“Wäre das Christentum auch ohne Auferstehung Jesu denkbar?", fragte mich die Regisseurin während einer Jesusdokumentation von RTL in der Grabkapelle Christi, dem Herzstück der Auferstehungskirche von Jerusalem.
Um mit Paulus zu reden", drängte sich mir die Antwort auf, “unser Glaube hätte keinerlei Grundlage, wäre Jesus nicht am Ostermorgen auferstanden. Hier an diesem leeren Grab ereignete sich die Geburtsstunde der Kirche". “Und was bedeutet die Auferstehung für Sie persönlich?", folgte die nächste provozierende Frage.
Jetzt galt es Farbe zu bekennen: “Mein ganzes Leben bekommt erst von der Auferstehung her seinen tiefsten Sinn. Weil die Auferstehung ein Sieg der Macht Gottes über die Macht des Todes darstellt. Deshalb hat für mich der Tod nicht mehr das letzte Wort. Das Sterben heißt nicht mehr Zerfall ins Nichts, sondern Verwandlung zum ewigen Leben." “Und was spricht für diese Auferstehung Jesu von den Toten?", klang die nächste Frage noch lange in meinen Ohren nach. Läßt sich darauf eine überzeugende Antwort finden?
Im Jüngerkreis herrscht nach der totalen Katastrophe auf Golgota alles andere als fieberhafte Erregung, nur Enttäuschung und Angst, bei Thomas pure Skepsis: Jesus auferstanden? - Nein danke! Sie machen sich daran, als Fischer zu ihren alten Netzen zurückzukehren. Um eine Enttäuschung “reicher". Die Emmausjünger stolpern in ihr Dorf zurück. Welche Blamage!
Maria Magdalena ist die erste, der sich Jesus als der auferstandene Herr zu erkennen gibt. Sie will Seinen toten Leib noch ein letztes Mal sehen, Ihn einsalben und dann an dem Ort vielleicht eine Jesusgedenkstätte errichten. Doch das Grab ist leer. Sie denkt nicht im geringsten an eine Auferstehung ihres Herrn. Sie vermutet eher, jemand habe ihn möglicherweise umgebettet.
Sie erkennt Jesus nicht einmal, als Er ihr gegenübertritt. Sie vermutet in Ihm den Friedhofsgärtner. Erst als Er sie anspricht und sie Seine Stimme hört, fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. “Rabbuni!" ruft sie vor Schreck und freudiger Überraschung.
Eine Frau, deren Zeugenaussage in der Antike kaum zählte, wird zur Trägerin der Frohbotschaft. Wir verstehen sehr gut die Reaktion der Jünger, die ihre umstürzende Nachricht als leeres Weibergeschwätz abtun. Trotzdem nagt der Wurm des Zweifels in ihren Herzen. Petrus und Johannes eilen zum Grab. Auch sie finden es leer. Die Leinentücher, in die der tote Körper Jesu gehüllt war, gleichen einer leeren Hülle, aus der “der Schmetterling geschlüpft" war.
In den zerschundenen Leib war neues Leben erwacht, eine Form von verklärtem Sein, das die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Dieser Leib hatte die dicke Wand des Felsengrabes mit dem tonnenschweren Rollstein davor durchdrungen.
Als Christus den immer noch verängstigten Jüngern bei verschlossenen Türen erscheint, müssen sie feststellen, daß sie nicht einen Geist vor sich haben, da er sogar ein Stück Fisch vor ihren Augen ißt. Nachdem er mehr als 500 Brüdern erscheint, dem Kephas und auch dem Jakobus, den beiden Jüngern von Emmaus und anderen, wird ihnen immer mehr klar: Wir sind nicht einer Halluzination zum Opfer gefallen. Vielmehr ist mit der Auferstehung Jesus die messianische Heilszeit angebrochen, ein geschichtlicher Prozeß, wie Gottes Heilswirken zu den Menschen kommt, trotz Dunkelheit und der Macht des Bösen.
Während für die Gegner Jesu dessen Botschaft in einem totalen Fiasko auf dem Müllhaufen der Geschichte endet, machen die Jünger die revolutionäre Erfahrung: Er lebt. Sie entdecken das Kreuz nicht als Scheitern, sondern als Wendepunkt in der menschlichen Geschichte: Gott ist in die Niedrigkeit der Menschheit hinabgestiegen, um sie mit sich emporzuheben.
Seitdem kann kein Mensch mehr tiefer fallen als in die Hände Gottes: “Es ist vollbracht!" Wenn jetzt die Jünger von Jesus als von dem sprechen, den Gott von den Toten auferweckt hat, dann bedeutet das für sie keine theoretische Bekenntnisformel, sondern der Niederschlag ihrer Glaubensfahrung, die wie in einer vierten Dimension alle menschliche Erfahrungen und jegliches Erkennen übersteigt.
Für die Osterzeugen ist Jesus nicht wie vorher in das bisherige Erdenleben zurückgekehrt. Sie wissen, daß der gekreuzigte Jesus jetzt als der erhöhte Christus bei Seinem himmlischen Vater in gottgleicher Existenzweise lebt. Ihr Glaube verzichtet auf protokollarisches Festhalten dieses Geschehens; denn ein detailliertes Wissenwollen wäre nur ein Zeugnis des Unglaubens.
Ihr Osterglaube besteht in der Risikobereitschaft, sich über die eigene menschliche Begrenztheit hinausführen zu lassen in Vertrauen auf den Tod überwindenden Gott.
