich denn aus, wenn man sich auf paranormale Phänomene einläßt?
Bastian: Die Magie treibt den Menschen, der im Banne seiner Ängste steht, in irrationale, abergläubische Verhaltensweisen, die ihn letztlich entwürdigen und zutiefst seiner Freiheit berauben. Der Mensch wird mehr und mehr zum Sklaven der Kräfte, die er zu manipulieren meinte. Das ist einer der Gründe, warum die Magie für Gott ein Greuel ist. Ich habe bei vielen Menschen miterlebt, wie sie von Gefangenen ihrer Ängste zu Sklaven der Magie geworden sind. In diesem Stadium wird die Sache bedenklich. Dann stellen sich langsam aber sicher psychische Probleme wie Schlafstörungen, Ängste, Depressionen, bei besonders empfindsamen Personen sogar Halluzinationen, ja Zustände von Delirium ein. Das gesamte reale Geschehen wird magisch interpretiert. Das Leben wird infernalisch - im wahrsten Sinne des Wortes! Das kann bis zum Wahnsinn, zum Selbstmord führen...
Wie unterscheidet der Christ den Spiritismus?
Bastian: Der Spiritismus ist eine aus dem 19. Jahrhundert stammende Lehre. In Europa, genau gesagt in Frankreich, hat ein Mann gelebt, dessen Grab jahrein, jahraus am Pariser Friedhof Père Lachaise mit Blumen geschmückt wird. Er hieß Allan Kardec, ist 1869 gestorben. Man kann ruhig sagen, daß er der Begründer des Spiritismus ist. Laut Allan Kardec sollte es eine neue Religion werden: “Eine wahre, große, schöne und würdige Religion, eine dem Schöpfer gemäße, die dritte Offenbarung von Gottes Gesetz, nach jener von Mose und Jesus." Sehen Sie: Weit davon entfernt, ein Spiel zu sein, behauptet der Spiritismus, die jüdisch-christliche Offenbarung zu übertreffen und erklärt sie für überholt.
Was die christliche Unterscheidung bezüglich des Spiritismus anbelangt, so ist das Wort Gottes scharf wie ein Schwert: “Es soll bei dir keinen geben, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen läßt, keinen, der Losorakel befragt, Wolken deutet, aus dem Becher weissagt, zaubert, Gebetsbeschwörungen hersagt oder Totengeister befragt, keinen Hellseher, keinen, der Verstorbene um Rat fragt. Denn jeder, der so etwas tut, ist dem Herrn ein Greuel." (Dt 18,10-12) “Gegen einen, der sich an Totenbeschwörer und Wahrsager wendet und sich mit ihnen abgibt, richte ich mein Angesicht und merze ihn aus seinem Volk aus." (Lev 20,6) “Männer und Frauen, in denen ein Toten- oder ein Wahrsagegeist ist, sollen mit dem Tod bestraft werden." (Lev 20,27) Um nichts weniger klar sind die Dinge für den Apostel Paulus im Neuen Testament: Wer sich der Magie verschreibt “wird das Reich Gottes nicht erben." (Gal 5,20f)
Warum diese Strenge? Jedesmal, wenn das Wort hart klingt, sollte man sich fragen, ob es bei dieser Warnung nicht um Gott selbst geht. Genau das ist aber beim Spiritismus der Fall. Versucht nicht jeder, der ihn praktiziert, seinen in Zeit und Raum vorgegebenen Rahmen als Mensch zu durchbrechen, indem er alle Grenzen überschreitet und wie Gott werden will? Die Ursünde - letztlich die Weigerung, Sohn zu sein - ist wirklich nicht auszumerzen...
Das Gespräch führte Agnès Jauréguibéhère. Es erschien in “L'Homme Nouveau" v. 7.12.03