Als Vorbereitung auf die Wiener Stadtmission zog eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Gebetsbegeisterten in fünf Etappen im Vorjahr rund um Wien. Rückblick auf eine erfolgreiche Initiative mit Zukunft.
Schau mal, was da blüht!" so bemerkte Bischofsvikar Karl Rühringer in seiner Predigt am vierten Tag der Gebetswanderung, die sich am Vormittag von der UNO-City nach Aspern, der größten Wiener Pfarre, bewegte. Meinte er damit jene 250 in der Pfarrkirche versammelten Pilger oder wollte er deren Aufmerksamkeit auf die vielen religiös suchenden Menschen in der Stadt Wien lenken?
Eher stürmisch als frühlingshaft verlief diese Etappe entlang der Donau, den alten Kaiser-Mühlwegen unter den spinnenartigen Autobahnwindungen der Tangente hindurch folgend am riesigen Krankenhauskomplex des SMZ-Ost vorbei. Dort beteten wir mit Sr. Grete, einer in der Zwischenzeit heimgegangenen Legionärin Mariens, für die kranken Menschen und ihre Helfer. Der dichte Regen intensivierte nur das Gebet in den vielen Anliegen, die wir rosenkranzbetend und singend zum Himmel schickten.
An anderen Tagen des Gebetsmarsches bei freundlicherem Wetter gestaltete sich die Begegnung mit Passanten, Spaziergängern und Autofahrern leichter: Jugendliche, die unverkrampft zu den an Ampeln oder Zebrastreifen wartenden Autos hüpften, um ein kleines Infoblatt durchs heruntergekurbelte Fenster zu reichen, die junge Mutter mit dem Kinderwagen, die vom Einkaufen kam und die sich so über die Muttergottes-Medaille freute, die Köpfe einer gerade zum Grillen versammelten Nachbarsrunde, die neugierig über den Zaun ihres Schrebergärtchens lugten. Welche Kuriosität? Ein Haufen Menschen, das Kreuz und eine Muttergottesikone vorneweg, den Rosenkranz in der Hand, lachend und betend, die müssen von der Kirche sein. Wohl eine Art Jerichomarsch, doch wo sind ihre Waffen?
“Die Kirche macht sich auf den Weg, sie geht zu den Menschen. Heute beginnt die Stadtmission!", beschrieb Kardinal Schönborn diese Initiative in seiner Predigt bei der Eröffnungsmesse am Leopoldsberg, einem der heilsgeschichtlichen Orte Österreichs. Am Morgen des 12. September 1683, dem Fest Mariä Namen, feierte dort der sel. Kapuziner Marco d'Aviano das Meßopfer. Die anschließende Schlacht gegen die Osmanen errang unter dem Ruf “Maria, hilf!" die Befreiung Wiens und des christlichen Abendlandes.
Die Rosenkranzwanderung um Wien folgte einem doppelten Sinn: zum einen “die Stadt im Gebet zu umarmen" (K. Rühringer) und so die verschiedenen missionarischen Initiativen vorzubereiten, zum anderen auf den Straßen in und um Wien, in den öffentlichen Verkehrsmitteln und wo auch immer, Zeugnis für Christus abzulegen.
Diese Initiative ermutigte bald auch andere, die ihre Städte und Ortschaften in der gleichen Weise Gott anvertrauten. In vier Tagesetappen legten die Oberösterreicher einen Lebendigen Rosenkranz um ihre Hauptstadt Linz, der mit der Weihe der Diözese an die Muttergottes durch Diözesanbischof Aichern seinen Abschluß fand. Martin, einer der jugendlichen Initiatoren und Priesterstudent, erzählt: “Erstaunlich wie viele Türen sich im Laufe der Vorbereitungen öffneten und wie herzlich wir in den Pfarren empfangen wurden. Nach anfänglicher Skepsis haben immer mehr mitgemacht. Wir konnten unsere Stadt wirklich gemeinsam im Gebet vor Gott bringen."
