Im Anschluß an den Schwerpunkt “Wenn die Seele leidet" (VISION 3/04) bekamen wir einige Zuschriften, die auf die “Hagiotherapie" als Weg der Heilung verwiesen haben. Im folgenden bringen wir eine Darstellung dieses therapeutischen Ansatzes.
Papst Johannes Paul II. schreibt in seinem Rundschreiben "Salvifici doloris": "Der Mensch leidet auf verschiedene Weisen, die nicht immer von der Medizin - nicht einmal in ihren fortschrittlichsten Zweigen - berücksichtigt werden. Das Leiden ist etwas noch viel Umfassenderes als die Krankheit; es ist noch vielschichtiger und zugleich noch tiefer im Menschsein verwurzelt." Es gebe, so setzt er fort, auch "einen Schmerz geistlicher Art". Um diesen kümmert sich im Besonderen die sogenannte Hagiotherapie.
Zur Hagiotherapie kommen Menschen, die verschiedensten Problemen ausgesetzt sind und an unterschiedlichsten Nöten leiden: Sie haben Ängste, sind verbittert, pessimistisch, aggressiv, leiden an verschiedenen Süchten und Zwängen, haben Schwierigkeiten, sich selbst und andere anzunehmen, stecken in Ehe- und Familienkrisen... Die Hagiotherapie bemüht sich nun um die geistliche Gesundheit der Betreffenden. Eine Stärkung der geistlichen Gesundheit führt dann oft auch zu einer besseren psychischen Konstitution, manchmal auch zu einer besseren körperlichen Verfassung.
Wie sich herausstellt, geht es im allgemeinen vor allem um zwei geistliche Krankheitsbereiche: die existentielle geistliche Krankheit und die geistlichen Verletzungen an der Basis des Lebens.
An existentiellen geistlichen Krankheiten leidet eigentlich jeder schon dadurch, daß er in dieser Welt lebt. Diese Krankheiten sind die Folge seiner Ohnmacht, seiner Schuldverstrickung, seiner Einsamkeit, der Unwissenheit des Menschen über die Grundlagen seiner Existenz. In letzter Konsequenz haben sie ihre Wurzel in der Urschuld. Der Mensch fühlt sich dem Schicksal, bösen Kräften ausgeliefert.
Die existentielle Krankheit besteht darin, daß wir den Eindruck haben, ohne unseren Willen in die Welt geworfen zu sein, Leid und Krankheiten annehmen zu müssen, ohne einen Sinn darin zu erkennen. Wir haben ein Geschick, das wir uns in manchem nicht ausgesucht haben, leiden an Schmerzen, die wir oft nicht verschuldet haben, leben in einer Freiheit, der wir nicht gewachsen sind. Das alles erzeugt existentielle Traumata, an denen jeder - bewußt oder unbewußt - zu leiden hat.
Unter geistlichen Basiskrankheiten verstehen wir geistliche Verletzungen, die von der Zeit der Empfängnis bis etwa zum dritten Lebensjahr entstehen und unser Urvertrauen zerstören oder in seiner Entwicklung behindern. Das kann geschehen, wenn ein Kind unerwünscht war, es unter einem Mangel an Liebe litt, von den Eltern weggegeben wurde, einen längeren Spitalsaufenthalt erleben mußte... Das wieder kann zur Folge haben, daß der Betreffende kein Vertrauen zu Gott, zu den Mitmenschen, zum Leben entwickeln kann, sich bedrängt fühlt, emotionell erkrankt, depressiv oder aggressiv wird, zu kriminellen Handlungen oder zum Selbstmord tendiert. Solchen Menschen kann durch eine geistliche Therapie wirksam geholfen werden.
Die vom Theologen Tomislav Ivancic entwickelte Hagiotherapie behandelt diese Art von Krankheiten, indem sie sich den vom Papst angesprochenen geistlichen Schmerzen zuwendet. Es geht also nicht primär um die körperlichen und/oder psychischen Symptome, sondern um die geistliche Erkrankung des Menschen. Das Besondere der Hagiotherapie ist die Tatsache, daß Gott selbst - der Hagios, der Heilige - heilt. Der Therapeut - er ist spezifisch geschult und muß erlebt haben, daß Gott in konkreten Nöten hilft - ist gleichsam die Sprechstundenhilfe, die den Patienten behutsam zum eigentlichen Arzt, zu Gott führt.
Welche konkreten Wege beschreitet man nun in der Hagiotherapie? Eine Grundtherapie wird bei allgemein zugänglichen Wochenendseminaren angeboten. Manche Menschen verdrängen quälende Probleme deshalb, weil sie keine Hoffnung auf eine Lösung sehen können. Im ersten Schritt des Seminars wird darum bezeugt, daß man nichts “unter den Teppich kehren" muß, weil in Jesus Christus Heil und Heilung möglich geworden ist. In weiteren Seminarteilen geht es um die Beseitigung der Barrieren, die sich der Erfahrung eines helfenden Gottes widersetzen. In der Folge werden Möglichkeiten gezeigt und praktisch ausprobiert, die der konkreten Heilung geistlicher Wunden dienen. Schließlich geht es darum, wie man nach dem Seminar den Weg der Heiligung und Heilung fortsetzen kann.
In der Einzeltherapie - im "Zentrum für geistliche Hilfe" und anderswo - ist es möglich, durch einen Test die individuelle Notlage der Leidenden besser zu berücksichtigen und sie behutsamer - bei Bedarf in Zusammenarbeit mit Psychiatern und Somatologen - zur geistlichen Heilung zu begleiten. Zur Einzeltherapie können auch Nichtchristen und auch Atheisten kommen, wo man ihnen auf spezifische Weise zu helfen bereit ist.
Näheres siehe: Diagnose der Seele und Hagiotherapie. Von Tomislav Ivancic. Zu beziehen bei Buchhandlung Gratia: Tel.: 0043 (0)316-810264, Seminartermine siehe S. 25