VISION 20001/2005
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Kinder die Kommunion empfangen, wenn sie nach Jesus Sehnsucht haben

Artikel drucken Kinder frühzeitig zur Kommunion zulassen

“Bringt die Kinder zur Frühkommunion!" - so der weitgehend ungehört verhallte Appell von Papst Pius X. vor 100 Jahren. Für eine Belebung dieser Praxis plädiert im folgenden Gespräch ein Eucharistinerpater aus Wien.

Viele meinen, schon die Tatsache, daß Kinder heute mit acht Jahren zur Erstkommunion geführt werden, sei voreilig. Wie sehen Sie das?

P. Leo Kuchar: Ich behaupte, daß dies eigentlich schon zu spät ist. Wenn man das Dekret “Quam singulari" des heiligen Papstes Pius X. aufmerksam liest, dann ist dort die Rede davon, daß die Kinder nicht nur frühzeitig zur Kommunion zugelassen werden können - nein, man soll sie zulassen. Die Eltern und Erzieher sind sogar verpflichtet, auf die Erstkommunion vorzubereiten, wenn das Kind in die sogenannten Entscheidungsjahre kommt, daß es also gewöhnliches vom eucharistischen Brot unterscheiden kann. Das kann schon sehr früh geschehen. Eines meiner Frühkommunionkinder hat die erste Kommunion im Alter von 3,5 Jahren empfangen - mit großer Sehnsucht. Man darf die Kinder nicht unterschätzen. Ich glaube, daß Kinder in Bezug auf die Eucharistie weniger Glaubensschwierigkeiten haben als wir Erwachsenen. Die Kinder sind bereit zu glauben, daß Jesus im Brot der Eucharistie wirklich da ist und lebt.

Wie merkt man, ob ein Kind wirklich reif zum Empfang der Eucharistie ist?

Kuchar: Wenn das Kind die Eltern fragt: Warum darf Jesus nicht zu mir kommen? Warum darf Er das noch nicht? Das ist für mich ein Alarmzeichen, daß das Kind für die Frühkommunion reif ist und man die Sehnsucht des Kindes erfüllen muß - insbesondere weil es meiner Überzeugung nach auch die Sehnsucht Jesu ist.

Wann wurde dieses Dekret erlassen?

Kuchar: Papst Pius X. hat zwei Eucharistie-Dekrete veröffentlichen lassen. 1905 ist das Dekret über die tägliche Kommunion erschienen. Damals war es nicht selbstverständlich, daß man täglich kommunizieren durfte. Es war sogar üblich, daß selbst Ordensfrauen nur an großen Feiertagen die Heilige Kommunion empfangen haben. Pius X. hat also den Tabernakel weit für die tägliche Kommunion aufgemacht. Fünf Jahre später hat Pius X. dann das Dekret “Quam singulari" herausgegeben. Es beginnt auf Deutsch mit den Worten: “Mit welch großer Liebe ist Jesus den Kindern begegnet..." Darin fordert Pius X. die Frühkommunion.

Sie sprachen zuerst von der Frühkommunion eines 3,5jährigen Mädchens. Ist das nicht eine große Ausnahme? Oder sollten Eltern schon ab diesem Alter ihre Kinder boebachten?

Kuchar: Die Frühkommunion ist sinnvoll nur, wenn es in der Familie ein intensives christliches Leben gibt, sie muß aus einer Atmosphäre des Glaubens hervorgehen. Hat das Kind Eltern, die selbst nicht in die Kirche gehen, ist es problematisch, es zur Frühkommunion zuzulassen. Wer würde das Kind denn auch vorbereiten? Gott sei Dank aber haben wir viele gute christliche Familien! Allerdings wissen viele Eltern nichts von dieser Möglichkeit.

Papst Pius X. wollte, daß das Dekret jedes Jahr dem Volk vorgelesen werde. Warum geschieht das nicht?

Kuchar: Bis zum 2. Weltkrieg wurde dies praktiziert. In meiner Heimat wurde das Dekret jährlich in der österlichen Zeit verlesen.

Hat sich Papst Johannes Paul II. jemals zu dieser Frage geäußert?

