In unserer schnellebigen Zeit hat sich eine oberflächliche Betrachtungsweise religiöser Inhalte breitgemacht. So ist auch tragischerweise einigermaßen in Vergessenheit geraten, welcher Schatz uns in der heiligen Eucharistie anvertraut ist. Auch viele Katholiken wissen nicht mehr, worin sich eine heilige Messe von einem Wortgottesdienst unterscheidet. Auf großes Unverständnis stößt es auch, daß Interkommunion bzw. Interzelebration zwischen den verschiedenen Konfessionen nicht möglich ist.
Aber gewisse Vorkommnisse, wie etwa jene auf dem Berliner Kirchtentag im vergangenen Jahr, rütteln uns auf und veranlassen viele Menschen zu einer vertieften Reflexion über das Wesen der heiligen Messe.
Man kann Eucharistie, Priestertum und Amt nur als eine die Identität der Kirche betreffende, unauflösbare Einheit erkennen, wenn verstanden wird, daß es in der Eucharistiefeier um ein von Gott gestiftetes Geschehen geht. Wenn die Kirche Eucharistie feiert, erfüllt sie den Auftrag Jesu “Tut dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22/19, 1Kor 11,24f). Das dürfte noch geläufig sein.
Aber für das Verständnis der heiligen Messe scheint mir wichtig, daß “gedenken" im biblischen Sprachgebrauch weit mehr bedeutet, als sich an etwas Vergangenes zu erinnern. Das Gedenken Gottes bedeutet ein wirksames und schaffendes Ereignis. Es bewirkt, daß eine in der Geschichte von Gott vollzogene Rettungstat geltend bleibt und neu stattfindet.
Dieses Gedächtnis geschieht im feierlichen Ritus: Das einst Geschehen wird erzählt, ein Opfer wird dargebracht und ein Mahl wird gehalten. In besonderer Weise sehen wir das biblische “Gedächtnis" also im Kult erfüllt.
Den Auftrag, das Gedächtnis an eine Heilstat zu feiern, finden wir in der Bibel bereits im Alten Testament: “Dieser Tag soll euch zum Gedächtnis sein, und ihr sollt ihn feiern" (Ex 12,14). Die Parallelität dieser beiden Gebote, in denen es um eine von Gott gestiftete Feier geht, durch die in wiederholendem Tun die Heilstat Gottes aktualisiert wird, ist kein Zufall.
In Ex 2,14 wird das geschichtliche Ereignis der Rettungstat Gottes beim Auszug aus Ägypten alljährlich beim Paschafest gefeiert. Im Neuen Bund ist es das Blut Jesu, das die Rettung bewirkt. Im Gedächtnismahl der Eucharistiefeier soll Gottes Handeln und Gegenwart in der Person Jesu gegenwärtig gesetzt werden, “bis er wiederkommt".
Die Wandlungsworte “dies ist mein Leib, dies ist mein Blut", sind eingebettet in das wirksame Handeln des Schöpfers an seinem auserwählten Volk im alten Bund und an der Kirche im neuen Bund.
In der heiligen Messe wird nicht nur ein rettendes, geschichtliches Ereignis gefeiert, sondern die stets wirksame Rettungstat durch die Lebenshigabe der Person Jesu. Die Aktualisierung und Vergegnwärtigung des Todes und der Auferstehung Christi ist ein Geschehen, das die Kirche, das neue Bundesvolk, konstituiert.
Es ist die Quelle, die das eigentliche Leben des Geistes in ihren Leib einströmen läßt. Wenn nun Christus, der ewige Hohepriester, geweihten Priestern Anteil an Seinem Priestertum gegeben hat, damit die Erlösung durch Seinen Leib und Sein Blut je neu vermittelt wird, kann die Kirche die Interzelebration und Interkommunion nicht zulassen, solange die Frage des Amtes nicht geklärt ist.
Ansonsten würde die feiernde Gemeinde dem Wesensgehalt der heiligen Messe entfremdet, anstatt im Christusgeschehen gesammelt und geeint zu werden. Die Offenbarung des Allerheiligsten kann nicht umfunktioniert werden.
Sylvia Albrecht