Nach vielen in islamischen Ländern verbrachten Jahren berichtet der Autor über seine Eindrücke und das Verhältnis von Muslimen und Christen – insbesondere über die Bedrängnis der Christen in Pakistan.
Als Absolvent der Montan Universität Leoben, Fachrichtung Erdölwesen, führte mich meine berufliche Tätigkeit in Länder des Nahen und Mittleren Ostens: Irak, Syrien, Tunesien, Libyen und mehrere Jahre nach Pakistan. In all diesen Ländern lernte ich zunächst die islamische Denk- und Lebensweise kennen. Erst während der Jahre in Pakistan habe ich die Situation der christlichen Minderheit (3% der Bevölkerung von 193 Millionen) aus eigener Erfahrung erlebt. Sie ist geprägt durch Armut sowie Bedrängnis durch radikale Islamisten.
Meine Entscheidung, mehrere Jahre mit meiner Frau nach Islamabad zu gehen, um ein Unternehmen aufzubauen und zu leiten, war von Anfang an auf Gottvertrauen gestützt. Am Beginn stand die Beschaffung von Firmeneinrichtungen und die Einstellung von Personal, wobei an die lokalen Bewerber hohe berufliche Anforderungen gestellt wurden. Zu meiner Verwunderung waren Christen die ersten Angestellten. Auch als Hauspersonal und Chauffeure haben wir Christen aufgenommen, die äußerst pflichtbewusst und verlässlich waren.
Meine Frau hatte mit den pakistanischen Christen als Hauspersonal eine Familie um sich. Sie wurde von ihnen „Madame Sahib“ genannt und als Ratgeberin in allen Lebenslagen verehrt, ja geliebt: Ob es sich um Kinderhygiene, Krankheit, Garten, Haus und Küche, ja selbst wenn es sich darum handelte, ob die Elektrizität im Haus funktioniert. Weil unsere Haushilfen Jousaf und Rita mit ihren drei kleinen Kindern aus dem benachbarten Christenviertel stammten, wurden wir beim Besuch im Christenviertel freudig empfangen. Man zeigte uns dort die Kapelle und die Schule sowie die armseligen Behausungen.
Immer wieder hörten wir von den Christen, dass sie das Los ihrer Armut auf sich nehmen, jedoch als gleichberechtigte Bürger behandelt werden wollen. Ihre einzige große Sorge war: Was wird aus unseren Kindern? Am meisten erfreut waren sie, wenn wir uns als katholische Christen aus dem Westen mit Handreichung als Zeichen des gemeinsamen Glaubens zu erkennen gaben; das stärkte unser gegenseitiges Vertrauen.
Die Gleichberechtigung der Christen ist jedoch keineswegs gegeben. Vielmehr verschlechtert sich ihre Lage durch die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Schon bei meiner beruflichen Tätigkeit in Bagdad – Iraks Staatschef Saddam Hussein war damals am Gipfel seiner Macht – erfuhr ich von maßgebenden Leuten der staatlichen Erdölindustrie ihre Sicht über den Westen: Der Westen sei im Niedergang begriffen, die Gesellschaft gleiche einem „rotten apple“ (faulen Apfel): zerfallende Familien, abgetriebene Kinder, die Gesellschaft sei scham- und gottlos, der Staat setze keine Schranken. Nicht einmal der Papst gebiete diesem Niedergang Einhalt.
Diese Auffassung gründete auf den Erfahrungen, die sie während des Studiums im Westen gemacht hatten. Der Islam sei veranlasst, diesen faulen Apfel zu beseitigen und in der Gesellschaft des Westens eine Änderung herbeizuführen. 1980 erschien mir das wie die Enthüllung einer Zeitenwende, im biblischen Sprachgebrauch als Apokalypse.
Kurz gesagt: Alles, was heutzutage in der Gesellschaft des säkularisierten Westens gang und gäbe ist – Alkohol, Drogenkonsum, laszive Kleidung, außerehelicher Sex, Porno, gleichgeschlechtliche Beziehungen, Scheidung, Abtreibung – ist im Islam verboten. Dafür gibt es in islamischen Ländern kinderreiche Familien und eine Familienkultur mit einer großen Zahl von Verwandten, die Freud und Leid teilen. Die Familien bilden das soziale Netzwerk in der Bevölkerung, in dem die einzelnen Mitglieder bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und sonstigen Notfällen aufgenommen und versorgt werden.
Die meisten Familien bemühen sich um die religiöse und tugendhafte Erziehung ihrer Kinder. Daraus ergibt sich, dass die Muslime ihren Glauben im fünfmaligen täglichen Gebet öffentlich praktizieren, am Freitagsgebet in der Moschee teilnehmen und die Fastenzeit des Ramadan streng einhalten. Diese öffentlich geübte religiöse Praxis nötigt Ausländern und Andersgläubigen Respekt ab.
Wie ist nun aber die Lage der Christen in den islamischen Ländern? Zwar werden die Christen in Pakistan von der Regierung nicht direkt verfolgt, aber sie werden wie unerwünschte Bewohner (Dhimis), wie Menschen zweiter Klasse behandelt. In der Regel sind sie mit einer Sondersteuer belastet und können auf keinerlei staatliche Unterstützung rechnen. Christen werden auch nicht zum Militärdienst eingezogen. Dies gilt nicht als Annehmlichkeit wie im Westen sondern als Unzuverlässigkeit und Schande.