Kuchar: Nicht direkt. Aber aus seinen anderen Aussagen zum Geheimnis der Eucharistie geht klar hervor, daß sich der Papst wünscht, daß die Christen - und die Kinder gehören ja zur christlichen Gemeinde - sobald als möglich mit dem Geheimnis der Eucharistie in Verbindung gebracht werden. Man muß bedenken, daß die Frühkommunion sehr große Wirkungen in der Seele hervorruft. Durch den regelmäßigen Kommunionempfang kann Jesus die Seele des Kindes aufbauen. Er kann das Reich Gottes in der Seele des Kindes festigen. Das zeigt sich dann im Zugang zum Glauben und in der Lebenspraxis. Die Eucharistie ist ja eine Kraftquelle, die unser ganzes Leben bestimmt. Der Heilige Vater betont gerade in letzter Zeit immer wieder, daß die Eucharistie der Ausgangs- und Zielpunkt unseres christlichen Glaubens ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich die Kinder, die zur Frühkommunion gekommen sind, sich anders entwickelt haben als die übrigen. Letztere sind übrigens oft gar nicht so gut vorbereitet.

Wieso gibt es so viele Schwierigkeiten, daß sich dieses Anliegen durchsetzt?

Kuchar: Die erste Schwierigkeit liegt bei den Eltern. Selbst wenn sie wissen, daß es diese Möglichkeit gibt, haben sie vielleicht Hemmungen, weil sie sich der Aufgabe der Vorbereitung des Kindes nicht gewachsen fühlen. Sie meinen, sie müßten dem Kind sehr viel beibringen. Aber das stimmt nicht. Pius X. erwähnt in seinem Dekret, das Kind müsse nicht über eine vollständige Kenntnis der Glaubenswahrheiten verfügen.

Was sollte das Kind wissen?

Kuchar: Gläubige Eltern erziehen ihre Kinder christlich. Dadurch haben Vier-, Fünfjährige gewisse Glaubensvorstellungen. Wichtig ist, daß das Kind gewöhnliches vom eucharistischen Brot unterscheiden kann und eine gewisse Sehnsucht zeigt. Das sind die Kriterien.

Gibt es weitere Schwierigkeiten?

Kuchar: Viele stoßen auf Widerstand in der Gemeinde. Etwa unter dem Motto: Die wollen etwas Besseres sein! Dabei könnten doch alle sagen: Auch wir sollten das so praktizieren. Dann wäre die Ausnahmestellung von Frühkommunion-Kindern aufgehoben. Auch viele Pfarrer wissen nichts von der Existenz des Dekrets von Pius X.

Sie sagten ja, die Frühkommunion sei ein Schutz für die Seele des Kindes...

Kuchar: Von Seelsorgern wurde schon oft gesagt, daß die bewahrte Taufunschuld des Kindes eigentlich die beste Voraussetzung für die Kommunion ist. Wenn man darauf wartet, daß der Teufel das Kind zur Sünde verleitet und Sprünge in der Seele des Kindes entstehen, die man dann kitten - also die Sünde beseitigen - muß, damit Jesus als zweiter wieder einziehen kann, ist das kein idealer Weg. Es gehört zu den Früchten der Kommunion, daß sie den Kommunizierenden in den Zustand der Taufunschuld versetzt - ein unbegreifliches Geheimnis: Gott kann dem Schuldigen wieder die Unschuld schenken. Und das tut Er auch. Wenn sich ein Mensch mit Gott im Bußsakrament versöhnt, so ist es, also ob Gott sagte: Du bist jetzt für mich wie einer, der nie gesündigt und immer seine Unschuld bewahrt hat. Das Kind hat nun diese Unschuld von der Taufe her. Und das paßt gut zum Empfang der Heiligen Kommunion.

Also keine Beichte vor der Frühkommunion?

Kuchar: Papst Pius X. hat auch vor der Frühkommunion die Beichte verlangt.

Das ist aber heute sehr umstritten. Viele wollen heute den Achtjährigen nicht zumuten, vor der Erstkommunion zu beichten. Wenn Sie jetzt davon sprechen, Fünfjährige zur Beichte zu schicken, so wird das bei vielen einen Sturm der Entrüstung auslösen.

Kuchar: Verwunderlich ist das nicht. Viele verlangen ja sogar von den Erwachsenen keine Beichte mehr. Unter dem Motto: Alle sollen zur Kommunion gehen, egal, wie ihr Leben aussieht. Sogar Andersgläubige werden eingeladen! Das ärgert mich - vor allem wenn man dann bei den Kindern in dieser Frage Schwierigkeiten macht, sie zur Frühkommunion zuzulassen.

Haben Sie also Beichte schon bei Vier- oder Fünfjährigen gehört?

