Ich hatte das unerhörte ,Glück', so spät getauft zu werden (mit 11 Jahren), daß die vielen Lausbubenstreiche, die ich vor der Taufe begangen hatte, durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist getilgt wurden, ohne daß ich sie beichten mußte," schreibt P. Leo Kucha˜r - er ist Eucharistiner - in seinem Buch Auch Lausbuben können Priester werden.
Ob er nun den Auspuff eines Autos mit einem Erdäpfel verstopft, Hennen mit in Alkohol getränkten Brotkrumen füttert, einen Gartenschlauch in den Briefschlitz einer Haustür steckt, um dann den Wasserhahn aufzudrehen, Bahnschranken herunterläßt, um ein Verkehrschaos zu verursachen - die “wissenschaftliche Experimentiersucht" des Buben kennt keine Grenzen. Immer einfallsreicher werden seine Streiche: Da bietet er etwa Nasenspitzeln und Ohrwascheln, die übende Friseurlehrlinge angeblich abgeschnitten hatten, zu günstigsten Preisen Fleischhauern an. Der Einfallsreichtum und der Humor, die der junge Leo bei den Streichen an den Tag legt, helfen dem später erwachsenen Leo, mit Schicksalsschlägen und schwierigen Lebenssituationen besser fertig zu werden.
Zunächst aber zur Vorgeschichte, die mir P. Leo erzählt hat, als ich ihn unlängst in Wien traf: Leo Kucha˜r wird in Brünn geboren und von seinen Eltern atheistisch erzogen. Die Mutter entstammt einer jüdischen Familie, der Vater ist aus der Katholischen Kirche ausgetreten. Beide sind überzeugte Atheisten.
Weil der Vater immer Recht hat, ist auch Leo überzeugt, daß nur dumme Menschen an Gott glauben. So wird er ein Apostel des Atheismus und gründet den “Club der Ungetauften", der die Menschen davon zu überzeugen versucht, daß an Gott zu glauben, vollkommen überflüssig sei.
Da seine Familie deutschsprachig ist, besucht Leo die deutsche Schule. Der Vater ist Schriftsetzer bei einer deutschen Zeitung und erfährt daher früher als andere Landsleute vom bevorstehenden Anschluß an Hitler-Deutschland. Wegen ihrer jüdischen Abstammung verordnet der Vater der ganzen Familie - Leo hat noch einen älteren Bruder - eine Scheinkonversion zum katholischen Glauben.
Wie? Er, Leo, ein überzeugter Atheist, soll katholisch werden? Nie. Im wahrsten Sinn des Wortes: Nur über seine Leiche. So beschließt er, sich vor einen Zug zu werfen. “Ich habe mir allerdings eine Strecke ausgesucht, wo kaum Züge fuhren. Und das Warten auf den Zug ist mir dann zu langweilig geworden," erzählt P. Leo heute amüsiert von seinem mißglückten Selbstmordversuch."
Also wird Leo dennoch in der Schule von Katecheten auf die Taufe vorbereitet. Überzeugen können sie ihn nicht: der eine ist zu brutal, der andere - zu nervös - wird von den Schülern lächerlich gemacht. Seine Mutter und sein Bruder haben es besser getroffen: Sie werden von einem Priester unterrichtet, dem es gelingt, die Taufwilligen zu bekehren. Selbst der Atheismus des jungen Leo bekommt Risse, als er Mutter und Bruder zu Gottesdiensten mit P. Wurzer begleitet.
Auch sein Musiklehrer, ein tiefgläubiger Mann und begnadeter Organist , der für den Buben eine Autorität ist, rüttelt an seinem Atheismus. Als Leo ihm einmal das Credo des Vaters: “An Gott glauben nur Dummköpfe", entgegenhält, antwortet der Lehrer: “Gut, dann bin ich eben ein Dummkopf." Wer hat recht?
“Ein Monat vor dem Anschluß sind wir in derselben Kirche getauft worden wie die selige Sr. Restituta und haben auch die erste hl. Kommunion in einer Nebenkapelle - der Schwarzen Madonna von Tschenstochau geweiht - empfangen. Damals waren meine Mutter, mein Bruder und ich schon überzeugte Christen. Der Form halber hat der Vater, der Atheist geblieben ist, die Mutter auch kirchlich geheiratet. Und so war Mutters weißes Taufkleid zugleich ihr Erstkommunions- und ihr Hochzeitskleid."
