Gefragt, was er über den Islam und die Muslime denkt, hätte vor rund 300 Jahren wohl jeder Katholik geantwortet: “Der Islam ist eine falsche Religion, die Muslime sind unsere Feinde, hätten sie Wien erobert, wäre es eine Katastrophe für ganz Europa gewesen." Wie lautet die “katholische" Antwort aber heute?
Die Antwort gibt es nicht, nur viele Antworten, die sich teilweise widersprechen: Der Islam - eine andere Religion, die wir achten und ehren; eine Brutstätte des Terrors; eine “abrahamitische Religion", die uns Christen sehr nahe steht; eine Weltkultur; eine Wurzel Europas und jetzt bei seiner “Rückkehr" eine Bereicherung...
Die Hauptschwierigkeit beim Reden über den Islam scheint die Frage zu sein, wovon die Rede ist und was wir auf die Waagschale der kritischen Prüfung legen: die Texte des Koran? Die Scharia, das moslemische Gesetz? Das Leben des Mohammed? Die Geschichte des Islam? Die Motive heutiger Terroristen? Die Praxis einzelner muslimischer Staaten? Sollen wir dabei mehr auf Saudi-Arabien oder auf Marokko schauen - welcher Staat ist mehr “genuin moslemisch"?
Oder ist der Maßstab des Urteils das Verhalten der Mehrheit der Muslime, im Vergleich zu denen Terroristen wirklich Außenseiter sind? Darf man bei dieser Prüfung auf die schrecklichen Dinge verweisen, die im Namen des Islam geschehen sind und heute noch geschehen? Oder genügt es vielleicht umgekehrt, die Konzilstexte zu lesen, um zu wissen, wie gut der Islam ist. Ist er das wirklich? Oder nur teilweise oder vielleicht nur scheinbar? Sind die Sunniten oder die Schiiten “die wahren" Muslime?
Eine andere Möglichkeit wäre zu sagen: Den Islam gibt es ohnehin nicht, uns interessiert heute nur der “real existierende Islam", das heißt, wichtig ist nur, welche Muslime heute das Sagen haben, wie sie sich benehmen, was sie denken, welche Ziele sie verfolgen, welche Mittel sie einsetzen und womit wir Christen in den nächsten Jahrzehnten rechnen müssen. Fragen über Fragen.
Es gibt aber noch einen ganz anderen Zugang: Im Licht des Glaubens gesehen, sind Muslime Menschen. Sie kommen mit der Erbsünde zur Welt, sind der Erlösung bedürftig, Gott hat ihnen Sein Gesetz “ins Herz geschrieben", durch Christus sind sie gerufen zur Gemeinschaft mit Gott.
Es gibt keinen Menschen und daher auch keinen Muslim, der nicht im Heiligtum des Gewissens ständig Gott begegnet und an dessen Herz nicht die Gnade Gottes ständig anklopft.
Das alles trifft auf jeden Menschen zu, also auch auf die Muslime. Kein Wunder, daß die Muslime so manches von Gott erkannt haben, das der Wahrheit entspricht und uns mit Freude erfüllen soll, wie es uns auch das Konzil nahe legt.
Gott will, daß ich die Muslime als meine Brüder und Schwestern liebe “wie mich selbst". Außerdem verpflichtet mich Gottes heiliges Gesetz dazu, ihnen die Freiheit zu lassen, nach ihren religiösen Vorstellungen zu leben, auch jenen, die falsch sind.
Das ist noch nicht alles: Gott sagt mir zudem, ich soll ihnen das Evangelium verkünden. Wie das, wenn sie sich, wie die Erfahrung zeigt, weigern, die christliche Botschaft auch nur anzuhören?
Wahrscheinlich ist die richtige Antwort diese: Wenn sie schon das Wort des Glaubens nicht hören wollen - das Wort der geduldigen, unermüdlichen, grenzenlosen christlichen Liebe aber, die Verkündigung der Mutter Teresa also, werden sie verstehen.
Natürlich, wir dürfen nicht aufhören, nach Wegen zu suchen, um auch ihnen das Wort Christi unmittelbar zu verkünden. Aber solange wir diese Wege nicht finden oder sie schlechthin ungangbar zu sein scheinen, dürfen wir die große Mehrheit der Muslime der Barmherzigkeit Gottes anheim geben: Seine Gnade wird auch für sie Mittel und Wege finden, um viele von ihnen zu retten - Mittel und Wege, die wir nicht kennen und nicht verwalten können.
