VISION 20003/2005
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Abschied von Johannes Paul dem Großen

Artikel drucken Trauer um einen Papst, der auch durch sein Leiden die Kirche ins 3. Jahrtausend geführt hat

Und so fing diese entscheidende Zeit an: Nach jahrelangem, tapfer ertragenen Leiden ist Papst Johannes Paul II. heim zu seinemhimmlischen Vater gegangen. Im folgenden der Bericht eines deutschen Romkorrespondenten und Bewunderer des Papstes:

Das war die Stunde Karol Wojtylas, das ist sein Tag: das letzte Fest Johannes Paul II. Der “Samstag vom Herzen Mariens" ist gerade zu Ende gegangen, der nach dem Sonnenwunder von Fatima dem Kalender eingegliedert wurde. Jetzt ist die Sonne untergegangen; zehntausende sind auf den Platz geströmt, seit Stunden schon. Gesichter, so weit das Auge reicht, die alle gebannt zum schwachen Licht hinter dem Fenster da oben in dem Palast schauen und nach vorne, auf die Kuppel des Petersdoms und das blaß erleuchtete Mosaik Marias, der “Mutter der Kirche", das dieser Papst über Berninis Kolonnaden hat anbringen lassen.

Aus aller Welt sind Menschen unter dieses Fenster geströmt, wohl über hunderttausend. Keiner hat sie gerufen, die nun alle zusammen hier nur noch einmal am Lieblingsgebet des Papstes weiterweben: “Ave Maria, gratia plena..." Inzwischen hat der Barmherzigkeitssonntag begonnen. Im Zimmer des Papstes hat sein Freund die Messe nach jener Festliturgie gefeiert, die Johannes Paul II. selbst für den Tag eingeführt hat, seit er die Nonne Faustyna Kowalska heilig gesprochen hat.

Vorhin hat der Privatsekretär ihm noch einmal die letzte heilige Kommunion (als Wegzehrung) gereicht, danach die Stirn, Hände und Füße gesalbt. Noch einmal versuchte Johannes Paul seine Hand zum Segen zu erheben, noch immer lauschte er unserem Gebet aus der Tiefe. Als wir ans Ende gekommen waren, hauchte er mit letzter Kraft ein “Amen" und starb.

Mein Telefon klingelte. “Der Papst ist tot!", sagt meine Tochter. Vor dem erleuchteten Portal des Petersdoms geht Erzbischof Sandri ans Mikrophon: “Um 21.37 Uhr ist unser Heiliger Vater in das Haus des Vaters zurückgekehrt." Applaus ist das erste, womit die Menschen auf dem Platz auf die Nachricht reagieren, ein enormer Applaus - bevor im linken Campanile die Andreas-Glocke schwer und traurig zu schlagen beginnt und alle Pilger und Römer mit einem neuen Rosenkranz beginnen.

Applaus unterbricht das Gebet jedes Mal von neuem, sobald ein Bild des Papstes auf vier großen Bildschirmen links und rechts am Kopf des Petersplatzes erschien. Links und rechts von seinem alten Fenster leuchten plötzlich sechs andere Fenster im obersten Stock des Palastes auf. Johannes Paul der Große ist gestorben. Der Applaus will bis jetzt nicht verhallen; die Heiterkeit will kaum weichen, die sein Sterben begleitet hat.

Paul Badde

kath.net am 3. April 2005


Ein Vorbild im Tragen des Leids

Für Karin Struck - sie leidet an Krebs (S. 22-23) - war das Vorbild des leidenden Papstes eine große Stärkung und Hilfe. Ihre Aussagen wurden vor dem Ableben Johannes Paul II. gemacht.

Es ist einmalig, daß jemand so zu seinem Leiden steht wie Papst Johannes Paul II. Für jemanden, der leidet, ist das sehr ermutigend. Ich wünsche mir, daß die Art, wie er das Leiden annimmt, vielen, so wie mir ganz viel Mut vermittelt. Dabei nimmt er sein Leiden ja durchaus nicht kampflos an. Gerade als man mir eröffnete, daß ich Krebs hätte, habe ich erfahren, daß der Papst mit einem neuen Physiotherapie-Programm begonnen hatte. Das hat mir gezeigt, daß er nicht kampflos aufgibt, sondern daß er etwas gegen sein Leiden unternimmt. Er ist ja wie ich ein Kämpfer und keineswegs ein Masochist.

