VISION 20005/2005
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Tobias will sich taufen lassen

Artikel drucken Das Weltjugendtreffen in Köln: Erfolgreiche Mission im großen Stil (Von Gabriele Kuby)

Weltjugendtag in Köln: Ein Ereignis, das wir nicht gleich wieder aus unserem Gedächtnis entschwinden lassen dürfen. Denn es war ein Geschehen, das den Glauben der Kirche in das Herz von Millionen getragen hat, ein missionarisches Großereignis, wie auch der folgende Bericht zeigt.

In diesem Jahr ging über die Medien ein dreifacher katholischer Sturzbach auf die Erde nieder, der die Welt zum Staunen bringt: Zuerst das Begräbnis Johannes Pauls II, gefolgt von der Wahl eines Deutschen zum Papst und nun der Weltjugendtag in Köln. Über eine Million Jugendlicher aus 190 Ländern sind wie die Weisen aus dem Morgenland aufgebrochen, um in der Nähe des Heiligen Vaters zu sein, dem Stellvertreter Christi, heiße er nun Johannes Paul II oder Benedikt XVI.

In einer Welt, die vom Bild lebt, wurde mit der Schifffahrt auf dem Rhein zuerst ein symbolträchtiges Bild inszeniert: Der Heilige Vater in weißer Soutane an der Spitze eines Schiffes, wie er Hunderttausende junger Menschen segnet, die kilometerlang die Ufer des Rheins säumen und ihm zujubeln. Mir fällt die berühmte Vision des heiligen Don Bosco ein, der die Kirche unter dem Angriff feindlicher Barkassen als ein im Sturm gebeuteltes Schiff sieht, das von seinem Steuermann an zwei Säulen festgebunden wird: An der Eucharistie und an Maria (über die er allerdings nur bei den Seminaristen ausführlich spricht).

Die Straßen von Köln, Düsseldorf und Bonn sind mit fröhlichen jungen Menschen aus aller Welt gefüllt. Obwohl anhaltende Organisationspannen vielen große Opfer abverlangen, strahlt Freude aus den Gesichtern und bricht sich die Begeisterung immer neu in Singen und Tanzen Bahn. Die Kriminalitätsrate sinkt in den Städten.

Tobias aus Speyer erzählt: “Ich bin eigentlich nur hier, weil ein paar katholische Freunde einfach nicht locker ließen. Es ist faszinierend, wie viele Leute aus der ganzen Welt für dasselbe Ziel unterwegs sind. Eineinhalb Tage kein Essen bekommen, dann zwei Stunden singend zu einem Stadion laufen, in das wir nicht mehr hinein kommen, keine Leinwand auf der Wiese und dann wieder singend zurück - das bringt einen schon zum Nachdenken, was hier eigentlich los ist."

Ich treffe Tobias beim “nightfever" der Gemeinschaft Emmanuel im Flughafenstadion unter 12.000 Leuten. Die Gemeinschaft hat mit den Stadtkongressen in Wien und Paris Übung in der pädagogischen Organisation spiritueller Erfahrung. “Abgeholt" werden die Jugendlichen von Father Stan, einem rappenden Franziskaner aus der Bronx. “Everybody has to suffer" (Jeder muß leiden) ist einer der Hits, die er singt.

Nach Father Stan geben junge Menschen Zeugnis. Ein junger Mann erzählt, wie sein Gefängnis aus Drogen und Sex durch ein Bibelwort aufgebrochen wurde, und eine Taiwanesin, wie sie durch die Erfahrung der Liebe Gottes fähig wurde, ihre Adoptiveltern zu lieben. Jean Vanier, der vor 40 Jahren das Behindertenwerk “die Arche" gegründet hat, strahlt Weisheit und Demut aus, wenn er darüber spricht, wie er im Dienst an Behinderten Christus selber dient.

Nun ist es ruhig genug, um eine große Monstranz mit dem Allerheiligsten auf die Bühne zu stellen. Zwischen den Liedern entstehen einigende Momente völliger Stille. Dann wird die Monstranz, angestrahlt von einem einzigen Scheinwerfer, im dunklen Stadion von drei Priestern durch die Menge getragen: “Laß dich von Jesus anschauen."

Neben mir geht Tobias auf die Knie und Tränen laufen über sein Gesicht. Er verneigt sich bis auf den Boden, als der eucharistische Segen gespendet wird, und geht dann zu einem der Priester, die auf der Wiese Beichte hören. Als er zurückkommt, sitzt er eine Weile still neben seinem blauen Rucksack. Als er aufschaut, lächle ich ihm leise zu. Er sagt:

“Ich will getauft werden."