Der 8. Februar 1939 ist für P. Leo einer der schönsten Tage seines Lebens. Er ist gerade elf und ein neuer Mensch. “Ich denke oft darüber nach: Wieso bist gerade du so gläubig geworden? Andere haben den Glauben nicht angenommen. Was hat sich da in mir abgespielt? Es ist wohl Sache der Gnade," resümiert mein Gegenüber. Gesucht hat der Bub Gott damals jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil. Doch Gott hat ihn gesucht: einen Menschen der entschlossen zu seiner Überzeugung stehen kann. Dieser Neugetaufte, der früher alle Gläubigen lächerlich gemacht hat, beginnt nun in der Kirche zu ministrieren.
Nach Hitlers Einmarsch verlangen die Nazis jedoch von den Kucha˜rs Ariernachweise. Den kann die Mutter natürlich nicht erbringen, aber auch der Vater hat als lediges Kind - wahrscheinlich jüdischer Abstammung - Schwierigkeiten damit. So wird ihm das Messer angesetzt: Entweder er läßt sich von der jüdischen Frau scheiden und bekommt einen Ariernachweis oder er und seine Kinder werden als Volljuden eingestuft. “Die Mutter wußte: Wenn der Vater sich nicht scheiden läßt, wird die ganze Familie ausgerottet. Um uns Kinder zu retten, hat sie den Vater zu einer Scheinscheidung gedrängt, damit aber selbst den Schutz, den ihr eine Mischehe noch bot, verloren. Sie mußte wegziehen," erzählt P. Leo von dieser schrecklichen Erfahrung. Über ihrem Wohnhaus stand “Für Juden verboten". “Die Parteien putzten nach mir die Türklinke ab, weil ein ,Saujud' sie berührt hatte," erinnert er sich.
Die Mutter wird 1942 mit allen jüdischen Verwandten nach Polen deportiert. Da sie, wie ihr Sohn später erfährt, dort aus einem Kreuzweg Romano Guardinis, den sie mitgenommen hatte, Andachten für andere Konvertiten hält, erleidet sie schon früh den Tod in der Gaskammer. Welch unerschrockener Glaube!
Ohne davon Kenntnis zu haben, wächst vielleicht gerade deswegen auch der Glaube des jungen Leo stetig. In ihm entsteht der Wunsch, Priester zu werden. Genährt wird dieser Wunsch durch die Begegnung mit Dr. Hesse, einem von der Gestapo aus Wien nach Brünn verbannten Priester, der eine Gruppe von Priesterstudenten und engagierten Laien - zu ihnen gehören auch Leo und sein Bruder - um sich versammelt.
Als Nichtarier aus der Hauptschule geworfen, arbeitet Leo in dieser Zeit als Hilfsarbeiter in einer Textilfabrik. 1944 wird ihm, dem damals 16jährigen, und seinem Bruder mitgeteilt, sie seien zu einem totalen Arbeitseinsatz nach Böhmen eingeteilt. Der Vater ahnt Schlimmes, fürchtet um das Leben seiner Kinder. Als er sich von Leo verabschiedet, küßt er ihn - zum ersten Mal im Leben, wie sich der Ordensmann erinnert.
Tatsächlich werden die Buben in ein Konzentrationslager verschickt. Im “Sonderlager Tworschowitz", einem fiktiven Truppenübungsplatz, müssen sie Munitionsbunker bauen. Später, im Frühjahr werden die Häftlinge in ziviles Gebiet verfrachtet, wo sie Schützengräben ausheben. Leo Kucha˜r hat seinen “Schott" bei sich und betet täglich alle Texte der Hl. Messe im Lager. Der Weg zur Arbeit und zurück ist eine gute Gelegenheit, den Rosenkranz zu beten. Dr. Hesse läßt ihm eine deutschsprachige Übersetzung des lateinischen Breviers zukommen. Nun kann er auch das Stundengebet beten. Dank dieser geistigen Kraftquellen wächst sein Glaube - trotz allem.
Leo träumt davon, eine Messe zu besuchen oder vor dem Tabernakel beten zu können. Der etwa drei Kilometer entfernte Kirchturm, den er bei seinem Arbeitseinsatz stets erblickt, übt eine ungemein anziehende Wirkung auf ihn aus. Und so beschließt er - trotz aller Gefahren - heimlich dorthin zu gehen. Unbemerkt entwischt er beim Austreten seinen Bewachern und gelangt unbehelligt in das Dorf. Vom Pfarrer zunächst argwöhnisch beäugt, bekommt er doch die Hl. Kommunion und ein Mittagessen.
