Stellen Sie sich einige Touristen vor, die ausgesandt wurden, um Europa zu erkunden. Lassen wir sie, zum Beispiel, in Palermo an Land gehen und nach Norden reisen, Italien durchqueren, dann Österreich und Slowenien, schließlich Deutschland erreichen; daraufhin lassen wir einige von ihnen nach Norden in die skandinavischen Länder weiterreisen, andere nach Westen in Richtung Niederlande ...
Was würden diese Leute berichten? ... Daß in jedem bewohnten Zentrum, auch im kleinsten, die Gräber auf den Friedhöfen Inschriften in den verschiedenen europäischen Sprachen tragen, aber fast alle das gleiche christliche Kreuz aufweisen; dem, der einen Friedhof besucht, zeigt sich dieses Kreuz immer gleich, unwandelbar auch in der Zeit: Es ist daselbe Kreuz auf einem Grab aus dem Jahr 1003 wie auf einem aus dem Jahr 1503 oder 2003.
Dann würden sie erzählen, daß keine Stadt und kein Dorf ab einer gewissen Größe existiert, das nicht mindestens eine christliche Kirche hat, gelegentlich auch mehr als eine. Dies gilt zumindest für Westeuropa, wo die Religionsfreiheit keine neue Errungenschaft ist und der Christenheit erlaubt hat, sich jahrhundertelang auch durch den Bau von Kirchen auszudrücken.
An manchen Orten mögen diese Kirchen für den größten Teil des Jahres vielleicht leer sein, aber es gibt sie, oft von majestätischer Schönheit, oft in beherrschender Lage im Herzen des öffentlichen Raumes.
Unsere Touristen könnten auch auf einige Synagogen stoßen (wenn die Reise vor 1938 stattgefunden hätte, hätten sie viel mehr gesehen) und einige Moscheen, und ebenso jüdische und moslemische Friedhöfe. Auch sie sind integraler Bestandteil der europäischen Landschaft, aber sie sind viel weniger zahlreich und bewirken allenfalls, daß sich die vorwiegend christliche Silhouette Europas noch deutlicher abhebt. (...)
Und die Kultur? Wir brauchen keine Touristen, die uns diese Geschichte erzählen. Der christliche Einfluß auf unsere europäische Kultur ist schlechterdings überwältigend. Die Beweise begegnen uns überall: in der Architektur, in der Musik (besonders der klassischen), in den bildenden Künsten wie auch in der Literatur und Dichtung. Das ist natürlich nicht verwunderlich. Was wir verehren, wird auf beinahe natürliche Weise zum Gegenstand unserer kreativsten und inspiriertesten Ausdruckskräfte.
... Dies gilt umso mehr im Bereich der politischen Kultur, der Ideen und Werte. Die europäische moralische Sensibilität ist entscheidend vom christlichen Erbe bestimmt und, gerade auch in jüngerer Zeit, vom Kampf gegen dieses Erbe.
Joseph Weiler
Auszug aus: Ein christliches Europa, Verlag Anton Pustet, Salzburg 2004. Besprechung Seite 20.
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