Auch die Muslime sind ja vor allem “Seine geliebten Kinder", nicht unsere, Er ist ihr Erlöser und ihr Hirte, wir nur Seine “unnützen Knechte". Für die Bekehrung der Muslime zu Christus gilt wohl ähnliches wie das, was die Kirche für die Juden erwartet: Zu einer “Gott allein bekannten Stunde" werden sie begreifen, daß Christus und nicht Mohammed “der Prophet" war und mehr als ein Prophet ist, nämlich der Sohn Gottes, der um unseres Heiles willen Fleisch und “einer von uns" geworden ist.
Sind diese Betrachtungen im Licht des Glaubens alles, was wir über die Muslime denken und sagen? Nein, keineswegs. Es bedarf einer großen Erneuerung, und dazu gehören:
* Wahrhaftigkeit: Die Liebe ist keine rosa Brille, sie rechtfertigt weder Wunschdenken noch Blauäugigkeit. Wahre Liebe ist Wahrheit und will Wahrheit. Wahr aber ist: Im Koran gibt es viele “Schläfer"-Texte: Unschädlich, wenn sie niemand beachtet, aber wenn man sie weckt, das heißt, wörtlich nimmt und danach handelt, sind sie hoch gefährlich. Über diese Texte muß man reden, ebenso über manche Taten des Mohammed, weil er den Muslimen als absolutes “Vorbild" gilt, und über manche Bestimmungen der Scharia.
* Realismus: Christen sollten sich keinen Illusionen hingeben: Werden die Muslime den christlichen oder laizistischen Europäern es auf Dauer überlassen, was in Europa geschieht? Die Erfahrung der Geschichte belegt ein unerbittliches Gesetz: Diejenigen, die die Macht haben, setzen ihre Macht auch ein.
Da die Macht in Europa demokratisch verteilt wird, heißt das: Die Muslime können friedlich bleiben, denn sobald sie die Mehrheit bilden oder auch nur stark genug sind, werden sie nach der Macht greifen und sie nach den Prinzipien der demokratischen Gerechtigkeit auch bekommen; und sie werden das Natürlichste der Welt tun: sie werden ihre Macht nach ihren Vorstellungen einsetzen.
Ist das eine These, die Muslime diskriminiert oder ihnen gegenüber Feindschaft ausdrückt? Keineswegs, wenn darin Kritik enthalten ist, dann Kritik an den Europäern: Wenn diese nämlich fortfahren, trotz allem drohenden Unheil sich selbst auszurotten und die Vernichtung der nächsten Generationen mit Steuergeld zu bezahlen, ist ihr Schicksal besiegelt, Europa wird ein muslimischer Kontinent, und seine Dome werden zu Moscheen umgebaut - genauso wie das christliche Nordafrika muslimisch geworden ist und die Muslime die Hagia Sophia ihrer Art der Gottesverehrung zugeführt haben.
* Katholische Identität: Die Gläubigen müssen sich endlich darauf besinnen, was sie sind, nämlich Menschen, die alles glauben, was die heilige, römisch-katholische Kirche lehrt; Menschen, die ihr Leben der Geschichte Gottes mit den Menschen bewußt einfügen. Ohne wirkliche Umkehr, ohne die Bereitschaft, zuerst die Balken im eigenen Auge herauszuziehen, bevor sie die Splitter aus den Augen ihrer muslimischen Brüder zu entfernen suchen, wird es bei dieser Umkehr nicht gehen. Stark genug und fähig zur Begegnung mit dem Islam sind nur Christen, die Laizisten sind es nicht.
Liebe zum Leben: Die Christen müssen sich für eine “Option für das Leben" entscheiden, so nämlich, daß, während sich die Laizisten weiter selbst ausrotten, Katholiken “genauso viele" Kinder haben wie die Muslime. Nur dann können sie den brüderlichen Dialog, den uns das Konzil so inständig bittend ans Herz gelegt hat, “auf Augenhöhe" führen, denn nur auf dieser “Höhe" ist er wirklich möglich, ohne sie verwandelt sich der Dialog nach der Höhe der Geburtenrate sehr rasch in ein Diktat. Wenn die Katholiken diese “Option für das Leben" annehmen, werden sie merken, wie weit sie sich gerade auf diesem Gebiet schon verirrt hatten.
* Eucharistie und Gebet: Vor allem, wieder und wieder und so würdig wie möglich bedarf es der Feier der heiligen Messe, also des offenen Himmels auf Erden, der wichtigsten Begegnung zwischen Gott und Mensch, es bedarf aller anderen Sakramente und eines Gebetsturmes.
Weder der Glaube noch die Liebe zu den Kindern lassen sich befehlen. Retten kann uns nur noch die Gnade Gottes.
Der Autor ist Weihbischof der Erzdiözese Salzburg.