Wie durch ein Wunder kommt der Häftling ohne Zwischenfall wieder zurück. Von diesem Erfolg angestachelt, wiederholt er den Ausflug am nächsten Tag in die entgegengesetzte Richtung: Wieder darf er kommunizieren. Auch dieser gefährliche Besuch beim Heiland bleibt unbemerkt. Es ist der 6. April 1945.
Warum er wieder ins Lager zurück sei, frage ich erstaunt. Er hätte sich nirgends verstecken können, wer hätte ihn aufgenommen?, ist die Antwort des Paters. Außerdem sei er überzeugt gewesen, er und alle anderen Häftlinge würden überleben, wenn Gott es wolle, daß er Priester werde.
Daß es wirklich dazu kommt, ist ein Wunder, denn in der Kartei steht hinter den Namen der Brüder der Vermerk R.U. - Rückkehr unerwünscht. Ihr Tod ist also beschlossene Sache. Auch der Tag der Hinrichtung ist bekannt: der 15. Mai 1945. Eine Woche davor endet jedoch der Krieg. Das Lager wird befreit!
Die Brüder werden nun in Brünn als Helden gefeiert. Ihre KZ-Vergangenheit verhindert, daß die Kucha˜rs nach dem Krieg als Volksdeutsche abgeschoben werden. Leo kann nun auch das Gymnasium beenden. Über einen seiner Lehrer hatte er schon vor dem Krieg den Orden der Eucharistiner kennen gelernt. Er ist zunehmend sicher, daß sein Platz bei diesem Orden sein wird . Am 27. Juli 1947 übersiedelt er ins Kloster und beginnt das Noviziat.
“Die Eucharistiner - vom hl. Peter Julian Eymard in Frankreich gegründet - haben die Sendung, aus der Fülle des Eucharistiegeheimnisses und für die Eucharistie zu leben: Die Eucharistie zu verkünden, zu feiern und zu verehren," erklärt mir P. Leo.
Sein Noviziat wird aber abrupt beendet: 1948 kommen die Kommunisten an die Macht. 1950 - es ist sein zweites Novizenjahr - werden alle Klöster aufgelöst, die Priesterseminare geschlossen.
Leo muß seinen zweijährigen Präsenzdienst ableisten. Dann läßt er sich zum Röntgenassistenten ausbilden. Ab 1958 wird er als solcher an der Universitätsklinik in Brünn arbeiten. Im Geheimen studiert er Theologie - ein für alle Beteiligten gefährliches Unterfangen. Erwischt man einen Professor, wird er wegen Hochverrats - auf den die Todesstrafe steht - vor Gericht gestellt. Als der junge Mann mit diesem Studium fertig ist, sieht er jedoch keine Möglichkeit, zum Priester geweiht zu werden. Alle Bischöfe des Landes sind nämlich eingesperrt.
In dieser Zeit versucht P. Leo, Näheres über den Tod der Mutter im polnischen KZ zu erfahren. Dabei entsteht die Idee, eine Reise nach Polen - wo die Bischöfe nicht eingesperrt sind - dazu zu nutzen, dort zum Priester geweiht zu werden. Bald ist ihm klar: Die Mutter ruft ihn an ihr Grab und öffnet ihm so die Möglichkeit zur Priesterweihe.
Um das Projekt geheim vorzubereiten, beginnt der fertige Theologe nun einen Briefverkehr, der ihn bei den Kommunisten als begeisterten Philatelisten erscheinen läßt. Außer mit echten Markensammlern in der ganzen Welt unterhält er vor allem mit einem angeblichen Arzt in Rom, dem Generalsuperior der Eucharistiner, eine Korrespondenz. Daß die Katalognummern der Briefmarken, von denen in den Briefen immer wieder die Rede ist, eigentlich Paragraphen im kirchlichen Gesetzbuch sind, entgeht den kommunistischen Spürhunden. Endlich ist es soweit: In einem Brief wird die “Briefmarke" mit der Nummer 572/1/6 bestätigt. Es ist die Zulassung zur ewigen Ordensprofeß. 1958 kann er das Gelübde vor seinem Beichtvater ablegen.
