Als am 16. Oktober 1978 das Kardinals-Konklave Johannes Paul II. wählte, sagte mir der polnische Primas, Kardinal Stefan Wyszynski: “Die Aufgabe des neuen Papstes wird es sein, die Kirche ins dritte Jahrtausend zu führen". Ich weiß nicht, ob ich den Satz genau wiedergebe, aber das war zumindest der Sinn dessen, was ich damals hörte.
Das sagte der Mann, der als der Primas des Millenniums in die Geschichte eingegangen ist. Ein großer Primas. Ich war Zeuge seiner Mission, seiner totalen Hingabe. Seiner Kämpfe, seiner Siege. “Wenn der Sieg kommt, wird er ein Sieg sein durch Maria" - diese Worte seines Vorgängers, des Kardinals August Hlond, pflegte der Primas des Millenniums zu wiederholen.
Auf diese Weise war ich in gewisser Hinsicht vorbereitet auf die Aufgabe, die sich mir am 16. Oktober 1978 stellte. Im Moment, in dem ich diese Worte schreibe, ist das Heilige Jahr 2000 schon eine Realität. In der Nacht des 24. Dezember 1999 ist die symbolische Tür des Heiligen Jahres in der Petersbasilika geöffnet worden, anschließend die von San Giovanni in Laterano, dann die von Santa Maria Maggiore - an Silvester, und am 19. Januar die Hl. Pforte der Basilika von Sankt Paul “vor den Mauern". Dieses letzte Ereignis ist wegen seines ökumenischen Charakters in besonderer Weise im Gedächtnis geblieben.
2. Je mehr das Heilige Jahr 2000 fortschreitet, schließt sich hinter uns das zwanzigste Jahrhundert und öffnet sich das 21. Jahrhundert. Nach den Plänen der Vorsehung wurde es mir gegeben, im schwierigen Jahrhundert zu leben, das jetzt in die Vergangenheit eingeht, und jetzt, in dem Jahr, in dem mein Leben das achtzigste Jahr erreicht (“octogesima adveniens"), muß man sich fragen, ob es nicht Zeit ist, mit dem biblischen Simeon zu sagen: “Nunc dimittis" . (“Nun läßt du, Herr, deinen Diener, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden, denn meine Augen haben dein Heil gesehen...", Anmerkung)
Am 13. Mai 1981, dem Tag des Attentats auf den Papst während der Generalaudienz auf dem Petersplatz, hat mich die Göttliche Barmherzigkeit auf wunderbare Weise vor dem Tode bewahrt. Er, der der einzige Herr des Lebens und des Todes ist, hat mir dieses Leben verlängert, in gewisser Weise hat er es mir neu geschenkt.
Seit diesem Augenblick gehört es ihm noch mehr. Ich hoffe, er wird mir helfen, zu erkennen, bis wann ich diesen Dienst fortführen soll, zu dem er mich am 16. Oktober 1978 berufen hat. Ich bitte ihn, mich zurückzurufen, wann er selbst es will. “Im Leben und im Tod gehören wir dem Herrn... sind wir des Herrn" (cf. Rm 14, 8).
Ich hoffe auch, daß die Göttliche Barmherzigkeit mir die nötigen Kräfte für diesen Dienst geben wird, solange es mir gegeben sein wird, den Petrusdienst in der Kirche auszuüben.
3. Wie jedes Jahr während der geistlichen Exerzitien habe ich mein Testament vom 6.III.1979 gelesen. Ich halte die darin enthaltenen Verfügungen weiter aufrecht. Das, was jetzt und auch während der früheren geistlichen Exerzitien hinzugefügt worden ist, stellt eine Betrachtung über die schwierige und angespannte allgemeine Lage dar, die die achtziger Jahre geprägt hat. Seit dem Herbst 1989 hat sich diese Lage geändert. Das letzte Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts war frei von den früheren Spannungen; das heißt nicht, daß es nicht neue Probleme und Schwierigkeiten mit sich gebracht hätte. In besonderer Weise sei der Göttlichen Vorsehung Lob dafür, daß die Zeit des so genannten “Kalten Krieges" vorüber ist ohne den gewaltsamen Atomkonflikt , dessen Gefahr in der vorübergegangenen Epoche auf der Welt lastete.
4. Auf der Schwelle des dritten Jahrtausends “in medio Ecclesiae" stehend, will ich noch einmal dem Heiligen Geist Dankbarkeit ausdrücken für das große Geschenk des Zweiten Vatikanischen Konzils, in dessen Schuld ich mich zusammen mit der ganzen Kirche - und vor allem dem ganzen Episkopat - fühle. Ich bin davon überzeugt, daß noch lange die neuen Generationen aus dem Reichtum schöpfen werden, die dieses Konzil des 20. Jahrhunderts uns angehäuft hat. Als Bischof, der am Konzilsereignis vom ersten bis zum letzten Tag teilgenommen hat, will ich dieses große Erbe allen anvertrauen, die jetzt und in Zukunft dazu gerufen sein werden, es umzusetzen. Ich für meinen Teil danke dem ewigen Hirten, der mir erlaubt hat, dieser großen Sache in all diesen Jahren meines Pontifikates zu dienen.
“In medio Ecclesiae"... von den ersten Tagen des bischöflichen Dienstes an ist es mir - dank dem Konzil - gegeben worden, die brüderliche Gemeinschaft im Bischofsamt zu erleben. Als Priester des Erzbistums Krakau hatte ich erfahren, was die brüderliche Gemeinschaft der Priester untereinander bedeutet - das Konzil hat eine neue Dimension dieser Erfahrung eröffnet.
Johannes Paul II: Auszug aus der Eintragung am 17. März 2000.