Seine Haltung ist vor allem deswegen glaubwürdig, weil er aus seiner Christusnähe ausharrt. Er bezeugt damit nicht nur durch ein Lippenbekenntnis oder eine Sonntagsrede, sondern durch seine ganze Person, von der Zehe bis zur Haarspitze, wie er das kranke, schwache, behinderte menschliche Leben ehrt, schätzt - und als zum Leben gehörig und christusnah ansieht. Genau das demonstriert er mit seiner Haltung.

Würde er sich ins letzte Zimmer eines Luxusaltersheims - er sagte einmal humorvoll, es gäbe keine Altersheime für Päpste - zurückziehen, um sich der Welt nicht mehr zuzumuten, so wäre das genau die heidnische Reaktion, das, was die Menschheit zu praktizieren versucht: Sie redet den alten Menschen ein, sie dürften sich der Welt, ihren Kindern nicht zumuten. Der Papst führt uns vor Augen, daß dies Unsinn ist.

Der Weg ist, daß ein leidender, ein schwacher Mensch allein durch seine Präsenz den anderen unendlich viel beibringen kann. Ein gesunder “Erfolgsheini" kann das ja gar nicht. Die vielen Menschen, die jetzt topgesund, toperfolgreich sind, monatlich 10.000 Euro auf dem Konto haben - was machen die, wenn plötzlich die Katastrophe kommt? Sie haben dann sehr viel zu lernen. Und lernen können sie das dann nur von jemandem, der die Schwäche - und das Alter akzeptiert.

Ja, denn auch die Ehrung des Alters ist in unserer Gesellschaft ganz verlorengegangen. Man kann doch den Menschen nicht danach einschätzen, ob er gut hören, ob er sich gut artikulieren kann. Ich finde es schäbig, wenn die Leute sich darüber aufhalten, wenn seine Stimme schwach ist. Was soll das?

Die Welt wäre wohl tausendmal heiler, wenn manche Unternehmen von solchen schwachen, kranken, geistig so hochstehenden Menschen geleitet würden.

Karin Struck


Mit großer Milde erduldet

Der Papst hat diese Erfahrung mit Würde, Hingebung und im Schweigen erlebt, ohne etwas zu verbergen. Er hat ein wunderbares Beispiel gegeben, wie sich ein Mensch, ein Papst, im Moment des Übergangs den Armen des Herren anvertraut. Der Papst war von einem unerschütterlichen Glauben, gegen den sich auch der tiefste Schmerz nicht behaupten konnte. Was für eine Lebenslehre! Was für ein Papst! Für mich war es ein Privileg und ein Geschenk, ihm bis zuletzt dienen zu können. Er wird mir fehlen, wie er Millionen und Abermillionen von Menschen auf der ganzen Welt fehlen wird.

Für mich und meine Kollegen war dies eine professionelle und menschliche Lehre ohne Gleichen, für die ich der göttlichen Vorsehung niemals genug danken kann. Der Papst ist langsam und unter großen Qualen gestorben, die er mit großer menschlicher Würde erduldet hat. In einigen Momenten erschien er mir in seinem Leidensbett wie Jesus Christus am Kreuz. Er hat alles mit Ruhe, ich würde sagen: mit väterlicher Milde, erduldet. Er war immer all jenen dankbar, die er um sein Bett sah.

Renato Buzzonetti

Der Autor, der persönliche Arzt des Papstes, zitiert in Kath.net v. 6.4.05


Dein Vorbild macht uns Mut

In Dankbarkeit schauen wir auf Dein Pontifikat zurück, in dem Du uns, Deiner Herde, als guter Hirte gedient hast! Deine Unterstützung für unser Anliegen - das Recht auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod - gab uns Mut und vor allem eine Grundlage, auf die wir uns berufen können.

Du warst uns Vorbild in Deinem unermüdlichen Einsatz für das Leben. Deine Enzyklika Evangelium Vitae bildet die geistliche Basis unseres Einsatzes. Immer wieder ließen wir uns von Deinen Verlautbarungen, in denen Du den Schutz des ungeborenen Lebens oft betont hast, erneut ermutigen.