Die katholische Fülle, die oft unter der Dürre der säkularen Gesellschaft wie begraben scheint, ist überwältigend. Die Erfahrungskapazität des einzelnen faßt vielleicht ein Tausendstel von allem, was angeboten ist.

Spaß und Feiern ohne Alkohol, ohne Drogen und - zum Leidwesen der Kondomisten sei es gesagt - ohne Sex. Musik und Musicals auf zahllosen Bühnen; Zentren der Begegnung, in denen engagierte Christen ihr Apostolat darstellen und Gespräch anbieten; Stundengebet; heilige Messe; Priester, die überall bereit stehen, Einsichtige mit Gott und sich selbst zu versöhnen; Katechesen an drei Vormittagen, gehalten von Bischöfen in den Sprachen ihrer Herkunftsländer; die Domwallfahrt zu den Reliquien der Heiligen drei Könige; ständige Anbetung vor dem ausgesetzten Allerheiligsten in vielen Kirchen. Es drängt sich die Frage auf: Fehlt uns Katholiken denn irgendetwas, daß so viele in anderen Religionen auf Schnäppchenjagd gehen? Warum lassen wir eigentlich die Schätze so oft brach liegen?

Zur katholischen Praxis gehört die Vigil, die Nachtwache. 800.000 junge Menschen, fast 10.000 Priester mit 750 Bischöfen versammeln sich dazu auf dem Marienfeld, beobachtet von 7.500 Journalisten. Der Wetterbericht hat Regen, Gewitter, gar Hagel angesagt. Die Katastrophe ist gar nicht auszudenken, wenn das an diesem Wochenende einträfe. Aber es trifft nicht ein. Der Himmel über der hell erleuchteten Kunststoffwolke auf dem Papsthügel färbt sich blau, zartrosa Wölkchen schieben sich davor und auf der linken Seite steht über Stunden fast unbeweglich eine weiße Wolkensäule.

Je dunkler es wird, umso mehr Kerzen werden entzündet, Tausende auf dem Papsthügel und Hunderttausende in den Händen der Pilger, die mit Be-ne-detto-Sprechchören ihren heiligen Vater herbeirufen. Schließlich taucht das Papamobil auf. Es muß einen kürzeren Weg nehmen als geplant, weil die Wege von Menschenmassen verstopft sind.

Der Papst ist gekommen, um zu beten. Er tut alles, um den Jubel zu dämpfen, an den er sich, gerade in unserem Land, noch gewöhnen muß. Erst am nächsten Tag, vor der heiligen Messe, findet er persönliche Worte: “Ich wäre gerne mit dem Papaauto kreuz und quer durch die Reihen gefahren, um jedem einzelnen nahe zu sein." Und sofort führt er wieder von seiner Person weg hin zu Gott: “Der Herr sieht jeden einzelnen und liebt ihn. Er schenkt sich in der Kommunion, für die wir eigentlich keine geeignete Wohnstätte sind."

Nach der Vigil frage ich die Jugendlichen in meiner Umgebung, ob sie nicht ein bißchen enttäuscht seien. “Nein", sagen sie, “dieser Papst ist eben anders. Johannes Paul hat die Jugend angezogen, daß sie kommen. Papst Benedikt bearbeitet uns jetzt in der Tiefe."

Zentrum des Glaubens und offenes Tor in die Gemeinschaft mit Jesus Christus ist die Eucharistie. Papst Benedikt lebt und lehrt aus dieser Mitte heraus. Und so beginnt er auch diese Sonntagspredigt ohne Umschweife dort:

“Vor der heiligen Hostie, in der Jesus sich für uns zum Brot gemacht hat, das unser Leben von innen her trägt und nährt, haben wir gestern Abend den inneren Weg der Anbetung begonnen. In der Eucharistie soll Anbetung Vereinigung werden. Was geschieht da? Indem Jesus Brot zu seinem Leib und Wein zu seinem Blut macht und austeilt, nimmt er seinen Tod von innen her an und verwandelt ihn in eine Tat der Liebe...Der Tod ist gleichsam von innen her verwundet und kann nicht mehr das letzte Wort sein."

Das klingt schwierig, weil das Geheimnis des Glaubens sich der Sprache sperrt, der Erfahrung aber in unerschöpflicher Tiefe preisgibt. 10 000 Priester sitzen am Fuß des Papsthügels. Sie sind es, die jetzt vor der schwierigen Aufgabe stehen, die konzentrierte geistliche Nahrung des heiligen Vaters der Jugend so nahe zu bringen, daß sie tatsächlich zum Salz der Erde werden können. Papst Benedikt XVI ist überzeugt: “Diese Jugendlichen sind die Kraft des Friedens in der Welt."

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