Es gibt Themen, die in der Katholischen Kirche weitgehend ausgespart bleiben: alles, was Kirchenkritikergern als „Drohbotschaft“ bezeichnen. Seitdem der Theologe Herbert Haag sein Buch Abschied vom Teufel veröffentlicht hat, scheint sich in der Kirche die Überzeugung breitgemacht zu haben, daß man über den Widersacher Christi und dessen Wirken in der Geschichte lieber nicht spricht. Unter den Tisch fällt dadurch auch alles, was zu den sogenannten „Letzten Dingen“ zu zählen ist: Himmel, Hölle, Fegefeuer, Antichrist, Satan, Wiederkommen Christi und letztes Gericht.
Weil uns aber nach Jahrzehnten der Fortschrittseuphorie spätestens die letzte Dekade eine allgemein spürbare Krisenstimmung beschert hat, wird das Thema der geistigen Auseinandersetzung von Gut und Böse, von Christus und dem Widersacher und die Zuspitzung dieses Kampfes am Ende der Zeiten nun doch immer häufiger in Buch und Film thematisiert. So auch in Friedrich Oberkoflers Der Antichrist - Der Mythos des Abschieds vom Teufel.
Der Autor - er ist Pfarrer in München - präsentiert zunächst die Lehre der Kirche über den Satan: „In der Tradition des Christentums wird Satan, der Teufel, als ein personales, geistiges Wesen beschrieben, als Engel, der Gott gleich sein wollte und sich gegen Gott erhob. Deshalb wurde er vom Himmel in die Hölle gestürzt. Er sucht seitdem die Welt und den Menschen heim.“
Der Apostel „Johannes nennt ihn ,Fürst der Welt' (Joh 16,11), Paulus sogar ,Gott dieser Welt' (2Kor 4,3-4)“. Nüchtern setzt der Autor auseinander, daß sich der Gläubige dieser Tatsache zu stellen habe, allerdings in dem Wissen, daß Jesus Christus der Sieger über den Widersacher ist: „Alle, die durch den Glauben an Christus teilhaben an Seinem Ostermysterium, sind befreit von der Herrschaft Satans. (…) Durch das Sakrament der Taufe werden sie der Herrschaft des Satans entrissen.“ Dennoch bleibt auch der getaufte Christ „Angriffen und Versuchungen Satans ausgesetzt“.
Am Ende der Zeiten spitzt sich die Konfrontation zwischen Gott und dem Widersacher im Auftreten des Antichristen, eines konkreten Menschen, zu. Dessen Kommen „gehört zum Wahrheitsgut der Offenbarung“, schreibt Oberkofler. „Der Antichrist tritt als Gegenspieler von Christus unmittelbar vor dessen Wiederkommen auf. (…) Sein Hauptziel ist, Jesus Christus als Sohn Gottes zu bestreiten und sich selbst als Messias an die Stelle Christi zu setzen.“ Der Weltkatechismus hält fest, daß die Kirche in der Zeit des Antichristen eine „letzte Prüfung“ durchzumachen habe.
Vier Merkmale der Religion des Antichristen zählt der Autor auf: daß sie die Inkarnation Christi leugnet, über Gott lacht, den autonomen Menschen vergötzt und sich gewaltsam durchsetzt. Vorläufer dieser Erscheinungen begleiten die gesamte Geschichte, in den Tagen des Antichrists aber kommt es zu einer letzten und größten Verfolgung der Kirche und zu einem Massenabfall vom Glauben. Ihm werden nur jene widerstehen, die aus einer lebendigen Beziehung zu Jesus Christus leben.
Nachdenklich stimmen die Überlegungen über die Vorboten des Antichristen heute: den um sich greifenden Säkularismus (auch in der Kirche), das Aufkommen von Ersatzreligionen, die Anmaßung „göttlicher“ Befugnis durch die Staaten in der Gesetzgebung, das Überhandnehmen von Gewalt und Terror…
Was das für Christen bedeutet? „Der Christ ist der Wächter in der Nacht, der auf den Morgen des Kommens Christi wachend wartet…“, stellt Oberkofler, der an vielen Stellen, J.H. Newman, J. Ratzinger, Gregor d. Großen, R. Raffalt zitiert, fest. Und er spricht dem Leser Mut zu: „Am Ende unseres Lebens und der Welt wird nicht der Antichrist, sondern der wahre Weltenherrscher Christus sprechen: , Ich bin das Alpha und das Omega.' (…) Seine Auferstehung ist der bereits vorweggenommene und jetzt schon wirksame Sieg über den Satan und den Antichrist. An diesem Sieg dürfen wir bereits teilnehmen, wenn auch beeinträchtigt durch das Zwielicht der Welt…“
Ein lesenswertes Buch, das die Lehre der Kirche vertritt und diese nüchtern und klarsichtig mit den Zeichen der Zeit in Beziehung setzt.
Christof Gaspari
Der Antichrist - Der Mythos des Abschieds vom Teufel. Von Friedrich Oberkofler, MM-Verlag, 157 Seiten, 18 Euro