In der muslimischen Bevölkerung macht sich zunehmend Intoleranz und Feindseligkeit gegen Christen und gemäßigte Muslime bemerkbar. Dies ergibt sich aus der Gleichsetzung der Christen mit dem Westen, in dem behauptet wird, Christen hätten den Krieg im Irak und Afghanistan geführt und mit den Zionisten die Palästinenser unterdrückt. Zudem hätten die Christen ähnlich wie der Westen keine Moral.
Diese Sichtweise hat die muslimischen Extremisten gestärkt und ihren tödlichen Fanatismus gesteigert. So wurden 2006 Dutzende Schulen für Mädchen im Nordwesten des Landes zerstört, 2009 Kirchen und Wohnviertel der Christen in Brand gesetzt. Zwar wurde aufgrund des strengen Blasphemie-Gesetzes in den letzten Jahren noch niemand hingerichtet, aber von den vielen angeklagten Christen wurden 30 auf offener Straße oder auf dem Weg zum Gericht durch Selbstjustiz öffentlich ermordet.
Im Jahr 2011 wurde der angesehene, einflussreiche Gouverneur der Punjab-Provinz, Salman Taseer, niedergeschossen. Als gemäßigter Muslim hatte er sich für die Abänderung, d.h. Milderung des Blasphemie-Gesetzes eingesetzt. Nur zwei Monate später wurde der einzige Christ in der pakistanischen Regierung, Shabhaz Bhatti, Minister für religiöse Minderheiten, ermordet.
Diese Nachrichten haben die Weltöffentlichkeit empört, die Christen in Pakistan aber in Angst und Schrecken versetzt, weil sie dadurch schutz- und rechtlos jeder Verfolgung ausgesetzt sind. Über die vorwiegend auf Schulen verübten Bombenanschläge von Selbstmordattentätern schrieb die Oberin eines Schulordens, Sr.Catherine: „Wir haben Begräbnisse ohne Unterbrechung. Die Selbstmord-Bombenanschläge nehmen kein Ende; es ist traurig zu sehen, dass das Leben keinen Wert darstellt; in Nowshera hat ein Bombenattentat eine Schülerin unserer Schule und ihren kleinen Bruder mit vielen anderen getötet.“
Im September 2013 kamen bei einem Selbstmordanschlag vor der katholischen Kirche von Peshawar 70 Menschen ums Leben und doppelt so viele wurden schwer verletzt. Die Nachricht von neuerlichen Blasphemie-Anklagen und der Schleifung des Christenviertels in Islamabad Anfang 2014 hat uns sehr betroffen gemacht, weil wir ja in dessen Nähe gewohnt hatten und wussten, dass davon rund 300 Familien, also rund 2.000 Menschen betroffen sind. Noch vor 25 Jahren wurde uns erklärt, das Christenviertel – damals als „French Quarter“ bekannt – sei ein Zeichen von Toleranz der Islamischen Stadtverwaltung. Natürlich betrifft das auch die katholische Kirche und die daran angeschlossene Schule der Fatima Church, wenn die Christen aus der Stadt vertrieben werden.
Hält man sich die Lage der bedrängten Christen vor Augen, liegt die Frage nahe: Sollen sie unter diesen Umständen nicht das Land verlassen? Dem Buch Die Mönche von Tibhirine – Märtyrer der Versöhnung zwischen Christen und Moslems zufolge haben die Märtyrer die Antwort gegeben: Christen müssen bleiben, nicht missionarisch aufgezwungen – sondern in Liebe standhaft.
Dies sei ein wichtiger Dienst, wie uns auch Joseph Coutts, Erzbischof von Karachi anlässlich eines Wien-Aufenthalts im Jahr 2012 versicherte. Denn auch in Pakistan will die Mehrheit der Bevölkerung mit den Christen in Frieden leben, denn die katholische Kirche hat viele Bildungs- und Sozial- Einrichtungen geschaffen, Schulen, die allen Pakistanis zugänglich sind: Krankenhäuser, soziale Dienste der Caritas, Katastrophenhilfe.
Die verfolgten Christen in Afrika und Asien, die ihr Leben dafür einsetzen, dass das Christentum, das ihnen von den Vorfahren weitergegeben wurde, in ihren Ländern nicht ausgelöscht wird, tragen ihr Schicksal in der Nachfolge Christi. In dieser schwierigen Situation brauchen die Christen in islamischen Ländern unsere Solidarität.
Solidarität: Hilfe durch unser Gebet,
Solidarität: gegen Ungerechtigkeit und Missbrauch des Blasphemiegesetzes,
Solidarität: finanzielle Unterstützung für Schulbildung, medizinische Betreuung und bei Naturkatastrophen.
Bildungsprojekt
Nach der Rückkehr in die Heimat hat das Ehepaar Schröckenfuchs ein Projekt zur Unterstützung der Schulbildung für pakistanische Kinder ins Leben gerufen. Die bisher gesammelten Mittel ermöglichten über 2.000 Kindern, die Schule zu besuchen. Die Ausbildung trägt wesentlich zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Armut bei.
Konto: Dr. Gerhard Schröckenfuchs, Scholarships for Children Pakistan
IBAN: AT09 1919 0000 0023 5176; BIC: BSSWATWW