Während Du am Samstag Deinem Tode entgegengingst, starben im Salzburger Landeskrankenhaus ungeborene Kinder. Erstmals fanden in dieser Heilanstalt Abtreibungen statt. Monate zuvor schon begann unser Ringen um die Achtung der Menschenwürde in diesem Bundesland. Viele feindeten uns an. Umso mehr schöpften wir Kraft aus Deinem letzten Brief an die Österreichische Nuntiatur, in dem Du Deine Übereinstimmung mit unserem Einsatz für das Leben ausdrückst. Du hast ihn aus der Gemelli-Klinik geschrieben. (...) Über uns Jugendliche sagst Du: Es ist beglückend festzustellen, daß gerade junge Menschen sich hierfür einzusetzen bereit sind.

An jenem vergangenen Samstag, Deinem Todestag, entzündeten wir bei unserer Mahnwache vor dem Landeskrankenhaus Kerzen für die sterbenden Ungeborenen. Unsere Kleidung, unsere Fahnen, unsere Transparente waren schwarz - für uns war Trauertag. Beim Abendessen mit einigen anderen Jugendlichen erreichte uns schließlich die Nachricht von Deinem Tod.

Um unsere Gebete mit dem erwarteten traditionellen Glokkenläuten zu vereinen, machten wir uns auf den Weg zum Salzburger Dom. Das Glockenläuten blieb aus. Daher spielte Christoph, aus dessen Trompete wenige Stunden zuvor Trauerlieder am Landeskrankenhaus tönten, nun für Dich das Lied: “Ich hatt' einen Kameraden, einen besser'n find'st du nit." Ein Klagelied, das über viele Häuserreihen hinweg von unserer Traurigkeit kündete!

Hinter uns sammelten sich schnell weitere Trauernde, die vor verschlossenen Kirchentüren in Dein Lieblingsgebet, den Rosenkranz, einstimmten - in der stillen Hoffnung, die Trauertöne der Trompete und unsere Gebete brächten die Tore ins Wanken. Tatsächlich öffnete man uns kurz darauf wortlos den Dom und die Bischofskirche zu Salzburg nahm die schwarze wartende Schar in sich auf.

Auch schien es, als hätte unsere Trauertrompete die Sterbeglocken wieder zum Läuten gebracht - fast 15 Minuten trauerte nun der ganze Chor der Domglocken mit uns und ermahnte Salzburg zum Gebet für Dich.

Mindestens 150 Leute kamen zur späten Stunde in die Bischofskirche, um von Dir Abschied zu nehmen. Bei den Gebeten des Barmherzigkeitsrosenkranzes und der Trauergebete sowie der Lieder “Segne Du Maria", “Großer Gott, wir loben Dich" und “Näher, mein Gott, zu Dir" weinten viele Gläubige über ihren geliebten Papst.

Zum Abschluß bildeten wir mit unseren mitgebrachten Kerzen einen Sternenkranz um den Marmorstein, wo die Inschrift mit Deinem Namen unter der Domkuppel verewigt wurde. Nach einer Stunde wurde die Trauerversammlung beendet. Dieselben Kerzen, die tagsüber für die toten Ungeborenen am Krankenhaus brannten, leuchteten nun für Dich auch während der Hl. Messe am Sonntag der Barmherzigkeit vor dem Altar der Kirche - für Dich, der Du ihr unermüdlicher Beschützer warst!

Was Du auf unserem Weg für uns warst, wird uns erst jetzt richtig bewußt. Dein Ponitfikat begann vor unserer Geburt. Für viele von uns warst Du “Die Kirche", der Fels, auf den unsere Hoffnung gegründet ist: Unerschütterlich hast Du das Leben von Ungeborenen, Kranken und Behinderten gegen die Angriffe des Bösen verteidigt. Dein Vorbild gibt uns Mut und Kraft, auch nach Deinem Tod für eine Kultur des Lebens einzutreten. Du hast das Evangelium Vitae selbst gelebt!

Requiescat in Pace!

Deine Jugend für das Leben


Er hat uns geliebt

Johannes Paul II., das Jugend-Idol, ist tot. Ein Idol von 84 Jahren. Krank, gelähmt zuletzt und zudem Vertreter einer Welt, die Jugendlichen normalerweise eher verdächtig ist, der Welt der Autoritäten, der Mächtigen. Derjenigen, die für die Jungen oft kein Ohr und kein Auge haben. Auf dem Petersplatz treffen Pfadfinder, katholische Jugendgemeinden, linksalternative Gruppen aufeinander, egal, ob sie mit Peace-Aufnähern, Tattoos, Dreadlocks oder gelb-blauen “Scout"-Uniformen gekommen sind.

