Tatsache ist: In der Welt von heute, die von der Schnelligkeit der Kommunikationsmöglichkeiten, der Mobilität der Menschen und den gegenseitigen Abhängigkeiten geprägt ist, entsteht ein neues Bewußtsein von der Pluralität der Religionen. Jeder ist mit ihr konfrontiert. Zum Teil gibt es deutliche Zeichen der Lebendigkeit und der Ausbreitung von Religionen. Als Rektor des Afro-Asiatischen Instituts in Wien, das 1958 von Kardinal König als Haus des Dialogs der Kulturen und Religionen gegründet wurde, einem Ort, an dem es eine Kapelle, eine Moschee und einen Hindutempel gibt, bin ich tagtäglich mit der Wirklichkeit der Pluralität und mit so manchem Spannungsfeld konfrontiert - und mit folgenden Fragen:
Was bedeutet Dialog? Steht die Mission im Gegensatz zum Dialog? Was kann der Dialog alles sein? Gibt es nicht Grenzen? Welchen Wert hat er eigentlich? Sagen nicht Menschen irrtümlicherweise sogar, innerhalb der heutigen kirchlichen Mission solle der Dialog einfach die Verkündigung ersetzen? Fragen über Fragen!
Nun, ich kann diesen nicht allen nachgehen, möchte aber einige Orientierungshilfen an die Hand geben, übrigens nicht nur für den christlich-islamischen Dialog, der eine große Aktualität und Brisanz besitzt.
Am 19. September 1964 hat Papst Paul VI. in der Enzyklika “Ecclesiam Suam" den Begriff Dialog zum ersten Mal in einem Lehrdokument verwendet. Wenn wir heute vom Dialog sprechen, dann verstehen wir darunter fast ausschließlich den interreligiösen Dialog. Paul VI. beschreibt ihn aber viel umfassender. Drei wichtige Punkte entfaltet er:
1. Der Christgläubige soll seine eigene Identität nicht aus den Augen verlieren: die Berufung, die er mit der Taufe empfangen hat, die Würde, Kind Gottes sein zu dürfen.
2. Das Paradigma, also die Grundausrichtung für den Dialog, ist ein “colloquium salutis", also ein Dialog des Heils, wie Gott ihn in Christus mit der Welt eingerichtet hat. Christus will das Heil aller Menschen!
3. Das Interesse am Dialog entspringt der Liebe im Innersten des Menschen und wird äußerlich zur tätigen Liebe.
Ein mir sehr hilfreiches Dokument ist “Dialog und Verkündigung" vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und der Kongregation für die Evangelisierung der Völker vom 19. Mai 1991. Es ist relativ leicht zu lesen. Darin werden vier Arten des Dialogs genannt: der Dialog des Lebens, der Dialog des Handelns, der Dialog des theologischen Austausches und der Dialog der religiösen Erfahrung. Es ist also wichtig, die ganze Bandbreite nicht aus den Augen zu verlieren und zu sehen, wie diese Arten miteinander verknüpft sind.
Welchen Sinn hat der Dialog eigentlich? Und ist er ein Auftrag? Für eine umfassende Entwicklung des Menschen, in Notlagen, für das Eintreten für die Menschenrechte, für Friede und Gerechtigkeit ist der interreligiöse Dialog unerläßlich. Papst Johannes Paul II. unterstrich mehrmals vor und nach dem Weltgebetstag um Frieden in Assisi am 27. Oktober 1986 die grundlegende Einheit der Menschheit in ihrem Ursprung und ihrer Bestimmung sowie die Rolle der Kirche als wirksames Zeichen dieser Einheit. Er stellte eindrucksvoll die Bedeutung der Kirche als wirksames Zeichen des interreligiösen Dialogs heraus, während er gleichzeitig die Pflicht der Kirche, der Welt Jesus Christus zu verkündigen, betonte. Also, das eine tun, ohne das andere zu lassen!
Was können die Schwierigkeiten und Hindernisse sein? Einige werden aufgezählt: ungenügende Verwurzelung im eigenen Glauben, kulturelle Differenzen, geschichtsbedingte Belastungen, Mangel an dialogischer Gegenseitigkeit, falsches Verständnis der Bedeutung von Begriffen wie Bekehrung, Taufe, Dialog usw.
Interreligiöser Dialog und Verkündigung sind eng aufeinander hingeordnet. Wahrer interreligiöser Dialog setzt von seiten der Christen den Wunsch voraus, Jesus Christus besser bekannt und anerkannt zu machen und die Liebe zu ihm zu wecken; die Verkündigung muß im dialogischen Geist des Evangeliums erfolgen. Soweit dieses Dokument.
Das II. Vatikanische Konzil hat sich in mehreren Abschnitten mit der Frage des Selbstverständnisses der Katholischen Kirche, mit der Missionstätigkeit, dem Verhältnis zu anderen christlichen Kirchen und anderen Religionen und mit der Religionsfreiheit auseinandergesetzt und dabei wichtige Aussagen getroffen. Es ist wert, sie zu lesen, um nicht Irrtümern ausgeliefert zu sein.
Drei sehr wichtige Glaubensaussagen möchte ich aus der Dogmatischen Konstitution über die Kirche (“Lumen gentium") herausheben:
1. “Christus ist das Licht der Völker". Dieser erste Satz prägt das Leben der Kirche.
2. “Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, seinen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in der Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen." und: “Was sich nämlich an Gutem und Wahrem bei ihnen (i.e. Menschen) findet, wird von der Kirche als Vorbereitung für die Frohbotschaft und als Gabe dessen geschätzt, der jeden Menschen erleuchtet." (beide LG 16)
Der Akzent liegt also bei der einzelnen Person, egal ob religiös oder nicht, mit der Gott in Beziehung treten kann und die selbst Verantwortung trägt. Auf diesem Hintergrund lehnt die Katholische Kirche auch nichts von alledem ab, was in anderen Religionen wahr und heilig ist, auch in diesen ist der “Strahl jener Wahrheit zu erkennen, die alle Menschen erleuchtet".
3. Herausragend sind die Aussagen über die Juden. Um der “Väter willen" sind sie nach dem Zeugnis der Apostel von Gott geliebt, weil seine “Gnadengaben und seine Berufung unwiderruflich" sind! So konnte der verstorbene Papst Johannes Paul II. sie später als unsere “älteren Brüder" ansprechen.
Dialog ist also ein sehr umfassendes Geschehen. Für Christen ist wichtig, Klarheit über den eigenen Glauben zu haben, um fähig zu sein, mit Menschen guten Willens und beruhend auf Gegenseitigkeit, den Dialog des Heils zu führen.
Konstantin Spiegelfeld
Der Autor ist Hochschulseelsorger in Wien.