VISION 20006/2004
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Bleibe bei uns, Herr!

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Sie erkannten ihn, als er das Brot brach" (vgl. Lk24,35) Es ist von Bedeutung, daß die beiden Emmausjünger, die durch die Worte des Herrn entsprechend vorbereitet worden waren, ihn bei Tisch an der einfachen Geste des ,,Brotbrechens" erkannten. (...) Die Eucharistie vollzieht sich ganz im dynamischen Kontext von Zeichen, die eine dichte und helle Botschaft in sich tragen. Durch die Zeichen öffnet sich in gewisser Weise das Geheimnis dem Auge des Glaubenden.

Wie ich in der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia betont habe, ist es wichtig, daß kein Aspekt dieses Sakraments vernachlässigt wird. In der Tat steht der Mensch immer in der Versuchung, die Eucharistie auf eigene Gesichtspunkte zu reduzieren; hingegen ist er es, der sich in Wirklichkeit den Dimensionen des Mysteriums öffnen muß. ,,Die Eucharistie ist ein zu großes Gut, um Zweideutigkeiten und Verkürzungen zu dulden".

Es besteht kein Zweifel, daß unter den verschiedenen Aspekten der Eucharistie jener des Gastmahles am meisten ins Auge fällt. Die Eucharistie entstand im Kontext des Paschamahles am Abend des Gründonnerstages. Daher ist ihrer Struktur die Bedeutung der Tischgemeinschaft eingeschrieben: ,,Nehmt und eßt ... Dann nahm er den Kelch ... und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus" (Mt 26,26.27). Dieser Aspekt drückt die Gemeinschaftsbeziehung gut aus, die Gott mit uns aufnehmen will und die wir selbst untereinander entfalten müssen.

Dennoch darf nicht vergessen werden, daß das eucharistische Mahl auch und zuerst einen tiefen Opfercharakter besitzt. Christus legt uns darin das Opfer wieder vor, das er ein für allemal auf Golgota dargebracht hat. Wenn er darin auch als Auferstandener gegenwärtig ist, so trägt er doch die Zeichen seines Leidens, zu dessen ,,Gedächtnis" jede heilige Messe gefeiert wird. (...)

Insbesondere ist es notwendig, sowohl in der Feier der Messe als auch im eucharistischen Kult außerhalb der Messe das lebendige Bewußtsein der realen Gegenwart Christi zu pflegen, indem Sorgfalt darauf verwendet wird, diese Gegenwart mit dem Ton der Stimme, den Gesten, den Bewegungen, mit der Gesamtheit des Verhaltens zu bezeugen. (...) Mit einem Wort, es ist notwendig, daß die Art und Weise des Umgangs mit der Eucharistie seitens der in der Liturgie Mitwirkenden und der Gläubigen von tiefem Respekt geprägt sind. Die Gegenwart Jesu im Tabernakel muß ein Anziehungspunkt für eine immer größere Anzahl von Seelen sein, die von Liebe zu ihm erfüllt sind und fähig sind, lange da zu bleiben, um seine Stimme zu hören und gleichsam seinen Herzschlag zu spüren. ,,Kostet und seht, wie gütig der Herr ist" (Ps 34,9).

Die eucharistische Anbetung außerhalb der heiligen Messe soll während dieses Jahres zu einer besonderen Aufgabe für die einzelnen Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften werden. Verweilen wir lange auf den Knien vor dem in der Eucharistie gegenwärtigen Herrn, indem wir mit unserem Glauben und unserer Liebe die Nachlässigkeit, die Vergessenheit und sogar die Beleidigungen wiedergutmachen, die unser Erlöser in vielen Teilen der Welt erleiden muß. (...)

Auf die Bitte der Jünger von Emmaus, ,,bei" ihnen zu bleiben, antwortet Jesus mit einem viel größeren Geschenk: Durch das Sakrament der Eucharistie fand er Gelegenheit, ,,in" ihnen zu bleiben. Die Eucharistie empfangen bedeutet in tiefe Gemeinschaft mit Jesus eintreten. ,,Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch" (Joh 15, 4). Diese Beziehung eines zuinnersten, wechselseitigen ,,Verbleibens", erlaubt uns in gewisser Weise, den Himmel auf der Erde vorwegzunehmen.

Aus dem Apostolischen Schreiben "Mane Nobiscum Domine".

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