Dabei fällt eines auf: alle Berichte haben den Geruch des Echten an sich. Aus dem jüdischen Rabbi und Christenverfolger Saulus wird der Völkerapostel Paulus.
Die Apostel sind nun bereit, Verfolgung, Entbehrung und Tod auf sich zu nehmen, um diese Botschaft von der Auferstehung ihres Herrn in die ganze damalige Welt hinauszutragen. Wer gibt schon sein Leben für einen Toten hin?
Unter dem römischen Kaiser Nero werden sie als Brandstifter Roms angezeigt und in einer Art Volkssport zur Belustigung der Massen den wilden Tieren vorgeworfen, gekreuzigt oder als lebendige Fackeln verbrannt. Unerschrocken leben sie aus dem Bewußtsein, daß das Blut der Märtyrer Same für neue Christen bedeutet. Ihre Stärkung ist die Eucharistie, in der sie mit ihrem Herrn ganz eins werden. Deshalb gehen sie mit dem Ruf “ex altare in arenam" in den Tod.
Einer von ihnen ist Ignatius von Antiochien. Er stärkt seine Mitbrüder mit den Worten: “Die Eucharistie ist die Medizin der Unsterblichkeit, das Gegengift gegen den Tod." Und es gelingt ihnen, die mit einer Handvoll ungebildeter Fischer begonnen haben, in den folgenden 300 Jahren das gesamte römische Weltreich von innen her umzukrempeln.
Im Judentum glaubten die Pharisäer an ein Fortleben der Seele nach dem Tod bis zur leiblichen Auferstehung am Ende aller Zeiten. Wenn die Jünger gesagt hätten: “Der Geist Jesu lebt weiter", dann hätten die meisten ihrer Zeitgenossen keine Schwierigkeit mit dieser Aussage gehabt. Nun behaupteten sie. “Er ist wirklich auferstanden! Er lebt!"
Der Auferstandene will von den Menschen erkannt werden. So geschah es bei Maria Magdalena, so erging es den Emmausjüngern, als ihnen erst beim Brotbrechen die Augen aufgingen.
“Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt", sagt Jesus, “das habt ihr mir getan". Jesus hat seit der Auferstehung viele Gesichter. Der römische Soldat Martin von Tours erkennt Ihn im Bettler, mit dem er seinen Mantel teilt. Franziskus entdeckt Ihn in dem Aussätzigen, den er voller Liebe umarmt. Mutter Teresa erkannte Sein Antlitz in den Sterbenden von Kalkutta, denen sie durch ihr Lächeln Hoffnung auf die Auferstehung schenkte.
Unzählige Menschen haben bis heute die Erfahrung gemacht: Jesus starb nicht nur für mich, Er lebt. Ich kann Ihm persönlich begegnen. Als Wilson Charlisle, der Gründer der “Church Army" im Londoner Hyde Park den Menschen zurief: “Jesus lebt auch heute noch!", unterbrach ihn jemand lautstark: “Woher weißt du das?" Lächelnd gab ihm Wilson zurück: “Weil ich heute morgen eine halbe Stunde mit Ihm gesprochen habe!"
Lord Darling, der ehemalige Oberste Richter von England, schrieb einmal: “Dafür, daß dies die lebendige Wahrheit ist, gibt es so überwältigende Beweise, positive wie negative, Tatsachenbeweise wie Umstände, daß kein vernünftiges Gericht der Welt zu einem anderen Urteil kommen könnte als dem, daß die Auferstehung wahr ist."
Der Historiker und Nobelpreisträger Theodor Mommsen bezeichnet die Auferstehung Jesu als “eines der am besten bezeugten Ereignisse der Geschichte".
André Frossard, der bekannte französische Journalist und Atheist, bekennt eines Tages: “Gott existiert. Ich bin ihm unvermutet begegnet. Es war ein Augenblick der Verblüffung, der noch andauert. Ich habe mich niemals an die Existenz Gottes gewöhnt. Um 17 Uhr 10 Minuten war ich auf der Suche nach einem Freund in eine kleine Kirche des ,Quartier latin' eingetreten und verließ sie um 17 Uhr 15 Minuten im Besitz einer Freundschaft, die nicht von dieser Erde war.
Als ein Skeptiker und Atheist der äußersten Linken war ich eingetreten, und größer noch als mein Skeptizismus und mein Atheismus war meine Gleichgültigkeit gewesen: mich kümmerten andere Dinge als ein Gott, den zu leugnen mir nicht einmal in den Sinn kam, so sehr schien er mir längst nur mehr auf das Konto der menschlichen Angst und Unwissenheit zu gehören - ich ging wenige Minuten später hinaus als ein ,katholischer, apostolischer, römischer' Christ, getragen und emporgehoben, immer von neuem ergriffen und fortgerissen von der Woge einer unerschöpflichen Freude.
Ich war 20 Jahre, als ich eintrat. Als ich hinausging, war ich ein zur Taufe bereites Kind, das mit weit aufgerissenen Augen die Welt betrachtet, den bewohnten Himmel, die Stadt, die nicht ahnte, daß sie ihre Fundamente in die Luft gebaut hatte, die Menschen im prallen Sonnenlicht, die in der Dunkelheit zu gehen schienen, ohne den ungeheuren Riß zu sehen, der soeben den Vorhang dieser Welt geteilt hatte. Meine Gefühle, meine innere Welt, meine Gedankengebäude, in denen ich mich schon häuslich eingerichtet hatte, waren nicht mehr da, selbst meine Gewohnheiten waren verschwunden, mein Geschmack verwandelt."