Weitere “Briefmarken" eröffnen ihm den Weg zunächst zu den niederen Weihen und die Nr. 975 schließlich zu den höheren. Die für die Priesterweihe nötigen Dokumente sollen von Rom nach Polen geschickt werden und der Priesteramtsanwärter muß seine Polenreise organisieren.
Ein schwieriges Unterfangen: man braucht eine Einladung von einem Gastgebert und einen triftigen Grund. Leo Kucha˜rs Chef im Spital, selbst ein Erzkommunist, gelingt es dennoch, eine Reiseerlaubnis für den jungen Theologen zu bekommen, um über den Tod der Mutter Nachforschungen anstellen zu können.
Diese erste Polenriese 1959 ist jedoch ein Mißerfolg: Es gibt Mißverständnisse, Hindernisse und die Dokumente sind auch nicht eingetroffen. Knapp vor Ablauf der Aufenthaltsbewilligung hofft Leo, doch noch von Kardinal Wyszynski persönlich geweiht zu werden. Dieser weiß jedoch, daß der tschechoslowakische Geheimdienst spätestens zwei Stunden nach einer Weihe in Warschau von dieser erfahren würde. Um den Priesteranwärter nicht zu gefährden und um sagen zu können, er habe ihn nie gesehen, spricht der Kardinal mit ihm nur durch das Schlüsselloch.
Soviel Aufwand und Gefahren und doch kein Erfolg! Gibt der junge Ordensmann jetzt auf? Nein. Er weiß, daß er auf dem Weg ist, den Gott für ihn vorgesehen hat. Schwierigkeiten schrecken ihn nicht ab. Und den Kommunisten einen Streich zu spielen, kommt dem ehemaligen Lausbuben gerade recht.
Eine zweite Polenreise scheint jedoch ganz ausgeschlossen. Und trotzdem geschieht das Unmögliche: “Wenn du den Genossen Kucha˜r nicht nach Polen fahren läßt, bekommst du von mir einen Tritt in den...", sagt ein roter Parteigott zum anderen (in der Annahme, es handle sich nur um Nachforschungen zum Tod der Mutter). Und so kann Leo Kucha˜r 1960 ein zweites Mal nach Polen reisen. Er wird am 5. April in der Privatkapelle des Bischofs von Lublin empfangen. Am selben Tag empfängt er die vier niederen Weihen. Am 6. April wird er zum Priester geweiht.
Der erste Gedanke des überglücklichen Neupriesters: “Jetzt können mich die Kommunisten lebenslänglich einsperren, das unverwüstliche Merkmal des Priestertums können sie mir nicht mehr von der Seele herunterkratzen!" Blättern wir zurück: 15 Jahre davor, am 5. und 6. April 1945 war er im Lager ausgerissen, um die Hl. Kommunion empfangen zu können. Zufall?
Seine erste heilige Messe möchte der neugeweihte Priester in der Holzkapelle in Sobibor feiern, dem Lager in dem die Mutter den Tod fand. Nur einige Meter von der Kapelle entfernt standen einst die Gaskammern. Hatte die Mutter die Kapelle mit ihren Blicken gestreift, bevor sie den Tod fand? Zwar wird er dort nicht seine erste Messe feiern, wohl aber seine fünfte. Dabei spürt er deutlich die Anwesenheit der Mutter. Unvergeßlich!
Unvergeßlich auch, daß er in Tschenstochau trotz gewaltigen Andrangs von Priestern und einer monatelangen Warteliste eine Messe lesen darf. Ein gutmütiger Prälat überläßt ihm seinen Platz, nachdem er von den abenteuerlichen Umständen der Priesterweihe erfahren hat. Ein Primizgeschenk der Schwarzen Madonna.
Nur vier Personen wissen in der Heimat von der Priesterweihe. Jede priesterliche Tätigkeit muß geheim geschehen: Seinen Freund Josef, der ebenfalls Priester werden möchte, unterrichtet P. Leo in einigen theologischen Fächern. Die Treffen der beiden werden aber, mit allem Nötigen ausgestattet, als Zusammenkünfte von Schachspielern getarnt.
