In manchen Medien, zuletzt in einigen Rückblicken, die anläßlich des 100. Geburtstages von Mutter Teresa zu hören, zu sehen und zu lesen waren, wurde von „Glaubenszweifeln“ gesprochen, die sie angeblich lange Jahre hindurch gehabt haben soll. Eine Psychologin sprach in dem von ORF und ZDF produzierten Film in abenteuerlicher Ferndiagnose von einem „Burnout-Syndrom“, einer Art Zusammenbruch infolge von Überlastung. Von all dem kann keine Rede sein. P. Leo Maasburg, langjähriger Begleiter von Mutter Teresa, nützte die Eröffnung der Ausstellung zum 100. Geburtstag in Wien St. Peter (Krypta), um in dieser Frage Klarheit zu schaffen.
Niemand von den Mitarbeitern von Mutter Teresa wußte was Mutter Teresa in über 35 Jahren ihres Lebens innerlich erlebt hat. Der Ausdruck „Glaubenszweifel“ ist aber ganz sicher nicht korrekt. Mutter Teresa hat etwas erlebt, was in der katholischen Theologie durchaus nicht unbekannt ist: die Nacht der Seele. Das ist etwas ganz anderes als Glaubenszweifel. Daß in dieser Schatztruhe der „Nacht der Seele“ auch Glaubenszweifel verpackt sind, ist durchaus möglich. Aber diese Schatztruhe „Nacht der Seele“, die Gott nur einer schon über Jahrzehnte eng mit Ihm verbundenen Seele anbietet – der Hl. Johannes vom Kreuz, die Hl. Teresa von Avila sowie auch die „Kleine“ Therese von Lisieux haben sie alle erfahren -, beinhaltet den Schatz des Leidens zur Erlösung von Seelen. Diese Schatztruhe macht die schon sehr weit gereifte Seele des betroffenen Heiligen Jesus immer ähnlicher, indem sie sie am erlösenden Leiden Jesu Christi teilhaben läßt.
Kaum hatte Mutter Teresa erkannt, welches Geschenk ihr Gott damit gemacht hatte, hat sie auch die ganze Schatztruhe angenommen und gesagt: Ich will, was immer Er will, wann immer und solange Er will, selbst mein ganzes Leben lang tragen, was Er mir auferlegt. Sie hat diesem Zustand also vollkommen zugestimmt. Das kann man keinesfalls mit Glaubenszweifeln gleichsetzen.
Dass sich Gott von einer Person zurückzieht, die schon mehr als 20 Jahre lang Ordensschwester war und ein intimes spirituelles Leben mit Gott geführt hatte, ist für sie allerdings ein furchtbares Leiden. Mutter Teresa beschreibt es unter anderem mit erschreckenden Worten: „Ich schicke meine Gebete zum Himmel und sie kommen wie Messer in mein Herz zurück.“ Oder: „Ich weiß nicht was das größere Leiden ist: Daß sich Gott von mir zurückgezogen hat, oder daß meine Sehnsucht nach Ihm so unerträglich stark geworden ist.“
Die „Nacht der Seele“ erfuhr Mutter Teresa vergleichbar dem Leiden von zwei Verliebten, die nicht zueinander finden können. Die Trennung der Verliebten voneinander spiegelt im Grunde genommen wider, was Jesus mit Seinem letzten Wort am Kreuz ausdrückt: „Mich dürstet!“ Das bedeutet: Ich sehne mich nach der Liebe meiner Geschöpfe. Mutter Teresa, die ihre Berufung darin sah, den „Durst“ Jesu nach der Liebe seiner Geschöpfe zu stillen, hat sich nach der Liebe ihres Gottes gesehnt. In diesem Kontext von Zweifeln sprechen, ist nicht angebracht, sondern ein echtes Mißverständnis oder Unverständnis gegenüber diesem mystischen Phänomen. Indem man von Zweifeln spricht, banalisiert man das, was diese Heilige erlebt hat.
Mutter Teresa hat stets gesagt: Meine einzige und größte Liebe war und ist immer das Herz Jesu. Schon mit fünf Jahren hat sie das gesagt. Sie war also seit ihrer Kindheit mit Jesus vereint. Sie hat diese Haltung nie aufgegeben. 1942, als sie schon ihre Ordensgelübde abgelegt hatte, hat sie noch ein weiteres, privates Gelübde abgelegt: „I will never say no to Jesus – Ich möchte Jesus nie nein sagen.“
Wenn wir auf Reisen waren, hat sie einige Male gesagt: „Father, das will Jesus nicht. Und ich habe Ihm doch noch nie nein gesagt. Da werde ich doch jetzt auf meine alten Tage damit nicht anfangen.“
P. Leo Maasburg
P. Leo Maasburg ist Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich.
„Nichts tun ohne intensiven Kontakt zu Jesus“
Was Ihr miteinander zu tun begonnen habt, ist etwas Heiliges. Ihr müßt es mit einem reinen Herzen tun. Betet für dieses Anliegen und betet miteinander. Bevor Ihr überhaupt etwas tut, verbringt mindestens eine Stunde vor dem Allerheiligsten. Dann erst sollt Ihr wichtige Entscheidungen treffen. Kommt zusammen und betet. Fangt niemals dieses wunderbare, schöne Werk ohne intensiven Kontakt zu Jesus Christus an.
Wenn Ihr auf das Kreuz blickt, werdet Ihr erkennen, wie sehr Er uns geliebt hat – damals vor Jahrhunderten. Und wenn wir auf den Tabernakel schauen, so sehen wir, wie sehr Er uns jetzt liebt. Deswegen ist die Eucharistie die Kraft und die Freude sich verschenkender Liebe.
Ich wünsche mir, daß Ihr Jesus im heiligen Sakrament zum eigentlichen Grund des Bestehens Eurer Gruppe macht. Dann werdet Ihr auch mit Überzeugung sprechen können, nicht nur mit Eurem Hirn, sondern von Eurem Herzen her.
Mutter Teresa
Worte an die Veranstalter des 12. Internationalen Familienkongresses in Wien.