Zu einem Treffen vom 11. bis 15. August hatte noch Papst Johannes Paul II. die Jugend der Welt nach Köln eingeladen. Wie wird sich das Ableben des Papstes auf dieses Ereignis auswirken? Wie groß ist das Interesse derzeit in Österreich? Ist die Begeisterung der Jugend bei solchen Ereignissen nur ein Strohfeuer? Fragen, die der österreichische Koordinator für das Treffen im folgenden Gespräch beantwortet.
Haben sich schon viele Jugendliche für Köln angemeldet?
Robert Schmalzbauer: Derzeit ist die Zahl der Anmeldungen noch weit von jener entfernt, mit der wir letztendlich rechnen. Aber das entspricht dem Verhalten der Jugendlichen. Sie melden sich nicht viel im voraus an.
Erschwert das nicht die Organisation erheblich?
Schmalzbauer: Als ich im Jahr 2000 noch selbst eine Fahrt nach Rom organisiert habe, hatten wir mit ungefähr 1.000 Jugendlichen gerechnet und entsprechend budgetiert. Bei Anmeldeschluß hatten sich dann 600 gemeldet und zuletzt waren wir knapp über 1.100 Leute. Oft stoßen sie erst in den letzten Tagen vor der Abfahrt dazu. Vorsorglich hatte ich in Rom mehr bezahlt. Derzeit sind jedenfalls in Österrreich 50 Fahrten (vom Kleinbus bis zu Gruppen von 300 bis 500 Leuten) gemeldet, so viel wie noch nie.
Wer wirbt denn eigentlich für den Weltjugendtag?
Schmalzbauer: Jugendliche, die schon dabei waren und in der Jungendarbeit tätige Leute sagen es in ihrem Umfeld weiter. Dazu haben wir im Juni 2004 ein Projekt gestartet, die K05-Teams: Wir laden Jugendliche ein, sich in kleinen Teams zusammenzuschließen, gemeinsam die Botschaft des Papstes zu betrachten, zu beten, Bibelstudium zu betreiben - und in ihrem Umfeld vom Weltjugendtag zu erzählen. Mittlerweile gibt es in Österreich 75 solche Teams. Jedes kann sich bei uns melden und bekommt einen Rucksack, in dem eine Bibel-Smart-Card (die ganze Bibel mit Suchfunktion zur Verwendung im Computer), eine Kerze, ein Logbuch, ein Packerl Mannerschnitten fürs leibliche Wohl, ein Behelf für das Gruppentreffen und konkrete Tips für einen Pfarreinsatz zu finden sind. Das wichtigste Stück im Rucksack ist eine Video-DVD mit einem Zusammenschnitt vergangener Weltjugendtage. Es beeindruckt selbst Jugendliche, die nichts von der Kirche halten. Viele erleben beim Anschauen einen Stimmungswandel. So kommt es auch, daß bei jedem Weltjugendtag etwa die Hälfte der Teilnehmer neu dazustoßen.
Was macht das Besondere der Weltjugendtage aus?
Schmalzbauer: Der Weltjugendtag ist sehr lebendig, weil ihn die Jugendlichen auch selbst gestalten. Er ist geprägt von Fröhlichkeit, Lebendigkeit, Konzerten, Musik, Tanzen, Feiern... Beim Weltjugendtreffen entdeckt man das Antlitz der Kirche auch als eine die Völker der Welt umspannende Gemeinschaft.
Kommt es tatsächlich zu Kontakten zwischen verschiedenen Nationen?
Schmalzbauer: Das wird gezielt gefördert durch die Unterbringung oder die Veranstaltung gemeinsamer Feste. Interkulturelle Begegnungen ergeben sich auch bei den Treffen mit dem Heiligen Vater oder beim Eröffnungsgottesdienst, wenn hunderttausende Junge zusammenkommen. Dann steht man eben neben den anderen und merkt, wie sie beten. Als deutschsprachiger Jugendlicher ist man ja im allgemeinen recht nüchtern. Jubel, Sprechchöre oder Fahnenschwenken - das hat man bei uns nicht so. Im südlichen Italien fängt das hingegen schon an. Aber in Lateinamerika und Afrika wird alles noch einmal intensiver gefeiert. Und da wird man mithineingenommen. Glaube ist ja nicht fad - er lebt, ist etwas Freudiges. Das steckt an und es läßt mich besser begreifen, wie Christus ist. Andererseits wird mir auch der Zugang eröffnet, mich in der Anbetung hinzuknien und vor Gott still zu werden.
Haben die Weltjugendtage der Jugendarbeit vor Ort, also in den Pfarren Impulse gegeben?