Sie skandieren “Gio-van-ni Pao-lo" im Chor. So rufen sie ihn, als sei er einer von ihnen, im Chor, im Sprechgesang wie im Fußballstadion. Seit Freitagabend bildet das Rufen und das rhythmische Klatschen der Jugendlichen eine Klangkulisse, die nach Maßgabe von Erwachsenen eher wenig nach Respekt klingt, erst recht nicht nach Andacht im Moment des Todes. Und doch dauert es keine zwei Stunden nach dem Tod von “Wojtyla", bis der Ruf auf dem Platz wieder erschallt. Hinauf zu den Fenstern, die immer noch leuchten, über den Platz hinaus in die Stadt, aus der nun zigtausende Jugendliche, alarmiert per SMS, herbeiströmen, um mit den Altersgenossen, den Eltern und all den Fremden zu beten, zu singen, sich still an den Händen zu halten. Oder eben wieder gemeinsam auszurufen: “Gio-van-ni Pao-lo" - lachend, unter Tränen.

Was hat er für sie getan, dieser Papst? “Es ist ganz einfach", sagt ein Mädchen, “er hat uns Jugendliche geliebt. Er war offen für uns, für die Jugend der Welt." Ein anderes Mädchen ergänzt: “Unsere Sprechchöre haben ihn nicht gestört, im Gegenteil, sie haben ihn begeistert." Auch immer wieder auf den Weltjugendtreffen. (...)

Doch die Auftritte des Papstes auf Massenveranstaltungen für Jugendliche sind es nicht allein. “Er hat sich nicht im Vatikan verschanzt, er war völlig anders als alle anderen Päpste", sagt eine junge Frau. Antonella heiße sie, stellt sie sich vor und fügt hinzu, sie sei “so alt wie Johannes Paul II." Sie lacht. Sie sei geboren am Tag, als aus Karol Wojtyla der Papst wurde, erklärt sie stolz.

Antonella sitzt neben Andrea, einem 23jährigen Pfadfinder aus Norditalien, der sich am Freitagabend spontan mit Rucksack und Schlafsack nach Rom aufgemacht hatte wie Antonella, Monica, Samantha und Silvia aus Mailand und anderen Städten. “Er war ein Vater für uns, ein Bruder, Freund für uns alle", sagt Andrea. Auf dem Platz saßen sie plötzlich alle nebeneinander und sangen gemeinsam. Nun sind sie Freunde. Andrea findet: “Der Papst ist ein Pastor im besten Sinne, ein Schäfer. Schauen Sie uns an - solche Freundschaften sind sein Werk, sein Vermächtnis, das ihn überleben wird." Im ersten Schock nach der Todesnachricht überwiegen bei den Jugendlichen auf dem Platz diese Gedanken, sie fühlen sich traurig, aber aufgehoben. Um so mehr, seit bekannt wurde, daß der Papst seine letzten Worte an die Jugend gerichtet hat: “Ich habe euch gesucht. Jetzt seid ihr zu mir gekommen. Und ich danke euch."

Uta Keseling

Auszug aus Die Welt v. 4.4.05


Ich wollte ihn noch einmal sehen

Als Kind und als Jugendlicher bin ich zwar regelmäßig in die Kirche gegangen, aber der Papst hat mir nichts bedeutet. 1990 habe ich eine Bekehrung erlebt. Von da an hatten wir jedes Jahr ein großes Jugendtreffen in Pöllau. Dort stand das Thema, das der Heilige Vater für den Weltjugendtag gegeben hatte, jeweils im Mittelpunkt des Treffens. Seit damals ist mir die Lehre der Kirche, sind mir die Aussagen des Papstes wichtig geworden. Ich habe mitgehört und gestaunt, habe viele Enzykliken gelesen und konnte aus den Aussagen des Heiligen Vaters sehr viel für mein eigenes Leben mitnehmen.

