Also mir kann so etwas nicht passieren! Sekten haben bei mir keine Chance. Eine solide katholische Erziehung und eine entsprechende Praxis, mir kann kein Guru etwas erzählen..." Nun, ein Verführer schreibt ja nicht “Achtung, Verführung!" auf seine Stirn.
Wesen jeder Manipulation ist es ja gerade, daß der Manipulierte der letzte ist, der auf die Idee kommt, manipuliert zu sein. Der synkretistische Cocktail, der besonders auf Jugendliche angesetzt wird, schmeckt diesen gut. Er bietet, mit ungewohnten Vokabeln, Antworten auf deren entwicklungsbedingte Fragen.
Es muß dabei nicht immer nur der riesige, kleingedruckte Psycho-Fragebogen der Scientologen, die einem an U-Bahn-Ausgängen oder belebten Geschäftsstraßen in die Hand gedrückt werden oder die seltsame Bibelinterpretation der Zeugen Jehowas sein. Manchmal genügt auch die Begegnung mit einem Menschen, der einem gerade in jenem Moment, da man am wenigsten damit rechnet, erklärt, weshalb man etwas Besonderes sei...
Welcher angehende Twen will das nicht gerne glauben? Noch dazu, da er ja gerade von niemandem verstanden wird... In die Esoterik werden ja nur “Auserwählte" eingeführt und wer fühlt sich nicht irgendwie auserwählt, wenn er sucht?
Auch ich war überzeugt, daß mir “so etwas" nicht passieren kann. Unbemerkt ergoß sich vor Jahren in mein durch ehrliches und eigentlich unbewußtes Suchen weit geöffnetes Herz tröpfchenweise die “Weisheit" eines gewissen Herrn Gurdjeff, der im Laufe des vergangenen Jahrhunderts sein clever-explosives Gemisch aus islamischen Sufi-Weisheiten, buddhistischen und christlichen Erkenntnissen einer treuen Bewundererschar einflößte.
Es würde den Rahmen dieses kurzen Zeugnisses sprengen, im Detail zu erörtern, was da alles verzapft wird. Es genügt der Hinweis, daß wohl nichts gefährlicher und im eigentlichen Sinne teuflischer ist, als mit Wahrheit verbrämte Lüge. Eine Lehre ist umso verführerischer, je eher sich das eine oder andere Axiom gut nachvollziehen läßt. Dann muß ja wohl alles andere auch stimmen - oder nicht?
Davor, vollständig dem Bann dieser seltsamen New Age-Faszination ausgeliefert zu sein, bewahrte mich eine in meiner spirituellen und emotionellen Wüstedoch noch erhaltene religiöse Praxis und die Barmherzigkeit Gottes. Sie erlaubte es, daß ich eines Tages einen unerträglichen Schmerz in meiner Brust verspürte, der mir klar machte, daß ich mich zu entscheiden habe: der Wahrheit des Evangeliums oder den noch zu entwickelnden Spuren meiner selbst zu folgen (Stichwort Selbstverwirklichung).
Und es ward mir gegeben, die Entscheidung so zu treffen, daß ich heute nur mit Dankbarkeit an diese Erfahrung zurückdenken kann, die es mir erlaubt, so manches zu verstehen, ohne selber ganz eingetaucht gewesen zu sein. Jesus warnt vor den falschen Propheten, heute wie zu Seiner Zeit. Zwei Merkmale können hier zur Unterscheidung der Geister behilflich sein:
Der wahre Lehrer (Priester) weist den Weg zu Ihm und lädt dazu ein, Ihm zu folgen. Der Hochstapler und Scharlatan verführt Ratten wie Kinder dazu, ihm selbst zu folgen.
Der Guru und andere Verführer werfen uns durch Selbstfindung auf uns selbst zurück, wo die Begegnung mit dem Anderen und damit jeder Dienst der Liebe nicht stattfinden können.
Martin Ploderer