Die Beichte: ein vernachlässigtes Sakrament, das es neu zu ent?decken gilt. Über dessen Schönheit sprach P. Maasburg, langjähriger Begleiter von Mutter Teresa, bei einer Tagung in Heiligenkreuz. Im folgenden ein Auszug aus seinem Vortrag.
In den Jahren 1988-1989 war ich in Armenien– in Vertretung der Schwestern von Mutter Teresa, die damals ihren Einsatzort nicht verlassen durften – bei einer Richterin eingeladen. Wir haben uns mittels einer Übersetzerin unterhalten. Vor ihrem Haus stand ein großer Wagen, ein Moskowitsch. Sie war offenbar jemand, der in der Nomenklatura vollkommen integriert war. Sie sei die jüngste Richterin der Sowjetunion, erzählte sie. Dafür habe sie hart gearbeitet.
Plötzlich läutet das Telefon – daß sie über ein Telefon verfügte, zeigt, welche Position sie in der Sowjetunion innehatte. Nach dem Telefonat kommt sie tränenüberströmt zurück. Ihre Nichte, die ihr offensichtlich sehr am Herzen lag, habe sich beim Spielen beide Augen verletzt. Die Ärzte glauben, sie würde das Augenlicht verlieren. Plötzlich fragt sie: „Können Sie nicht helfen?“ „Ich bin kein Arzt…“ „Aber Sie sind doch Priester!“
Ich rufe innerlich die Muttergottes an: Was soll ich tun? Dann greife ich in meine Tasche – und da sind zwei Wundertätige Medaillen. „Geben Sie diese Wundertätige Medaille Ihrer Nichte. Sie soll sie um den Hals tragen. Und auch Ihnen gebe ich eine. Tragen auch Sie die Medaille und beten Sie jeden Tag: Muttergottes, heile meine Nichte!“
Die Stimmung war natürlich gedrückt, das Essen bald zu Ende… Drei Wochen später bekommen wir einen Anruf: Wieder eine Einladung zum Essen. Die Stimmung total verändert. Die Richterin berichtet: Die Nichte sei vollkommen geheilt, beide Augen gerettet! Nun ist die Frau total offen. Sie spricht nicht mehr in der Nomenklatura-Sprache, sondern erzählt: Sie habe sich total verkauft, um ihr Ziel zu erreichen, jüngste Richterin zu werden. Seit fünf Jahren sei sie nun schon tätig und habe in dieser Zeit kein einziges Urteil selbst gefällt, sondern einfach das unterschrieben, was ihr die Partei vorgelegt hatte…
Ein Jahr nach diesem Gespräch ist Susanna, die Richterin, getauft worden. Drei Jahre später ist sie an Krebs gestorben.
Warum ich das erzähle? Weil es die Rolle des Priesters – auch in der Beichte ?– illustriert. Es ist eine bescheidene Rolle, eine sehr wichtige, aber letztlich hilflose Rolle. Wir Priester haben nämlich Menschen vor uns, die feststellen, daß sie im Leben manchmal versagen – wie wir Priester eben auch. Wir machen Schnitzer, verrennen uns und merken bald, daß es nicht genügt, sich einfach etwas mehr anzustrengen. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, muß ich sagen: Ich habe in entscheidenden Momenten durch ganz konkrete Taten oder Unterlassungen immer wieder Schuld auf mich geladen. Wahrscheinlich war das nie mehr wieder gut- jedenfalls nicht ungeschehen zu machen: Entweder war der Mitmensch, an dem ich schuldig geworden war, nicht mehr zu erreichen oder aber es waren die Folgen meines Tuns oder Unterlassens meiner Kontrolle entglitten – oder aber weil ich heute noch zu schwach bin, mich konsequent zu verhalten.
Papst Benedikt hat einmal gesagt, nichts in der Welt könne besser werden, wenn nicht das Böse überwunden wir. Das Böse aber kann nur durch die Vergebung überwunden werden. Allerdings: Diese Vergebung kann uns nur der Herr gewähren. Es ist eine Vergebung, die das Böse nicht nur durch schöne Worte aus dem Weg räumt, sondern es wirklich zerstört. Das aber kann nur durch Leiden geschehen. Und dieses Leiden hat es gegeben. Es ist die leidende Liebe Jesu Christi. Aus ihr schöpfen wir Priester die Vollmacht zur Vergebung.
Der Schlüssel zum Beichtverständnis von Mutter Teresa war ganz einfach. Sie verglich die Menschen mit Drähten, deren Aufgabe es ist, den Strom durchfließen zu lassen. Und dieser Strom sei Gott. Wir haben nun die Wahl, den Strom fließen zu lassen oder nicht. Je nach unserer Entscheidung kann das Licht der Welt, Jesus, in dieser Welt leuchten oder nicht. Wenn wir uns weigern, breitet sich die Dunkelheit aus.
Für Mutter Teresa war die Beichte das Sakrament der Verbindung mit Gott und den Menschen untereinander. Es schafft eine Verbindung, in der der Strom – also die Gnade, die Liebe Gottes – fließen kann und fließt.
P. Leo Maasburg
Der Autor ist Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich, sein Beitrag ein redaktionell geringfügig überarbeiteter Auszug aus seinem Vortrag bei der Tagung „Psychotherapie und Beichte“ am 16. Oktober 2010 in Heiligenkreuz. CDs dieses Vortrags können bestellt werden bei:?Radio Maria Österreich, Pottendorferstr. 21, 1120 Wien, Tel: 01 710 7072