In diesen Jahren habe ich eine wachsende Liebe zum Heiligen Vater entwickelt. Die schönste Begegnung mit ihm war 1998, als er das letzte Mal in Österreich war. Michi, meine Frau, und ich, waren damals mit der 6 Monate alten Theresia im Salzburger Dom, als er eingezogen ist. Ich habe ihm die kleine Tochter entgegengestreckt und er hat sie geküßt und uns als Familie gesegnet - ein sehr berührender Moment! Michi hat geweint und ich war den Tränen nahe. Obwohl er damals schon recht schwach war, hat er doch viel Kraft ausgestrahlt.

Für mich waren die letzten Wochen sehr schwer. Ich habe immer noch gebetet, daß er nach Köln kommen möge. Das war meine große Hoffnung. Dennoch bin ich jetzt nicht enttäuscht.

Nach der Nachricht von seinem Tod habe ich am Samstag, den 2. April einen Flug nach Rom gebucht. Einerseits wollte ich ihn einfach noch einmal sehen und mich von ihm verabschieden und andererseits wollte ich eine Wallfahrt zu einem Heiligen machen. Wenn ein Heiliger stirbt - und er ist das für mich - dann weiß man, daß an diesem Ort viele Gnaden sind. Man denke an die Wallfahrten zu P. Pio. Ich habe unseren ältesten Sohn, den vierjährigen Maximilian, auf die Pilgerfahrt mitgenommen.

Es war eine wunderbare Begegnung. Mir ist folgendes bewußt geworden: Wenn jemand stirbt, dann ist die Tür zum Himmel einen Moment lang einen Spalt offen. Dann kann man in dieses Licht hinüberschauen. Man merkt: Vor uns ist ein ewiges Leben. Und vom Heiligen Vater hatte ich den Eindruck, daß er sogar eine Zeitlang den Fuß in diese Tür gestellt hat. Für mich war es eine Begegnung mit dem Auferstandenen - es war ja auch die Zeit, in der wir über die Begegnungen mit dem Auferstandenen in der Kirche gehört hatten.

Als er so aufgebahrt da lag, sah ich zwar einen Mann, bleich und leblos. Und dennoch spürte ich, wieviel Leben da ist. Und so konnte ich ihm all die vielen Anliegen und Sorgen, die ich mitgebracht hatte, vertrauensvoll übergeben. Er war und ist für mich ein ganz wichtiger Mensch, ein Heiliger.

Robert Schmalzbauer


Rom: Eine ganze Stadt feiert Messe

Trotz Abratens bin ich mit einigen Studierenden mit dem ÖBB-Sonderzug zum Papstbegräbnis gefahren. “Ihr werdet nichts sehen!" “Es gibt ein Chaos in Rom!" “Ihr werdet zu spät ankommen!" Das waren nur einige der Einwände gegen die Reise unserer Studentengruppe, die ich im Vorfeld des Papstbegräbnisses zu hören bekommen habe.

Erste freudige Botschaft: Wir kommen relativ pünktlich am Bahnhof Termini am Morgen des 8.April an. Freiwillige Helfer begrüßen uns freudig: “Benvenuti! Willkommen! Braucht Ihr Hilfe? Da habt ihr meine Telefonnummer, gebt mir eure, damit ich euch verständigen kann, wenn die Rückfahrt sich verzögert."

Wir teilen uns in Gruppen: Vier Studenten schaffen es fast rechtzeitig bis zum vordersten Teil des Petersplatzes. Ich kann ihre Überzeugung, daß sie das wirklich erreichen werden, nur bewundern! Viele gehen mit mir zur Kathedralkirche des Bischofs von Rom, zur Lateranbasilika.

Noch nie habe ich diese riesige Stadt so ruhig, ja gesammelt erlebt: kein Individualverkehr, keine Mopeds, kein Huppen, keine Hektik, Büros und Schulen geschlossen, nur einige Taxis und Busse. Auf dem großen Platz vor der Basilika mit ihrer mächtige Fassade und mit der beeindruckenden Franziskusstatue, die betend beide Hände zum Himmel erhebt, haben sich ca. 100.000 Menschen versammelt. Große Bildschirme und gute Lautsprecher geleiten uns geistig mit ihren Bildern, ihrer Musik und ihren Kommentaren durch die Feier des Requiems. Von 10 bis 13 Uhr scheint die Stadt still zu stehen.