Schmalzbauer: Man kann sagen, daß schon vieles in die Jugendarbeit der Pfarren übernommen worden ist: Da gibt es immer öfter Stunden der Barmherzigkeit oder eine Anbetung mit schöner Musik. Oder die Katechesen: Kardinal Schönborn hält seit Jahren monatliche Katechesen im Stephansdom. Junge Menschen, aber nicht nur sie, brauchen Lehre. Der Glaube braucht das Wissen. Das Wort Gottes ist ein wesentlicher Input für den Glauben. Bei den Weltjugendtagen geschieht viel Glaubensvertiefung. Vieles ist von den Weltjugendtagen inspiriert. Ja, man könnte von einer Pädagogik der Weltjugendtage sprechen.
Kritiker meinen, die Begeisterung der Treffen sei kurz aufloderndes Strohfeuer bei den meisten. Viel Halleluja - und dann ist alles vorbei. Stimmt das?
Schmalzbauer: Bisher dürften rund 11 Millionen junge Menschen an den Treffen teilgenommen haben. Vergleicht man das mit der Milliarde Katholiken auf der Erde, kann man leicht meinen: Na, was ist das schon! Dem möchte ich entgegenhalten: Der Weltjugendtag ist eine Art Sauerteig, der sich in den Pfarren, den Gemeinden, den Gemeinschaften auswirkt - allerdings nicht so, daß man es gleich merkt. Dennoch ist spürbar, daß sich in den letzten 20 Jahren viel geändert hat. Ich jedenfalls stelle einen Stimmungswandel fest.
Die überaus große Beteiligung der Jugend an den Ereignissen in Rom in den letzten Wochen mag ein Zeichen dafür sein. Gibt es andere?
Schmalzbauer: Eben das relativ große Interesse für Köln: 50 Gruppen, während nach Rom und Paris zum selben Zeitpunkt 15 oder 20 angemeldet waren. Offensichtlich merken immer mehr Menschen, daß der Weltjugendtag etwas Schönes ist. Daher glaube ich nicht, daß man von Strohfeuer reden kann. Es ist eben kein Woodstock auf katholisch, also kein schönes Erlebnis - und dann bleibt alles beim alten. Es passiert vielmehr bei vielen eine Veränderung. Auch kenne ich eine Reihe von Jungen, die eine Berufung durch die Weltjugendtage erfahren haben: einige haben geheiratet und einige einen tiefen Impuls in Richtung gottgeweihtes Leben und Priestertum bekommen. Das sind fortdauernde Früchte.
Welche Erfahrungen machen die Priester, die das Geschehen begleiten?
Schmalzbauer: Ich weiß, daß sie die Jugendlichen gerne und in großer Zahl begleiten. Ein berührendes Erlebnis für sie ist es auch, so vielen die Heilige Beichte abzunehmen. Der Weltjugendtag ist nämlich ein großes Fest der Umkehr, der Versöhnung. Dazu brauchen wir dringend jeden Priester, der dabei ist. Mancher, der sich für den Beichtdienst gemeldet hat, erzählt dann: “Heute war ich 10 Stunden im Beichtstuhl und bin gar nicht zum Essen gekommen." Und wenn ich diese Priester anschaue, merke ich, wie sie strahlen und glücklich sind, weil sie merken, wie dringend sie gebraucht werden.
Wie kommt es, daß da so viel gebeichtet wird?
Schmalzbauer: Weil es auch Zeiten gibt, zu denen man still wird. Und dann kommen natürlich viele Sachen hoch: der viele Ballast, den man als junger Mensch oft jahrelang mit sich herumgeschleppt hat, viel Unversöhntheit mit den Eltern, Geschwistern, mit der Schule, und dann die vielen anderen Dinge, von denen man weiß, sie waren nicht in Ordnung. Und hier gibt es das Angebot, daß man all das abwerfen und das Leben neu atmen und spüren kann. Das ist ein wesentlicher Grund für die große Freude der Jugendlichen. Die wahre Freude strömt aus dieser Erfahrung der Umkehr.
Wie sehr hängen diese Treffen an der Person von Johannes Paul II.?
