VISION 20004/2004
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Sei eine Kirche, die betet!

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Im Kontext der heutigen Gesellschaft, die - allzu oft für die Transzendenz verschlossen und von konsumistischem Verhalten erstickt - zur leichten Beute alter und neuer Formen von Götzendienerei wird und zugleich nach etwas dürstet, das über das unmittelbar Gegebene hinausgeht, ist die Aufgabe, welche die Kirche in Europa erwartet, zugleich anspruchsvoll und erhebend. Sie besteht darin, den Sinn für das “Mysterium" wiederzuentdecken, die liturgischen Feiern zu erneuern, damit sie ausdrucksstärkere Zeichen für die Gegenwart Christi, des Herrn, sind, außerdem der Stille, dem Gebet und der Kontemplation neuen Raum zu geben und zurückzukehren zu den Sakramenten - besonders der Eucharistie und der Buße - als Quellen der Freiheit und neuer Hoffnung.

Darum richte ich an dich, Kirche in Europa, eine dringende Aufforderung: Sei eine Kirche, die betet, Gott lobt, seinen absoluten Vorrang anerkennt, ihn mit frohem Glauben preist.

Entdecke wieder den Sinn für das Mysterium: Lebe es mit demütiger Dankbarkeit, bezeuge es mit zutiefst empfundener Freude, die ansteckend wirkt. Feiere das Heil Christi. Nimm es als Geschenk an, das dich zu seinem “Sakrament" macht: Mache dein Leben zu einem wahren Gottesdienst, der Gott gefällt.

Gewisse Symptome lassen ein Schwinden des Sinnes für das Mysterium sogar in den liturgischen Feiern erkennen, die doch gerade in das Mysterium einführen sollten. Es ist daher dringend nötig, daß in der Kirche wieder ein echtes Gespür für die Liturgie erwacht.

Die Liturgie ist ... ein Hilfsmittel zur Heiligung; sie ist Feier des Glaubens der Kirche und Medium zur Weitergabe des Glaubens. Zusammen mit der Heiligen Schrift und den Lehren der Kirchenväter ist sie die lebendige Quelle echter, solider Spiritualität. Durch sie treten die Gläubigen - wie dies auch die Tradition der ehrwürdigen Ostkirchen deutlich hervorhebt - in Gemeinschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit, und erfahren ihre Teilhabe an der göttlichen Natur als Gnadengabe. Die Liturgie wird so zur Vorwegnahme der endzeitlichen Seligkeit und zur Teilhabe an der himmlischen Herrlichkeit.

In den liturgischen Feiern müssen wir Jesus wieder in den Mittelpunkt stellen, um uns von ihm erleuchten und leiten zu lassen. Hier können wir eine der stärksten Antworten finden, die unsere Gemeinden auf eine vage und inhaltslose Religiosität zu geben berufen sind.

Der Zweck der Liturgie der Kirche liegt nicht in der Befriedigung der Wünsche und der Besänftigung der Ängste des Menschen, sondern im Hören und Empfangen Jesu, des Lebendigen, der den Vater ehrt und preist, um so mit Jesus den Vater zu lobpreisen und zu ehren. Die kirchlichen Gottesdienste verkünden, daß unsere Hoffnung von Gott her zu uns kommt, und zwar durch unseren Herrn Jesus.

Es geht darum, die Liturgie als Werk der Dreifaltigkeit zu leben. Der Vater handelt für uns in den gefeierten Geheimnissen; er ist es, der zu uns spricht, uns vergibt, uns anhört, uns seinen Geist schenkt. An ihn wenden wir uns, auf ihn hören wir, ihn preisen wir und ihn rufen wir an. Jesus setzt sich für unsere Heiligung ein, indem er uns an seinem Mysterium teilhaben läßt.

Aus “Ecclesia in Europa" (69 - 71)

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