Im ersten Schnee umbeteten die Kapfenberger ihre Stadt, um sie der Muttergottes zu weihen. “Mir ist bewußt geworden, wie dankbar wir Gott für unsere Stadt und Heimat sein dürfen", bemerkte eine Pilgerin.
Die Jugendgebetsnacht der acht Länder des Mitteleuropäischen Katholikentages fand in Seckau einen besonderen Ausdruck. Pfarrer P. Johannes erzählt: “Eine ganze Nacht durchwachen, da dachte ich, um nicht einzuschlafen, wäre es das Beste, im Gebet unterwegs zu sein. Und so hat eine Gruppe von 25 Jugendlichen nach dem Wiener Vorbild unseren Ort mit seinen vielen Höfen rosenkranzbetend umrundet. Als wir in der Früh nach 30 km nächtlichem Weg zum Stift hinabstiegen, hat sich der Horizont im Frührot gefärbt. Da ist mir der wiederholte Aufruf des Papstes an die Jugend in den Sinn gekommen: ,Ihr seid die Wächter des Morgens!'."
Nachdem die Verantwortlichen der Stadtmission in Lissabon Wind von der Wiener Idee bekommen haben, organisierten sie einen Lebendigen Rosenkranz in eigener Ausprägung, zu dem über 40.000 Menschen in ein Stadion kamen. Das nationale Fernsehen übertrug dieses Ereignis, das die Portugiesen dem Papst zu seinem 25jährigen Pontifikat schenkten, ins ganze Land: "Heute wollen wir dem Papst zeigen, daß der Rosenkranz in unserem Leben eine lebendige Sache ist", sagte Kardinal Policarpo in seiner Ansprache.
Junge Familien aus Wiener Neustadt beschlossen, in ihrer Stadt einen neuen missionarischen Akzent zu setzen. Das Ergebnis: ein "Lebendiger Rosenkranz", der am 27. März beginnen wird. Auch in Graz ist eine solche Gebetswanderung für Oktober geplant.
Von vielen Wiener Pilgern, die der Weg zu einer Gebetsgemeinschaft zusammengefügt hat, ist der Wunsch laut geworden, diese Initiative zu wiederholen. Dieses Jahr bietet die “Wallfahrt der Völker" nach Mariazell den logischen Zielpunkt, aber auch Missionen bei Stadt- und Donauinselfest, sowie die Weiterführung der Mission in den Pfarren brauchen den Rückhalt im Gebet.
Im Wiener Stephansdom steht die Immaculata über dem Hauptaltar hoch im Kirchenschiff. Durch die Geschichte ist sie als “Generalissima" verehrt worden, als Anführerin der kaiserlichen Heere. Zwar sind es heute nicht mehr kriegerische Auseinandersetzungen, die unser Land bedrohen, aber wir stehen in einem geistlichen Kampf um das christliche Erbe Europas, einen Kampf, der den Glauben und das Leben fundamental bedroht. Vor 150 Jahren hat Papst Pius IX. das Dogma der “Immaculata" verkündet. 1954 hat P. Petrus Pavlicek, der Gründer des Rosenkranz-Sühnekreuzzuges, die Wiedereinführung des 8. Dezembers als öffentlichen Feiertag erwirkt.
Im Mai 2004 ziehen die Völker Mitteleuropas nach Mariazell, um sich dem Schutz der Immaculata anzuvertrauen. Auf einer Tafel unter dem Südturm des Stephansdoms lesen wir die Verse der Dichterin Paula von Preradovich: “Lasset zu hoffen nicht ab!/ Nie wird in künftigem Sturm / Ihr betendes Wien sie verlassen / Österreichs Mutter, sie hilft, / Seid ihr nur stark und treu."
Mit ihr, der Generalissima immaculata, wollen wir den guten Kampf kämpfen und den Rosenkranz zum Blühen bringen.