1966 geschieht das, womit der Priester seit seiner Weihe gerechnet hat: Er wird an den Geheimdienst verraten. “Jedesmal wenn es geläutet hat, war der Gedanke da: Jetzt sind sie da. Vorsorglich habe ich die ganze Prozeßordnung, die Verfassung und das Strafrecht gelernt. Ich kannte sie fast auswendig," erzählt mir P. Leo und ich staune, wie vergnügt er über das Verhör erzählt:
“Es ging um die geheime Weihe. Man wollte mir Hochverrat anhängen. Ich war mit einem Staatspolizisten, allein im Zimmer. Doch es wurde mitgehört. Immer wenn er einen Fehler beging, hat sein Telephon geläutet und er bekam Anweisungen. Einmal sagte der Offizier während des Verhörs: ,Sie haben die Paragraphen 55 und 110 verletzt?" Ich kannte die Paragraphen und habe ihn gefragt: ,Paragraph 55? Ein Attentat auf das Staatsoberhaupt?' Und schon hat das Telephon geläutet und er hat nicht mehr mit Paragraphen jongliert."
Zur Freude des Richters bekennt sich der Angeklagte plötzlich gemäß Paragraph 78 schuldig. Dieser besagt: Wer die Aufsicht des Staates über die Kirche umgeht , wird mit einer zwei Jahren Freiheitsstrafe bestraft. “Nachdem das Protokoll verfaßt und unterschrieben war, habe ich ihm gesagt: ,Genosse Major, ich gehe jetzt nach Hause, wünsche Ihnen schöne Weihnachten. Sie dürfen das Verfahren nicht fortsetzen. Es gab nämlich die Amnestie vom Mai 1960 - also nach der Priesterweihe -, die sich auf Delikte mit einer Höchststrafe von zwei Jahren erstreckt.' Daraufhin ist er aufgesprungen. Jetzt wird er mich verprügeln, war ich sicher. Da läutetete aber wieder das Telefon und zähneknirschend hat er mich hinausgeleiten müssen." Noch heute muß der Lausbub von damals lachen, der seine guten Nerven und seinen Schalk über all die Jahre nicht verloren hat.
Von da an muß er seine Priesterweihe nicht mehr geheimhalten, wird aber ständig überwacht. Würde man feststellen, daß er seinen Priesterberuf illegal ausübt, wäre die Amnestie aufgehoben gewesen. “So mußte ich die Messe in meinem Zimmer lesen und im Verborgenen, als Röntgenassistent, mein Priesteramt ausüben." Wenn sich manche im Spital wundern, warum er nicht heiratet, antwortet er: “Ich würde jede Frau glücklich machen, aber ich gönne es keiner." Tja, Humor hat er.
Eines Tages wird ein sichtlich gefolterter Priester bewußtlos, mit drei Bewachern ins Spital gebracht. Um ihm die Krankensalbung spenden zu können, erklärt P. Leo den Bewachern, er müsse für die Röntgenaufnahmen mit einem Kontrastöl auf der Stirn des Patienten eine Markierung anbringen. Die Beamten können daran nichts Verdächtiges finden und ministrieren auf diese Art beim Sakrament der Krankensalbung.
Das Frühjahr 1968, der “Prager Frühling", bringt eine große Erleichterung. Nun soll er den priesterlichen Dienst beim Pfarrer von Altbrünn aufnehmen. Auch verreisen ist nun möglich: Er ist gerade in Rom, als es mit dem Prager Frühling vorbei ist. Da eine Rückkehr in die Heimat Gefangenschaft bedeuten würde, wird P. Leo von den Ordensoberen nach Wien versetzt.
Nun ist vielleicht das Spektakuläre in seinem Leben vorüber, doch nun kann sich P. Leo ganz seiner eigentlichen Aufgabe, für die ihn Gott schwierige Umwege gehen ließ, widmen: den Menschen in Einkehrtagen und Exerzitien - mittlerweile auch in Tschechien -, in Zeitschriften und Büchern zu verkünden, daß die Eucharistie die Mitte unseres Lebens ist. Viele, selbst in der Katholischen Kirche können dies nicht mehr glauben . Nicht wenige bezweifeln und leugnen die Tatsache, daß Jesus Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch im Brot der Eucharistie da ist.
Daher brauchen wir so überzeugte und unerschrockene Priester, die uns das immer wieder verdeutlichen. P. Leo gelingt es sehr gut, durch seine ruhige, liebevolle und humorvolle Art in den Menschen die Freude an einem Treffen mit dem Herrn in der Eucharistie zu wecken. Wie schön, daß es Menschen gibt, die uns durch ihr Leben in so hohem Ausmaß Treue, Ausdauer und Unerschrockenheit in der Nachfolge und im Verkünden vorleben.