Katholiken sind gewohnt, für Priester- und Ordensberufe zu beten. Beim heutigen Mangel an solchen Berufungen in vielen Ländern besteht auch aller Grund für solche Gebete. Weniger klar ist den meisten von uns aber, daß jeder Mensch von Gott her eine Berufung hat, die es zu erkennen gilt. Eine Initiative in der Erzdiözese Wien gibt dazu Impulse.
Vor einem Jahr inspirierten uns die drei Musketiere zu einem Bund besonderer Art. Getreu ihrem Wahlspruch: “Einer für alle, alle für einen", luden wir junge Menschen ein, täglich füreinander den Engel des Herrn zu beten. Diese “Angelus Aktion" wendet sich an alle, die auf der Suche nach ihrer Berufung sind und diese Suche bewußt im Gebet leben wollen.
Vom Angelusgebet sagt Papst Johannes Paul II. in einer Botschaft an die Jugend: “Möge dieses Gebet Euer Gebet werden, über das ihr jeden Tag nachdenkt! Gott offenbarte Maria seinen Plan und fand in ihr - damals so jung wie Ihr jetzt - ein Herz, das sich dem Wirken seiner Liebe ganz hingab. Die allerseligste Jungfrau Maria lehre euch, liebe Jugendliche, den Willen des himmlischen Vaters für euer Leben zu erkennen. Durch ihr Vorbild sporne sie euch an, im neuen Jahrtausend Verkünder der Hoffnung, der Liebe und des Friedens zu sein."
Dieser Gebetsinitiative - an ihr beteiligen sich derzeit an die 300 Jugendliche aus Österreich und Deutschland - schlossen sich ebenso viele Ordensleute an, die für je einen dieser jungen Menschen eine Gebetspatenschaft übernommen haben (näheres auf www.berufungen.at/angelus)
Überraschend war für uns, daß sich bald mehrere Eheleute und Erwachsene gemeldet haben, die in ähnlicher Weise miteinander für ihre Kinder und den Berufungsweg der jungen Leute beten wollten. Aus diesem Wunsch ist das “Nazaret-Gebet" entstanden, das mit dem Hochfest der Gottesmutter Maria am 1. Januar 2005 gestartet wurde.
Worin besteht das Nazaret Gebet? Die Eltern beten täglich miteinander den “Engel des Herrn" für ihre Kinder. Miteinander, das heißt (wenn möglich) zur gleichen Zeit und am gleichen Ort - oder in geistiger Verbundenheit der gemeinsamen Verantwortung für ihre Familie. Im Angelusgebet betrachten wir, wie der Erzengel Gabriel ins Haus von Nazaret kommt und wie Maria ihre Berufung, die Muttergottes zu werden, empfängt und damit auch die Berufung ihres Kindes ermöglicht. So schenkt Gott durch ihr “Ja", aber auch durch die Zustimmung ihres Bräutigams Josef, der Welt das Heil in Jesus Christus. Das Nazaret-Gebet ist also Familien- und Berufungsgebet zugleich. Wir beten, daß unsere Kinder den liebevollen Ruf Gottes vernehmen und ihm Antwort geben, sei es in einer christlichen Ehe, im Priestertum oder im gottgeweihten Leben.
Was ist die Idee hinter dieser Gebetsinitiative? Eltern wünschen für ihr Kind immer das große Glück, doch vieles können sie nicht beeinflussen. Wohin wird der Lebensweg unsere Tochter führen? Was soll mein Sohn einmal werden? Wie können wir unser Kind erziehen, damit es in Offenheit und Freiheit für den Willen Gottes aufwächst? Können wir von unseren eigenen Plänen und Vorstellungen loslassen? Wie ist es möglich, auch in schweren Zeiten betend zu vertrauen?
Die Familie von Nazaret hatte von Anfang an große Herausforderungen zu bestehen. Auf die Fürsprache von Josef und Maria vertrauen wir unsere Kinder dem Schutz und der Führung Gottes an: “Denn wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt...!" (Röm 8,28)
Zur Unterstützung des gemeinsamen Gebetes erhalten die Eheleute 52 Mal im Jahr einen Impulstext zu einem der 52 Rufe von Loreto, einem italienischen Wallfahrtsort, wo sich heute ein Großteil des Hauses der Hl. Familie von Nazaret befindet.
Seit langer Zeit ehrt die Kirche im Gedenken dieses besonderen Orts die Muttergottes mit den Rufen von Loreto, der lauretanischen Litanei. Deshalb sollen kurze Impulse zu diesen Anrufungen, die per E-Mail wöchentlich an alle Nazaret-Gebetsteilnehmer versandt werden, das gemeinsame Gebet nähren. Diese Betrachtungen werden im ersten Jahr von 52 verschiedenen Priestern und Bischöfen aus dem deutschsprachigen Raum verfaßt. Außerdem begleitet jede Woche eine andere Ordensgemeinschaft die Nazaret-Familien im Gebet.
Natürlich ist diese Gebetsinitiative nicht auf Ehepaare beschränkt, die gewöhnt sind, gemeinsam zu beten. Sie ist auch offen für alleinerziehende oder allein im Glauben stehende
Eltern, die gerne mitbeten oder die Betrachtungen zu den Rufen der lauretanischen Litanei beziehen wollen. Vielleicht wollen auch Großeltern auf diese Weise für ihre Enkel beten...
Der Autor ist Priester der Erzdiözese Wien in der Berufungspastoral. Anmeldung unter www.berufungen.at/nazaret oder bei Nikolaus Haselsteiner 0664-51552 67
Gebet für Karin
Ich möchte von einer freudigen Begegnung berichten. Seit einigen Monaten bete ich in der Angelus Aktion für eine junge Frau namens Karin. Zufällig lernte ich sie vergangene Woche persönlich kennen - und: es war der Tag ihrer Einkleidung in der Gemeinschaft Immaculata in Mödling! Diese Begegnung war für uns beide eine gottgefügte Überraschung, für mich aber eine besondere Freude zu sehen, daß ich mit meinem Gebet mithelfen durfte, daß dieser junge Mensch seinen Weg findet.
Sr. Gabrielis Ratzberger
Die Autorin ist Franziskanerin von der christlichen Liebe in Mayerling