Kuchar: Die 3,5-jährige Agnes, von der ich gesprochen habe, hat schon vor der Kommunion aus eigenem Antrieb bei mir angerufen und gefragt, ob sie zur Beichte kommen kann. Sie hat ein gewisses Sündenbewußtsein gehabt. Das paßt in diese Unterscheidungsjahre hinein. Wenn ein Kind also spürt, daß es etwas Unrechtes getan hat, gleichzeitig aber die Sehnsucht nach Jesus hat, dann hat es auch die Sehnsucht, sich von dieser Schuld zu befreien. Natürlich könnte man argumentieren, daß man nur beichten muß, wenn man eine Todsünde begangen hat. Aber das Bußsakrament ist ein heilendes Sakrament. Von daher ist sein regelmäßiger und häufiger Empfang zu empfehlen.

Kommt nicht in der Vernachlässigung der Frühkommunion auch zum Ausdruck, daß wir Christen uns viel zu wenig bewußt sind, welch unermeßlichen Wert die Eucharistie hat?

Kuchar: Ja. Denn wenn Jesus Einzug hält in der Seele eines Menschen, ist Er nicht passiv, sondern aktiv. Wenn Jesus einen Menschen erfüllt, so kommt es zu einer bleibenden Gegenwart Jesu im Menschen (Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm). Ist Jesus da nicht ein Baumeister, der Risse heilt, die Seele wandelt und Anteil am göttlichen Leben schenkt? Wenn man das bedenkt, versteht man, daß sich nicht nur der gläubige Mensch, sondern auch Jesus nach der Heiligen Kommunion sehnt. Sie ist ja keine Einbahn, sondern eine partnerschaftliche Begegnung. Ich sollte also immer den Partner fragen, ob Er nicht zu mir kommen möchte. Ohne viel nachzudenken, kann man da sagen: Die Sehnsucht Jesu nach der Kommunion mit mir, ist viel größer als meine Sehnsucht nach der Kommunion mit Ihm. Für Jesus gilt sicher: “Ich wünsche mir, daß ich sobald und so oft wie möglich in der Seele eines Menschen Einzug halten kann."

Auszug aus einem Gespräch, das Alexa und Christof Gaspari geführt haben im Rahmen der Sendung von Radio Maria “Soll man Kinder zur Frühkommunion schicken?", die am 10. Dezember 2004 um 10 Uhr ausgestrahlt worden ist. Eine Kassette der Sendung kann bei Radio Maria Wien bestellt werden
(Tel: 01 7107072, Fax: 7107073).

"Die Heilige Kommunion - meine größte Sehnsucht im KZ"

Ich war als 16jähriger in einem KZ wegen meiner nicht-arischen Abstammung. Gegen Kriegsende mußten wir Schützengräben ausheben. Die Bewacher waren damals schon ziemlich demoralisiert. So ist es mir gelungen, vom Arbeitsplatz zu verschwinden. Ein Kirchturm, drei Kilometer entfernt, hat mich magisch angezogen. Ich hoffte, dort die Heilige Kommunion zu empfangen. Das Unternehmen ist auch gelungen. Das Risiko war sehr groß. Die SS hat in der Gegend feindliche Fallschirmspringer vermutet. Jeder, der keinen Ausweis hatte, wurde sofort erschossen. Ich habe die drei Kilometer hin und zurück ohne Gefährdung zurückgelegt und in der Kirche die Heilige Kommunion empfangen. Das war meine größte Sehnsucht in der ganzen Zeit meiner KZ-Haft. Ich habe von der Freiheit geträumt, weil die Freiheit für mich den Zugang zur Eucharistie bedeutet hätte.

Am nächsten Tag habe ich den Versuch wiederholt, allerdings in der entgegengesetzten Richtung. Der Weg war kürzer, aber gefährlicher, weil er an einem Munitionslager vorbeigeführt hat, wo alle Vorbeikommenden einer strengen Kontrolle unterzogen worden sind - was ich allerdings nicht wußte. Beim Hinweg war gerade Wachablöse, sodaß draußen gerade kein Posten gestanden ist. Und beim Rückweg hat der Wachsoldat gerade seine Notdurft verrichtet. Und so bin ich wieder unbemerkt vorbeigekommen. Die Vorsehung hatte das wunderbar eingerichtet.

P. Leo Kuchar

Wer mehr über P. Leo Kuchar erfahren will, kann das Portrait in VISION 6/2004
nachlesen.

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