Vor einigen Jahren lud mich ein Kaplan zum Einstudieren eines Musicals ein, das im Rahmen eines Jugendtreffens in Altötting stattfinden sollte. Das Treffen und die neue geistliche Gemeinschaft Emmanuel, die es organisierte, waren mir sehr suspekt. Ich bezweifelte damals, daß der “liebe Gott" meines Kinderglaubens existierte. Daher war es für mich auch nicht notwendig, mich jede Woche in der Messe zu langweilen. Meine Beziehung zu Gott war eher distanziert, die Messe Pflichterfüllung, um meine Großeltern und Eltern nicht zu enttäuschen. So lebte ich mein Christ-Sein.
Der Gedanke, mal wieder auf der Bühne zu stehen und mit anderen feiernd die Abende in Biergärten zu verbringen, reizte mich jedoch sehr. So meldete ich mich für das Musical an und fuhr nach Altötting. Neben vielen Proben waren allerdings auch Heilige Messe, Morgenlob und eucharistische Anbetung feste Bestandteile jeden Tages.
Ich brauchte etwas Zeit, um in dieses ungewohnte Leben hineinzufinden, konnte mich aber zunehmend für das Beten öffnen. Besonders beeindruckt hat mich die Freude der anderen im Morgenlob. Die tägliche heilige Messe, in der während der Predigt auch mal herzlich gelacht werden durfte, sprach mich auch an. Und obwohl die eucharistische Anbetung für mich sehr fremd war, beeindruckte mich dennoch die tiefe Erfurcht der anderen vor diesem runden “Stückchen Brot". Doch mich auf Gott richtig einlassen, das konnte ich nicht.
Im Musical hatte ich eine größere Rolle ergattert, auf die ich mich konzentrierte. Außerdem hatte ich viele nette Leute kennengelernt, mit denen ich meine Zeit verbrachte. Die Niedergeschlagenheit nach der Aufführung des Musicals darüber, daß ich Teile meines Textes vergessen hatte, währte nicht lange: Mit Wut und Enttäuschung über mich selbst hatte ich mich während der Premierefeier in die Kapelle verzogen, war dort aber nicht lange allein. Als mich unsere Soufleusse fand und tröstete, begriff ich, daß niemand sauer auf mich war, obwohl ich mein Lied ziemlich verhaut hatte. Daraufhin ging es mir wieder besser und ich beschloß, beim anschließenden Jugendforum zu bleiben.
Am letzten Abend zogen alle Besucher des Treffens mit Fackeln in die Basilika von Altötting ein. Die Monstranz mit dem Allerheiligsten wurde ausgesetzt, ruhige Musik angestimmt und es herrschte eine dichte Gebetsatmosphäre. Ein Priester zog mit dem Allerheiligsten durch den Mittelgang und segnete die Anwesenden. Als er in meiner Reihe stehen blieb und ich die Monstranz aus allernächster Nähe anschauen konnte, war ich sehr bewegt. In diesem Moment wußte ich: Ja, klar! Das ist Jesus Christus, und Seine Liebe und Barmherzigkeit ist größer, tausend Mal größer als mein Versagen und meine Schwachheit. Das war nicht mehr nur ein Stückchen Brot, sondern der lebendige Gott! Eine Freude erfüllte mich, die ich heute kaum beschreiben kann.
An diesem Abend bot sich auch die Gelegenheit zur Beichte. Das erste und letzte Mal, daß ich gebeichtet hatte, war vor meiner Erstkommunion. Jetzt war alle Angst vor dem Sakrament vergangen und ich hatte den tiefen Wunsch, mich mit Gott zu versöhnen. Meine Beichte war ein Befreiungsschlag. Kurz nach Mitternacht setzte ich mich in mein Auto und fuhr die 850 Kilometer nach Münster zurück, wo ich im Morgengrauen ankam.
Was ich in Altötting erlebt hatte, wollte ich unbedingt vertiefen. Immer mehr habe ich versucht, mich mit Gott auseinanderzusetzen, im Gebet wie auch im Alltag. Heute befinde ich mich mitten im Studium zum Religionslehrer und bin froh, einen Weg gefunden zu haben, der mir erlaubt, ganz konkret mit Gott weiterzugehen.
Ulrich Hagemann
Altötting 2005
Vom 11. bis 15. August organisiert die Gemeinschaft Emmanuel heuer zum 10. Mal ein internationales Jugendforum in Altötting und drei weitere Foren in Kevelaer, Paray le Monial und Wadowice, zu denen 8000 Jugendliche erwartet werden. Diese Foren finden im Vorfeld des Weltjugendtreffens in Köln statt und bilden das Vorprogramm zu diesem Ereignis. Anliegen der Gemeinschaft ist es, den Jungen durch Vorträge, Eucharistie, Liturgie, Zeugnisse und Musik ein Erlebnis lebendiger Kirche zu ermöglichen, den Rahmen für eine persönliche Begegnung mit Christus.
Kontakt: Gem. Emmanuel WJT-Büro, Kolbergstr. 4, D-84503 Altötting, Tel.: +49 8671 500 37 12, sekretariat@wjt-emmanuel.de