VISION 20006/2010
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Einem Engel begegnet

Artikel drucken Abenteuer in Venedig

Am 15. August bin ich nach Venedig geflogen. Komme gegen 10 Uhr an. Mein Zug nach Assisi sollte um 13 Uhr 20 Uhr vom Bahnhof Venedig fahren. Ich hatte also ein paar Stunden, die ich nützen wollte, um ein wenig von Venedig zu sehen. Ich wollte zum Markusdom.
Bis ich allerdings dort ankam, war schon ziemlich viel Zeit vergangen. Ich mußte ja vom Flughafen mit dem Shuttlebus nach Venedig rein’, mich mit den Wasserbussen zurechtfinden, Ticket kaufen, Schlange stehen wegen der vielen Touristen. Wohl versuchte ich, mich mit meinem Gepäck am Markusplatz durch die Menge zu bewegen, gab aber, als das Ziehgestell meines Koffers brach, auf und beschloß zum Bahnhof zu fahren – einen kleinen Eindruck hatte ich ja schon bekommen und die ersten Urlaubssonnenstrahlen eingefangen.
Unglücklicherweise bestieg ich am Markusplatz dann einen Wasserbus, der sich im Schneckentempo bewegte und alle paar Meter anhielt. Gegen 12 Uhr 45 wurde ich nervös. Ich hatte ja keine Ahnung, wieviele Stationen es noch bis zum Bahnhof sind und wo der Bahnhof überhaupt war. So ging ich zu der Dame, die die Leute rein- und rausließ und den Wasserbus an den Stationen festmachte und fragte, wie lang es noch bis zum Bahnhof dauern würde.
Sie sagte, etwa 15 Minuten. Das würde knapp, denn um 13 Uhr 20 ging ja mein Zug. Ich würde gegen 13 Uhr bei der Station sein, zum Bahnhof gehen müssen, mein Ticket kaufen – und alles auf Italienisch. Ich versuchte ruhig zu bleiben. Ein Mann mit Gepäck stieg an der nächsten Station zu und setzte sich neben mich. Ich fragte ihn, ob er auch zum Bahnhof müsse – und diese Frage wurde mir zum Verhängnis. Entweder hatte er mich nicht verstanden oder ich ihn nicht. Jedenfalls entnahm ich seiner Antwort, daß er nicht zum Bahnhof müsse – worauf ich seelenruhig sitzen blieb, als er ausstieg.
Als dann der Wasserbus wieder anfuhr und an mir die großen Buchstaben „Stazione di Treni“ vorbeizogen, geriet ich in Panik. Ich sprang auf, lief zu der Schaffnerin und fragte, ob das der Bahnhof gewesen sei. Sie sagte ja. Nicht sehr an mir interessiert, meinte sie gelangweilt, ich müsse halt die nächste Station aussteigen und zurückfahren. Mittlerweile war es kurz vor 13 Uhr.
Und da war sie plötzlich, diese kleine unscheinbare Frau, mit Rock und Bluse und Einkaufstasche, schätzungsweise gegen 45. Sie hatte mein Problem mitgekriegt und beruhigte mich: Sie werde mir helfen. Wann denn mein Zug ginge. Um 13 Uhr 20 – keine Sorge, es geht sich aus!
Kaum hatte der Wasserbus angehalten, sprang sie mit mir raus, half mir, den Koffer ziehen. Wir rannten. Der Schaffner des anderen Busses wollte uns natürlich nicht rauflassen, wir hatten ja kein Ticket. Sie aber redete auf Italienisch – zu zweit waren wir „stark“.
Wir drängten uns einfach in den Bus. Die Zeit tickte, der Bus fuhr los, die Frau neben mir.
Als der Bus neben dem Bahnhof hielt, sprangen wir raus, rannten dieTreppe rauf, alles mit Koffer. Die Frau versuchte, den Bahnsteig des Zugs herauszufinden – ich mußte das Ticket kaufen. Viele Leute standen Schlange. Sie bat auf Italienisch, mich vorzulassen – und man ließ mich vor. Ich war als nächste an der Reihe.
Endlich hatte ich das Ticket und wir rannten zum Bahnsteig. Der Zug war noch nicht da, er hatte Verspätung. Ich atmete durch. Sie atmete durch. Ich sagte „Danke! Danke!Danke!!“
Sie erwiderte nur „Nein, schon gut.“ Dann zog sie ihre Silberkette unter der Bluse hervor. Daran hing ein Silberkreuz, so ein orthodoxes, und deutete mit dem Finger zum Himmel: „Er da oben hat mir gesagt, ich solle Ihnen helfen.“ Sie war Russin, stellte sich heraus, gar keine Italienerin. Dann, nachdem ich sicher war, den Zug zu erwischen, wünschte sie mir alles Gute und ging ihren Weg…
Ich war so voll Freude. Gott hat mir einen Engel geschenkt. Dazu noch eine Bibelstelle, die ich kurz vorher am 22. Juni gezogen habe: „Sprich vielmehr im Herzen: Herr, Dir allein gebührt Anbetung. Denn mein Engel ist bei dir, Er wird über dein Leben wachen. (Baruch 6, 5b - 6)
Von einer ungenannten VISION-Leserin.

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