VISION 20003/2005
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Habemus papam, halleluja!

Artikel drucken Rom, im April 2005: Aufbruch einer jungen, betenden feiernden Kirche (Von Christof Gaspari)

Man habe das Gefühl, die ganze Welt sei katholisch geworden, schrieb Helmut Matthies, Geschäftsführer der evangelischen Nachrichtenagentur idea unter dem Eindruck der öffentlichen Reaktionen auf den Tod von Johannes Paul II. und dessen medialen Echos.

Tatsächlich dürften viele hunderte Millionen Menschen via Fernsehen die Ereignisse des Monats April miterlebt haben: Tod und Begräbnis des alten Papstes sowie Wahl und Inauguration des neuen als Medienhits mit hohen Einschaltquoten - eine Erfolgsstory nach heutigen Kriterien. “Wir sind Papst", titelte die Bild-Zeitung.

Also wirklich alles katholisch? Keine Spur. Die Fronten in der Kirche bleiben uns erhalten, was sich in diversen Diskussionsrunden nach der Papstwahl nur allzu deutlich gezeigt hat. Und auch in privaten Gesprächen wurde deutlich, daß das Kondom-Verbot auch für Afrika, der Ausschluß der Frauen vom Weiheamt und viele andere katholische Positionen weiterhin auf Unverständnis stoßen.

Und dennoch war dieser April 2005 ein großes Zeichen des Aufbruchs der katholischen Kirche - und zwar primär deswegen, weil man sie nicht in Diskussionen verstrickt, sondern als lebendige Gemeinschaft erlebt hat: ein Papst, der einer Welt, die panische Angst vor dem Tod hat, vorlebt, wie man als Christ stirbt, der an seinem letzten Tag den Gläubigen sagen läßt: “Ich bin heiter, seid ihr es auch" und in dessen Leiden somit schon ein Schimmer jener endgültigen Freude durchscheint, auf die der Christ zugeht; Menschen, die trauern, ohne zu verzweifeln, die mitleiden, ohne den Mut zu verlieren, ja in deren Trauer sogar Trost und Freude spürbar wird; junge Leute aus aller Herren Länder, die aus Liebe zum Papst Opfer und Strapazen auf sich nehmen, die sich stundenlang anstellen, um Abschied von einem Toten zu nehmen; ein Kollegium von 115 Kardinälen, das sich in Rekordzeit und mit überwältigender Mehrheit auf einen Nachfolger Petri einigt; eine unüberblickbar große Menge von Menschen, die sich dankbar über die Wahl eines Papstes freut, den viele Medien als “Panzerkardinal" und reaktionären Hüter überholter Vorschriften verkannt haben; Gläubige, die eine herzliche Zuneigung zu jenen Männern äußern, die so oft als herrschsüchtige Hierarchen verschrieen werden...

Vor den erstaunten Augen der Welt ist da eine Kirche sichtbar geworden, von der die meisten Menschen nichts mitbekommen: Sie ist jung, sie betet, sie nimmt Opfer auf sich, sie feiert und strahlt Freude aus, ohne sich aufputschen zu müssen, sie hat keine Hemmungen, sich öffentlich zum Glauben zu bekennen, sie beichtet und sie nimmt dankbar die Wegweisungen an, die alles andere sind als die Lockangebote von Werbung und Politik.

Diese Kirche gibt es natürlich seit langem. Wir versuchen, sie ihm Rahmen unserer Möglichkeiten sichtbar zu machen. Bei Weltjugendtagen, Stadtmissionen, Heiligsprechungen, bei den großen Treffen im Heiligen Jahr, in Medjugorje, in Lourdes, Guadalupe... konnte man sie schon bisher erleben. In diesem Monat April aber ist sie in einer neuen Form präsent geworden. Ich möchte fast sagen: Die Ereignisse der letzten Wochen sind so etwas wie der endgültige Startschuß zur Neuevangelisierung, insbesondere des reichen Westens. Das zu behaupten, tut dem Werk Johannes Paul II. in keiner Weise Abbruch. Im Gegenteil: Er hat die Neuevangelisierung auf die Schienen gesetzt und wird sie jetzt als mächtiger Fürsprecher im Himmel auf Touren bringen.

Denn daß Johannes Paul II. als Heiliger gestorben ist, hat Kardinal Ratzinger ja schon bei der Totenmesse für seinen Vorgänger angedeutet und die Teilnehmer an diesem Gottesdienst haben es mit ihren Rufen: “Santo subito!" ebenfalls zum Ausdruck gebracht. Und in der Person von Papst Benedikt haben wir einen Hirten, der wie kein zweiter das geistige Terrain, in dem sich dieser Neuaufbruch abspielen wird, und die Herde, die sich da auf den Weg machen soll, gut kennt.

Wie anders steht die Kirche doch heute da als beim Tod von Paul VI. Man vergleiche nur das von vier Millionen Pilgern überschwemmte Rom bei der Totenmesse für Johannes Paul II. mit dem nur mehr als halbvollen Petersplatz beim Begräbnis von Paul VI. Weltweit ist außerdem sowohl die Zahl der Priester wie auch jene der Seminaristen deutlich gestiegen. Die Teilkirchen in Afrika, Lateinamerika und in manchen Teilen von Asien blühen. Das übersehen wir hier in Europa nur allzu leicht, weil wir uns in endlosen Diskussionen über Fragen, die längst beantwortet sind verstricken und damit jeden Elan verlieren.

Doch auch hier zeichnet sich eine Wende ab: Die in Rom sichtbar gewordene Kirche zieht mit einer bemerkenswerten Gelassenheit, unaufgeregt an der innerkirchlichen Kritik vorbei. Sie hört sie zwar, nimmt sie zur Kenntnis, aber läßt sich nicht mehr verunsichern, weil sie erfahren hat, daß ein Leben mit Jesus Christus die Antwort schlechthin auf die Probleme unserer Zeit ist. Und damit wirken die immer wieder aufgewärmten Einwände fast wie Relikte aus der Vergangenheit, wie Proteste einer Bewegung, die sich schon überlebt hat, ohne es zu merken, weil ihr die Bühne der Medien noch Auftritte gewährt.

An dieser Stelle sei betont, daß ich keineswegs die vielen Krisen übersehe, mit denen Kirche und Gesellschaft konfrontiert sind. Gerade weil es so viel Bedrohung gibt, scheint es mir aber wichtig, den Blick für das Rettende, das in Rom sichtbar wurde, zu schärfen.

Und noch etwas ist mir in diesen letzten Tagen bewußt geworden: Wie entscheidend wichtig der Petrusdienst ist. Es bedarf eines Menschen, der unsere Einheit als Christen personifiziert und der diese weltweite Gemeinschaft in ihrer Vielfalt von Kulturen, Völkernund Sprachen zusammenhält. Gerade in unserer verwirrten und verwirrenden Zeit mit ihren vielfältigen Verlockungen und Irreführungen ist dieser Dienst der einheitlichen Wegweisung so besonders wichtig.

Nun ist aber für jedermann einsichtig, daß dies die Kräfte auch des begabtesten Mannes überfordert. Und daher kann eine solche Aufgabe nur jemand übernehmen, der sich von Jesus Christus zu ihr berufen fühlt und sie im Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes ausübt. Genau diese Haltung hat den Amtsantritt Papst Benedikt XVI. geprägt.

PS: Weil dieser Artikel in der Osterzeit entstanden ist, schließe ich freudig, so wie ich begonnen habe: mit einem Halleluja!

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