Wir werden zu einer unüberschaubaren Gemeinschaft, die dankt, bittet, trauert, die aber auch ein besonderer Frieden, eine Zuversicht und der gemeinsame Glaube, daß Jesus die Auferstehung und das Leben ist, zusammenhält. Als am Ende des Requiems der Sarg mit den sterblichen Überresten von Johannes Paul II in den Petersdom getragen wird, begleitet ihn 10 Minuten Applaus zur Grabstätte - eine für mich unvergeßliche Zeit. Viele (Alle?!) haben Tränen in den Augen!

Am Nachmittag spazieren wir durch die Innenstadt, die Menschen sprechen miteinander, Eindrücke und Erlebnisse mit dem Heimgegangenen werden über Sprachbarrieren hinweg ausgetauscht. Vor dem Petersdom beten wir das Glaubensbekenntnis und sind voll Zuversicht, daß der Heilige Geist die Kardinäle in der Wahl erleuchtet und führt.

Unzählige freiwillige Helfer und die ganze Stadtverwaltung Roms haben eine großartige Arbeit geleistet! Ein ganz großer Dank an sie alle für ihren überwältigenden Einsatz und ihre christliche Gastfreundschaft.

Erfüllt von 11 Stunden Rom und müde, fahren wir nach Wien zurück. Planmäßig, auf die Minute genau, steigen wir am Südbahnhof aus und jeder geht mit einem großen Frieden im Herzen nach Hause, an seine Arbeit, zu seinem Studium, zu seinen Freunden, Verwandten. Ubi Petrus, ibi ecclesia: Wo Petrus, da ist Kirche.

Konstantin Spiegelfeld

Der Autor ist Universitätsseelsorger in Wien.


Ja, segne uns, Heiliger Vater!

Großes Aufatmen am Freitagnachmittag in Rom. Spürbare Erleichterung herrscht nach dem Begräbnis des Jahrtausends. Alle gehen wieder heim, die römischen Jugendlichen, jene aus Wadowice und Warschau und die anderen aus Chicago. Sie haben zusammen mit vielen Altersgenossen aus Europa und der ganzen Welt am Donnerstagabend bei einer Gebetsvigil in der Basilika San Giovanni in Laterano gezeigt, daß die Ära Johannes Paul II. nicht vorbei ist. Dieser Papst hat mein Leben verändert - das sagte nicht nur einer bei diesem Treffen. Dieser Papst ist ein Heiliger, klang aus den Sprechchören, die immer wieder aufbrandeten. “Santo, santo..." Es wurde jedoch nicht nur gejubelt. Ein junger Mann ließ aufhorchen. Paßt auf, wandte er sich an die Bischöfe und Priester - dieser Papst war so heilig, und wir werden euch an seiner Heiligkeit messen. “Ihr müßt auch heilig sein!"

Johannes Paul II. hat einen guten Boden für die Zukunft der Kirche bereitet. Seine Saat ist aufgegangen. Er hat den Jugendlichen vorgelebt, was es heißt, Christus zu lieben. Er hat sein Leben nicht aufgespart, hat nichts zurückgehalten, sondern furchtlos investiert, wie Kardinal Ratzinger beim Trauergottesdienst betonte.

Die Jugendlichen haben geantwortet. Sie sind zahlreich zurückgekehrt auf den Petersplatz. Zu dem Mann, der ihnen sagte: Macht keine halben Sachen! Habt keine Angst! Die Kirche braucht euch! Glaube und Vernunft sollen die beiden Flügel sein, die euch zur Erkenntnis der Wahrheit führen! Dieser Mann lag heute im hellen Holzsarg vor dem Altar am Petersplatz.

Er fehlte. Fehlte er? Der gebrechliche Greis war nicht mehr da, die heisere Stimme, das Husten ins Mikrofon, zuletzt nur mehr der schweigende Segen des “Urbi et Orbi". Dieser Johannes Paul II. fehlte. Ein anderer war da. Der “Santo Padre" war auf der Piazza, so wie die Sonne und die bunten Fahnen. Er feierte mit. “Wir können sicher sein, daß unser geliebter Papst nun am Fenster des Hauses des Vaters steht und uns sieht und uns segnet", schloß Kardinal Ratzinger seine Predigt. “Ja, segne uns, Heiliger Vater!

Petra Biermeier

Auszug aus kath.net vom 8.4.2005

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