VISION 20001/2005
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Ein Wendepunkt in der Theologie

Artikel drucken Klaus Bergers Buch “Jesus"

Klaus Berger, der wohl meistgelesene Bibelexeget und Bibelvermittler im deutschen Sprachraum, Professor für Neues Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Heidelberg und zusammen mit seiner Frau Christiane Nord vielbeachteter Übersetzer, hat als “Summa" seines wissenschaftlich-publizistischen Wirkens nun das 700-Seiten-Werk “Jesus" vorgelegt.

Das, was andere einen Paradigmenwechsel nennen, wird bei Bergers unorthodoxer und dennoch wissenschaftlich abgesicherten Sicht der Bibelauslegung Wirklichkeit. Manche vermuten, schon vom Titel her, einen Anti-Bultmann, aber durch den Ansatz bei der “Postmoderne" läßt der Autor solche einfachen polemischen Antithesen weit hinter sich.

Was für den dialektischen Theologen Bultmann die Jesusbilder der liberalen protestantischen Theologie waren, die er in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auszuhebeln berufen war, das ist heute für Berger der Jesuanismus der (angeblich!) “historisch-kritischen" mainstream-Exegese des akademischen Establishment.

Berger hält sich an keine “theological correctness", die zur spirituellen Langeweile und zur Entleerung von Kirchen und Fakultäten führte. Weihrauch gehört nach einem Berger-Diktum in die Liturgie, Durchzug und Entrümpelung dagegen in die Seminarien der Wissenschaft.

Bergers mit streitbarem Temperament, biographischen “Verschränkungen" und zugleich liebevollem Einfühlungsvermögen verfaßtes neues Buch ist ein solcher “Durchzug" im gängigen Theologie- und Bibel-Betrieb.

Hier wird mit Karl Rahners Wort vom “Christen als Mystiker" ernstgemacht, hier werden endlich “mystische Fakten", die appellative Apokalyptik und die jesuanischen Zeichen und Wunder so ernst genommen, wie sie immer gemeint sind, hier bleibt aber auch die Autorität der Sprache und des Textes bestehen.

Dabei ist Bergers vielfach belegte exegetische Kompetenz und sprachliche Souveränität frei von jeglichem Fundamentalismusverdacht. Wie über aktuelle Fragestellungen wie Jesu Göttlichkeit, sein Verhältnis zum menschlichen Glück, zu den Frauen und zum menschlichen Leid geschrieben wird, ist einfach glaubhaft, überzeugend und “von Geist und Kraft".

Auch politische Fragen, das Verhältnis zum Judentum, zur Kirche und zur Ökumene werden unter das Licht und Gericht des Nazareners gestellt. Viele geistliche Einsichten auch für die konkrete Lebensgestaltung kann die äußerst anregende Lektüre vermitteln.

Sprühende Vergleiche und überraschende Schlußfolgerungen in einer überzeugenden Sprachform bieten sich in einer unerschöpflichen Fülle dar.

Am Schluß finden sich faszinierende Kapitel über Jesus als Begleiter in Sterben und Tod, ein “Dialog über irdisches und ewiges Leben" und die Liebe zu Jesus.

Berger, der sein der Äbtissin Maria Assumpta Schenkl OCist in Helfta bei Eisleben gewidmetes Buch nur aus einer tiefen Betrachtung seines Gegenstandes schreiben konnte, “rettet" sich als Zisterzienserspirituale am Ende in einen liturgischen Lobpreis: “O rex gloriae Christe, veni nobis cum pace! - Christus, herrlicher König, komm und bring uns Frieden!".

Sein “Jesus" ist bereits vielen ein “Lieblingstitel", in jedem Fall ein Buchereignis und wird historische Wirkung tun. Evangelische und katholische wissenschaftliche Theologie und Exegese sind nach ihm nicht mehr das, was sie vorher waren. Möge der entstandene “Durchzug" nicht nur Staub aufwirbeln, sondern vielen Jungen und Nachkommenden Mut machen, ihre Segel zu spannen!

Stefan Hartmann

Jesus. Von Klaus Berger, Pattloch, München 2004, 704 Seiten, € 28,-

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