Vor zwei Wochen flatterte folgender Brief in die Redaktion. Ich möchte Ihnen, liebe Leser, diese allem Anschein nach von einem gläubigen Muslim verfaßten Zeilen nicht vorenthalten, sie aber auch nicht unkommentiert abdrucken. Der Autor schreibt:
“Als gläubiger Moslem versuche ich seit einiger Zeit, den Christen die Schönheit und Wahrheit des Korans näherzubringen. Dabei fällt mir auf, daß es die alten Streitthemen kaum mehr gibt. Kaum einer meiner christlichen Gesprächspartner glaubt an die Gottheit des Propheten Jesus oder daß er Gottes Sohn war, für einen Moslem eine ungeheure Gotteslästerung. Für die meisten Christen ist Jesus ein Weisheitslehrer wie Buddha, Konfuzius oder der Dalai Lama (...)
Auch die führenden christlichen Theologen, z.B. Käsemann, Kasper, Lüdemann, Gnilka, Conzelmann argumentieren in diese Richtung. Über den historischen Jesus weiß man nur sehr wenig, maximal 12 Aussprüche in der Bibel sind von ihm, der Rest ist Erfindung der nachösterlichen Gemeinde. Weder wollte Jesus eine Kirche gründen noch sah er sich als Gott. Er war nur ein Prophet. Auch die Auferstehung von den Toten ist kein Thema mehr. Das ist eine Chiffre dafür, daß die Sache Jesu weitergeht. Ähnlich argumentiert Kurienkardinal Kasper (...) Seit über 1400 Jahren verkündet der Koran, daß die Christen und Juden die Botschaft Allahs verfälscht (...) haben, aber erst im 20. und 21. Jahrhundert kamen die christlichen Theologen zu dem gleichen Ergebnis. Damit hat aber das Christentum jede Daseinsberechtigung verloren. Die Christen sind wirklich Frevler und Ungläubige, der Islam aber - die einzige wahre Religion - erstrahlt in hellem Licht. Da der Koran den freundschaftlichen Umgang mit Christen und Juden verbietet und die Lektüre christlicher Schriften unter Strafe stellt, ersuche ich Sie, von der Namensnennung abzusehen."
Erste Feststellung: Wie geringschätzig blickt dieser Mann auf die lauen Christen herab!
Zweite Feststellung: Selbstverständlich wirken gläubige Muslime missionarisch. Wer von einer lebensbestimmenden Botschaft überzeugt ist, kann gar nicht anders als sie weiterzugeben. Und den Muslimen ist es ausdrücklich aufgetragen, die Welt unter die Herrschaft Allahs zu bringen. Erschreckend ist nun das Vakuum, auf das dieses missionarische Wirken in unseren Breiten trifft. Welche Verheerungen haben insbesondere die Irrlehren so vieler Theologen angerichtet!
Es stimmt: Die Ansicht, daß Jesus zwar ein bedeutender Mensch ist, aber nicht Gottes Sohn, ist im “christlichen" Abendland heute weitverbreitet. Es ist unsere Aufgabe, solchen Behauptungen, wo immer sie gemacht werden, entgegenzutreten. Hier geht es um das Herz unseres Glaubens. Nicht die Sache Jesu geht weiter, sondern der auferstandene, lebende Gott Jesus Christus geht uns in der Geschichte voran. Daß Jesus auferstanden ist, ist sehr gut bezeugt. Die Untersuchungen des Turiner Grabtuchs liefern dafür sogar wissenschaftliche Belege. Wo Christen sich nicht eindeutig zur Auferstehung und Gottheit Christi bekennen, trifft sie das Urteil des Briefschreibers, das “Christentum habe jede Daseinsberechtigung verloren", zurecht.
Dieser Brief stößt uns also auf die zentrale Herausforderung unseres Glaubens. Alles entscheidet sich an Jesus Christus. Wer ist Er wirklich? Über Werte zu reden ist gut uns schön. Aber es reicht nicht. Wir sind aufgerufen vor der ganzen Welt wie der Apostel Thomas zu bekunden: Er ist mein Herr und mein Gott.
Dritte Feststellung: Zu denken gibt der letzte Satz, Muslime dürften keinen freundschaftlichen Umgang mit Christen pflegen. Kein gutes Vorzeichen für den Dialog. Diese Barriere gilt es jedoch zu überwinden. Gerade Muslimen muß von Jesus erzählt werden, dem Gott, der uns nahe ist, der Sünden vergibt, heilt und aufrichtet, weil Er uns liebt. Diese Verkündigung ist überfällig!
Christof Gaspari