Oft denke ich an ein Gespräch, das ich vor gut zehn Jahren mit einem guten Bekannten geführt habe. Ich hatte ihn zu einem dreitägigen Glaubenskurs, einem Cursillo, eingeladen. Bei einem gemeinsamen Spaziergang gegen Ende des Kurses fragte ich ihn, ob sich seine Beziehung zu Jesus Christus in diesen Tagen vertieft habe...
Seine Antwort: “Gott als Person zu sehen, darüber bin ich längst hinaus. Da sind wir schon weiter ..." Immerhin ein Mann, der Sonntag für Sonntag die Messe besucht.
Was ist da geschehen, daß Christen das Zentrum ihres Glaubens aus den Augen verloren und den lebendigen Gott gegen eine diffuse Spiritualität eingetauscht haben? Und diesen Weg sogar als Weiterentwicklung ihres Glaubens ansehen!
Wenn sich dieser Wandel in Kernschichten der Kirche vollzogen hat, um wieviel bedrohter sind da jene, die keinerlei Bezug zum Glauben haben! Daher ist auch die Zahl jener, die sich für Okkultes interessieren, nicht zu vernachlässigen. Das zeigt eine von der Behörde für Inneres in Hamburg herausgegebenen Untersuchung, “Okkultismus und Satanismus" über die Situation Jugendlicher im deutschsprachigen Raum in den neunziger Jahren. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß 9 bis 40 Prozent von ihnen in Kontakt mit okkulten Praktiken gekommen seien.
Drängt sich die Frage auf: Wie ist es möglich, daß in unserer Gesellschaft, die sich so der Vernunft verschrieben hat, magisches Denken und heidnische Rituale so massiv Einzug halten?
Bei genauerer Betrachtung wird deutlich: Das “neue" Denken bezieht seine Attraktivität aus der Kritik an offenkundigen Fehlentwicklungen unserer Gesellschaft, vor allem am blanken Materialismus, der die Entwicklung seit Jahrzehnten prägt. Konsum, Gesundheit, Schönheit, Erfolg, Spaß wurden so zu den entscheidenden Merkmalen eines erfüllten Lebens.
Und das ist den Menschen zu wenig. Viele, besonders die Sensiblen, spüren: Das kann nicht alles sein. Mein Leben ist mehr als Produzieren, Konsumieren, nach Vergnügen und Zerstreuung Ausschau halten. Besonders drängend wird die Suche nach tiefergehenden Antworten in Lebenskrisen.
Und hier hakt New Age ein, indem es Ansätze anbietet, die als Kontrapunkte zu den Trends erscheinen: Spiritualität in einer Welt, die den Geist verleugnet, Harmonie mitten im Unfrieden, Gesundheit, wo die Medizin ansteht, Ganzheit in einem Umfeld, das sich in der Spezialisierung auflöst, Erfahrungen mit dem Jenseits in einer Gesellschaft, die vom Diesseitigen geblendet ist.
New Age erscheint damit als revolutionärer Ansatz, den eigentlichen Bedürfnissen des Menschen gerecht zu werden. Endlich darf von Gott geredet werden. Das Religiöse hält wieder Einzug in die Gesellschaft! Eine wachsende Zahl von Menschen bezeichnet sich in Umfragen als religiös!
So erfreulich diese Entwicklung vordergründig erscheinen mag, so bedenklich ist sie aber auch. Daher haben zwei vatikanische Kongregationen im vergangenen Jahr ein sehr empfehlenswertes Dokument herausgegeben, das sich mit dem Phänomen New Age auseinandersetzt. An einer Stelle hält es folgendes fest: “New Age ist nichts anderes als eine Kulturrevolution, eine komplexe Reaktion auf die Ideen und Werte der westlichen Kultur - und dennoch ist es ironischerweise in seiner idealistischen Kritik selbst typisch für die Kultur, die es kritisiert."
Genau das stimmt: Bei genauer Betrachtung hält New Age nämlich seine Versprechen nicht. Es erweist sich als Fortsetzung des gottlosen Wegs im neuen Gewand.
Einerseits betont es die Bedeutung von Religion. Zurecht. Andererseits aber mißt es allen Religionen dieselbe Bedeutung zu: sie seien nur Varianten des Zugangs zum Göttlichen. Das klingt großzügig und tolerant. Daher kommt es auch gut an. Es scheint den Menschen nichts vorzuschreiben, sondern lädt sie ein, aus der Fülle des Angebots nach eigenen Vorstellungen auszuwählen. Wie immer diese Wahl auch ausfalle, jeder Weg führe zum Ziel.
Durch diese Betonung des Religiösen wird der Mensch in Sicherheit gewiegt, auf dem rechten Weg zu sein. Er merkt dabei nicht, daß die Rede vom Göttlichen, das sich in allen Religionen artikuliere, eine subtile Form der Abschaffung Gottes ist. Eine selbst gebastelte ist im Grunde genommen gar keine Religion. Sie ist religiös verbrämte Gottlosigkeit. Denn, sobald der Mensch aus dem religiösen Bauchladen des New Age auswählt, macht er sich selbst zum Herrn über Sinnfragen, bestimmt er, was göttlich ist und was nicht.
Wie irreführend der Zugang ist, wird besonders deutlich, wenn es um Öffnung für übernatürliche Kräfte geht. Alle Empfehlungen in diese Richtung verschleiern, daß in der Übernatur nicht anonyme, wohltätige Kräfte walten, die es zu erschließen gilt, sondern daß dort personale Wesen, gute und böse Geister wirken, die entweder die Freiheit des Menschen achten oder sie mißbrauchen. Unbedachte Ausflüge in die Transzendenz sind gefährliche Abenteuer. Das bestätigen viele Zeugnisse von Heimkehrern aus dem New Age.
Christen sind diesbezüglich gewarnt - nicht weil sie so klug oder religiös talentiert wären, nein, sondern weil sie dem lebendigen Gott (nicht auf das Göttliche) vertrauen. Sie setzen alles auf eine Karte, auf den einzig wahren Gott, der sich in der Geschichte kundgetan hat: der mit Abraham und Mose gesprochen und sich durch die Propheten Seinem Volk Israel geoffenbart hat, der vor 2000 Jahren in Jesus Christus Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist und der seither durch Seine Kirche zur Welt spricht.
Außer dem Dreifaltigen gibt es keinen Gott! Wer Göttliches sucht, findet es nur in Jesus Christus, wer geisterfüllt leben will, muss sich für den Heiligen Geist, den Geist Christi, öffnen, wer den inneren Frieden sucht, bekommt ihn von Jesus Christus, der der Friede ist, geschenkt.
Für die vielen Suchenden heute bleiben Worte wie diese fromme Sprüche und leere Worthülsen, solange wir Christen uns nicht “outen" - nicht als religiöse Genies und Alleskönner, sondern als Menschen, die sich alles von Jesus Christus erwarten, der sie Tag für Tag neu werden läßt. Das gilt es zu bezeugen - durch Worte, vor allem aber durch ein gotterfülltes Leben. Das ist die Herausforderung des New Age.