Schmalzbauer: Das Geschehen ist eng mit ihm verbunden. Er hat die Jugendlichen erstmals 1984 eingeladen - und 300.000 sind nach Rom gekommen! Seither gab es alle zwei, später dann alle drei Jahre große internationale Zusammenkünfte. Köln ist der 20. Weltjugendtag. Die Ausstrahlung des Papstes hat sicher eine große Rolle gespielt. Seine Väterlichkeit ist mit zunehmendem Alter, mit seiner Krankheit immer spürbarer geworden. Seine Heiligkeit hat zugenommen. Für mich war er nicht nur der “Heilige Vater", weil er aufgrund seiner Amtsgnade so genannt wird, sondern es war ein Heiliger, der die Kirche geführt hat. Einer solche Person zu begegnen, ist eben etwas Besonderes. Ich erinnere mich an Toronto: Wir waren zur Willkommensfeier mit dem Heiligen Vater versammelt, etwa 350.000 junge Leute auf dem großen Platz, haben gewartet, gesungen, die Fahnen geschwenkt. Irgendwo war dann Hubschrauberlärm zu hören. Eine Aufregung kam in die Menge. Auf Videowalls sah man, daß er irgendwo landet und in sein Papamobil steigt. Und dann war es wie in der Bibelstelle mit Zachäus. Die Jungen sind auf die Bäume gestiegen, haben sich auf die Schultern anderer gesetzt - ich auch - und Ausschau gehalten. Und dann kommt er, gezeichnet von der Krankheit. In gewisser Hinsicht nicht schön anzusehen. Und doch hat er etwas Schönes ausgestrahlt. Es war stark spürbar, wie sehr Christus in ihm wohnt.
Papst Johannes Paul II. verkündete doch eher unpopuläre Botschaften: Keuschheit, Zölibat... Wie nimmt die Jugend das an? Hört sie es überhaupt oder rauscht es an ihr vorbei?
Schmalzbauer: Sie hören es sehr wohl - wenn auch sicher nicht alle. Die ihn dort erleben, sind jedenfalls tief berührt. Sie mögen es vielleicht zuerst nicht auf die Reihe bekommen: Einerseits kann er wirklich auf die Jugend hören und ihr Hoffnung geben. Andererseits sagt er solche schwer verständlichen Dinge. Daher sind die Katechesen so wichtig, bei denen ich langsam mein Wissen vertiefen kann.
Setzen sich die Jugendlichen überhaupt mit den Botschaften auseinander?
Schmalzbauer: Diese Botschaften werden in Windeseile über Internet und Druck verbreitet. Ich kenne viele Gruppen, in denen mit diesen Botschaften gezielt gearbeitet wurde.
Wird sich das Fehlen von Johannes Paul II. negativ auf das Interesse für Köln auswirken?
Schmalzbauer: Im Gegenteil: Ich habe den Eindruck, die ganze Welt fängt an, katholisch zu werden. Auch der Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner sieht das so. Er habe die Einsicht geschenkt bekommen, sagte er in einem Interview, es würden noch mehr Jugendliche kommen. Natürlich frage auch ich mich: Wie wird das sein? Denn die gleiche Ausstrahlung wie Johannes Paul II. wird Benedikt XVI. nicht haben. Aber der Heimgang des Papstes hat doch die Gültigkeit seiner Inspiration nicht ausgelöscht!
Ich freue mich, daß Papst Benedikt XVI. schon zugesagt hat, nach Köln zu kommen. Was könnte es auch Schöneres für ihn geben, als mit der Jugend der Welt zusammenzukommen? Wir haben schon einen Slogan für einen Flugzettel überlegt: “Meet the new pope!"
Das Gespräch führte Christof Gaspari.
Information
Offizielle deutsche Webseite: www.wjt2005.de
Webseite in Österreich: www.weltjugendtag.at
Koordinierungsstelle der Jugend der
kirchlichen Erneuerungsbewegungen: Robert Schmalzbauer
Tel.: 02236-30 42 80, Fax: 02236-30 40 71, info@weltjugendtag.at
Die Preise liegen in Österreich zwischen 210 und 500 Euro je nach Veranstalter der Reise.
Ein Zwei-Päpste-Weltjugendtag
Der Gastgeber in Köln, Kardinal Joachim Meisner, über den Weltjugendtag 2005:
Nach dem Tod des Heiligen Vaters fühlte ich mich einen Moment lang richtig verlassen. Als der Papst in der Capella Clementina aufgebahrt lag, da mußte ich weinen und betete fast etwas vorwurfsvoll: Heiliger Vater, du hast die Jugend der Welt nach Köln eingeladen, und jetzt hast du dich davon gemacht und läßt mich armen Hund alleine hier zurück. Aber dann wurde mir klar, wenn ein Heiliger im Himmel ist, dann wird er erst recht gefährlich für den Teufel und besonders hilfreich für das Reich Gottes.
Es wird ein Zwei-Päpste-Weltjugendtag werden. Und ich glaube, daß uns das Hören und Sehen positiv vergehen wird.
Wir werden immer Gegenwind bekommen. Für mich ist das eine Bestätigung, daß der Weltjugendtag nicht so ein harmloser Jugendevent sein wird, denn wenn Gegenwind kommt, dann wird der Weltjugentag die Jugendlichen sicherlich zu Entscheidungen bringen, die die Welt verändern. Ich hoffe, daß alle von Köln besser weggehen, als sie hingekommen sind.
Zitate aus einem Artikel von Marie Czernin in Die Presse v. 23.4.2005