Noch jetzt, zwei Tage, nachdem ich die Vorab-Version von Mel Gibson's umstrittenen Film über die Passion Jesu - genauer: über die letzten qualvollen Stunden Seines Lebens auf Erden - in Salzburg gesehen habe, stehe ich unter dessen Eindruck.
Seit Jahren waren mir die Hollywood-Maßkonfektionen christlichen Leids ein Dorn im Auge. Mit Ausnahme von Ben Hur ging mir keiner so unter die Haut wie vorgestern Mel Gibsons visionäre Sicht der Leiden Jesu. Sie alle spielen das Leid der Kreuzigung herunter auf das Gestolpere durch eine antike Stadt. Mel Gibson dagegen - er hat den Film aus der eigenen Tasche finanziert (30 Millionen Dollar) - stützt sich auf die Passionsvisionen der Mystikerin Anna Katharina Emmerich, (deren Seligsprechung bevorsteht) und auf modernste medizinwissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie die Analyse des Grabtuchs von Turin ergeben haben.
So ist es nicht verwunderlich, daß die Einwohner der italienischen Stadt Matera - einer der Drehorte von The Passion - ausriefen “È Gesù!", als sie das geschlagene, zerschundene Gesicht des Jesus-Darstellers, Jim Caviezel, das schwere Kreuz schleppend an sich vorbei kommen sahen.
Es ist ein Film der Bilder. Worte, wenn sie gesprochen werden - meist sprechen die Augen -, klingen fremd und doch vertraut. Mel Gibsons Darstellern ist es gelungen, zwei tote Sprachen, Latein und Aramäisch, zu überzeugender Lebendigkeit zu erwecken.
Wenn Pilatus tief vor sich hingrübelnd darüber sinniert “Quid est veritas?" oder wenn der sehr würdevoll und attraktiv aussehende Hohepriester Kaiaphas kalt lächelnd auf Aramäisch, damals die Alltagssprache der Juden, das todbringende “Kreuzige ihn" fordert. Mit Monica Belucci als Maria Magdalena liegt man zu Füßen jenes Mannes, der selbst im größten Schmerz noch Ruhe ausstrahlt. Man weiß sich irgendwie von ihm getragen.
Grausam, mit anzusehen, wie römische Alltagsroutine sich zum tobenden Blutrausch steigert. Wahrlich, der Leib Jesu, ein Abbild des Schmerzensmanns: “Vom Kopf bis zum Fuß kein heiler Fleck, nur Beulen, Striemen und frische Wunden" (Jes 1,6).
Während der Dreharbeiten der Geißelung wurde Caviezel einmal getroffen. “Der Kerl schlug mir quer über den Rücken und hinterließ eine 14 Zoll lange, offene Wunde, die mir förmlich das Licht ausblies," schildert er das Erlebnis. Diese Narbe diente ab da, als Muster für die Maske, des von Geisselhieben zerfetzten Leibes. Es ist unvorstellbar, was der Schmerzensmann für jeden einzelnen von uns gelitten hat: So stellt es sich für das Auge schonungslos offen dar.
Nein, es ist kein gewöhnlicher Film, der da auf uns zukommt. Überall, wo der Preview gezeigt wurde, die gleiche Reaktion: Stille! Minutenlange Stille! Man bleibt gebannt vom Geschauten einfach sitzen, unfähig Worte zu finden, die ausdrücken könnten, was man soeben erleben durfte.
Unverständlich, daß manche dem Film Antisemitismus nachsagen, sind es doch Juden, die Juden peinigen (Kajaphas) und Juden, die sich für Juden einsetzen (Simon von Cyrene). Die Botschaft der Liebe, die so unmißverständlich an den Anfang des Filmes gesetzt ist, schließt jedenfalls alle, Juden, Christen, Moslems, und überhaupt jeden Menschen ein, der sich berühren lassen will.
Franziskus v. Ritter-Groenesteyn