Als ich vor Ostern in Medjugorje war und dort auf dem Kreuzberg unmittelbar nach der Beichte lieblos handelte, verstand ich die darauffolgende Lektion sofort: Ich war nämlich in der Freude über meine “Reinigung" bestrebt, noch ein wenig allein zu sein, und gab einer Mitreisenden, die mit mir zusammen den Berg hinuntergehen wollte, mit einer Ausflucht eine abschlägige Antwort. Als ich dann beim Versuch eines Abschneiders vom Hauptweg ständig in den Dornenbüschen hängenblieb und mich mühsam befreien mußte, wurde mir klar: “Es nützt nichts, wenn Du in der Beichte die Spitzen Deiner Sünden beschneidest, Du mußt sie mit der Wurzel gänzlich ausreißen, sonst bleibst Du immer wieder daran hängen."
Beim Hinaufgehen des Kreuzweges über die von Millionen von Pilgerfüßen rund, glatt geschliffenen Steine hatte ich völlig übersehen, wie rauh, stellenweise messerscharf die Karstblöcke waren, wie mühsam und gefährlich es war, bergab zu gehen. “Bleib doch auf den bekannten, bewährten Wegen, such Dir nicht immer eine Extratour - Du brauchst die Gemeinschaft!" Als ich dann nach vielen Stoßgebeten und einem blutigen Sturz vom Hirten aus den Dornen befreit wurde, (er hatte mein Schreien gehört!), da war ich froh und beschämt zugleich.
Ja, das hatte ich damals gut verstanden. Als ich mir aber bald darauf durch einen ins Auge geflogenen Fremdkörper eine kleine Hornhautverletzung - die ein zweiwöchiges Verbot mit sich brachte, meine Kontaktlinsen zu tragen - zuzog, da verstand ich allerdings gar nichts. “Lieber Gott, Du weißt, daß meine alte Ersatzbrille verschwunden ist, daß ich daher ohne Linsen nicht einmal allein auf die Straße gehen kann - bitte, wozu soll das jetzt gut sein? Muß das sein?"
Am dritten Tag kam mein Mann auf die Idee, daß dies der gegebene Anlaß für eine neue Ersatzbrille sei. (Da zum Anmessen 24 Stunden vorher keine Linsen getragen werden dürfen, war ich bisher nicht dazugekommen.)
Erleichtert ob der “Antwort von oben" ging ich zum Augenarzt und erhielt mit einer “Aktion" beim Optiker eine hübsche passende Ersatzbrille.
Kurz darauf mußte ich eher unerwartet zu einer Operation ins Spital. Tagelang konnte ich keine Linsen tragen - wie gut, daß ich eine neue Brille hatte! Als ich dann noch auf dem Gang eine Schulkollegin traf, die mich vor 40 Jahren das letzte Mal gesehen und ohne Brille gar nicht erkannt hätte - erhielt ich ganz plötzlich, wie ein Lichtstrahl, die Antwort. “Verstehst Du jetzt, warum die Hornhautverletzung nötig war? (Sie ist längst gut verheilt.) Du brauchst eine neue Brille! ICH habe für Dich vorgesorgt, ohne Dir wirklich zu schaden!"
Dankbar verstand ich rückblickend diese Spur der göttlichen Liebe und Vorsehung, der wir wirklich vertrauen dürfen, daß sie weiß, was wir brauchen.
Christa Stadler