VISION 20006/2004
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Kinderloses Europa

Artikel drucken Ein reicher Kontinent gefährdet seine Zukunft

Es ist ein umfassendes Gemälde der heutigen gesellschaftlichen Situation dieses neue Buch von Stephan Baier: Kinderlos - Europa in der demographischen Falle. Es ist vor allem deswegen sehr lesenswert, weil es eine nüchterne, gut fundierte Analyse mit einem engagierten Plädoyer für eine Erneuerung verbindet.

Ausgangspunkt ist die paradoxe Situation, daß die armen Länder kinderreich sind, während man in den reichen Ländern meint, sich Kinder nicht mehr leisten zu können. Verrückt, nicht wahr? Daß uns dies eine Situation beschert, in der immer weniger Erwerbstätige bald immer mehr Alte erhalten müssen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Baier illustriert die Dramatik der Lage mit sprechenden Zahlen.

Ein Krieg der Generationen zeichne sich ab, meinen viele. Will man ihn verhindern, so müsse man sich von der geistigen Grundhaltung abwenden, die uns die Misere beschert hat, meint Baier. Denn die “Fun-Gesellschaft", die Europas Entwicklung in den letzten Jahrzehnten geprägt und den Menschen überwiegend als lustmaximierenden einzelnen gesehen hat, führt in Sackgassen. Sie hat uns Abtreibung, Euthanasie, Zerfall der Familien, Mißbrauch von Embryonen für die Forschung gebracht - alles Themen, die Baier ausführlich und gut lesbar abhandelt.

Jetzt stößt dieses Konzept aber an seine Grenzen. Baier: “Die demographische Krise wird alle Bereiche unseres Gemeinwesens erfassen." Dem alternden Europa fehlen die abgetriebenen Kinder. Macht es so weiter wie bisher, bleibt ihm nur die massive Zuwanderung - vor allem aus den islamischen Ländern rund ums Mittelmeer, die ja nach wie vor einen enormen Geburtenüberschuß aufweisen.

Gibt es eine Alternative? Für Baier schon. Sie setzt aber ein radikales Umdenken voraus, das der Autor durch geradezu “reaktionäre" Sätze - die mir durchwegs gefallen - kennzeichnet:

* “Für Kinder ist es das beste, mit Vater und Mutter aufzuwachsen - und wenn möglich mit eigenen Geschwistern."

* “Die kinderlose Gesellschaft braucht eine Renaissance der Mütterlichkeit."

* “Unsere Gesellschaft braucht mehr Kinder, mehr Familien, mehr Zeit der Eltern für die Kinder, mehr Zeit der Kinder mit den Eltern - und alles das hängt zusammen."

* “Die frühzeitige und zeitlich umfassende Abschiebung der Kinder in die Fremdbetreuung ist eine Art Wiederholung des Kaspar-Hauser-Experiments auf höherem Niveau."

Weil eine Änderung aber nicht von selbst geschieht, sind die Staaten gefordert: Familienarbeit muß nicht nur bezahlt, sondern auch anerkannt werden, fordert Baier und schlägt sogar neue Arbeitszeitmodelle vor: Karriere ab 40 und arbeiten bis 80. Das würde den Einstieg der Mütter ins Berufsleben erleichtern und das Alter aufwerten.

Man muß dem Vorschlag nicht unbedingt zustimmen. Aber interessant ist er wie übrigens das ganze Buch, das eine Fundgrube ist für Argumente in angeregten Debatten über Europas Zukunft.

Christof Gaspari

Kinderlos - Europa in der demographischen Falle. Von Stephan Baier. MM-Verlag. 156 Seiten. 18 Euro

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