VISION 20003/2006
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“Er wird gehen können..."

Artikel drucken Eines der Wunder, das Gott durch Johannes Paul II. zu dessen Lebzeiten gewirkt hat

Rosemary Barbara ist eine tiefgläubige Frau. Sie war Abteilungsleiterin im australischen Unterrichtsministerium und ist jetzt mit Fragen der Einwanderung in Melbourne befaßt. Dort lebt sie mit ihrem Mann Charles und ihrem heute 29jährigen Sohn Emil.

“Als der Papst gestorben ist," erzählt Rosemary, “war ich tief bewegt und sofort ist mir das außergewöhnliche Erlebnis, das meine Familie betroffen hat, wieder lebendig vor Augen gestanden, nämlich das vom Papst gewirkte Wunder, das meinen Sohn gerettet hat." Frau Barbara läßt keinen Zweifel daran, daß es sich um ein “Wunder" gehandelt hat.

Die Geschichte beginnt 1976, als Emil zur Welt kommt. Einige Stunden nach der Geburt, mitten in der Nacht, teilen die Ärzte den Eltern mit, Emil kämpfe mit schweren Atemproblemen. Er müsse sofort in den Brutkasten. “Charles, mein Mann, und ich waren niedergeschmettert. Wir haben versucht, uns gegenseitig Mut zuzusprechen, aber von Stunde zu Stunde verschlechterten sich die Nachrichten."

Zu guter Letzt wurde ein Gehirnkrampf diagnostiziert: Das Zentrum, das die Bewegungen steuert, war geschädigt. Rund um die Uhr wurde das Kind beobachtet: Zu den Atem- kamen Schluckprobleme. Man befürchtete, das Kind würde ersticken.

“Das war der Beginn eines langen Leidens für unseren Sohn Emil und eines langen Leidensweges für uns. Mein Mann und ich haben viele Wochen im Spital verbracht, Tag und Nacht, um ihn nie allein zu lassen. Wir waren immer schon gläubig, aber in diesen Tagen ist unser Glaube enorm gewachsen: Wir beteten Stunde um Stunde, jede Minute."

Mit Gottes Hilfe übersteht das Kind die kritische Phase, in der sein Leben auf dem Spiel steht. Die Lage stabilisiert sich, obwohl die Atemprobleme fortbestehen. Allerdings sind die Ärzte keineswegs zuversichtlich: “Sie sagten, unser Sohn würde ein Leben lang im Rollstuhl sitzen müssen, nie gehen können." (...)

Wie von den Ärzten vorhergesagt, hat der kleine Emil neben seinen motorischen Problemen auch noch mit dem Reden Schwierigkeiten. Erst mit drei Jahren beginnt er einige Worte zu stammeln: “Er sagte Mama, Papa - aber nicht viel mehr; er konnte nicht aufstehen, kroch auf allen Vieren und tat sich schwer, die Arme zu bewegen. Meine Verzweiflung wuchs: Ich konnte mich mit dem Gedanken, ihn für den Rest seiner Tage im Rollstuhl zu sehen, nicht abfinden."

Am 16. Oktober 1978 wir Karol Wojtyla zum Papst gewählt. Von da an wendet sich Rosemary an ihn um Hilfe. In ihr wächst der Wunsch, ihren Sohn nach Rom, zum Papst, mitzunehmen und anschließend nach Lourdes, an den Ort, wo die Gottesmutter der kleinen Bernadette Soubirous erschienen ist.

“Kurz darauf ergab sich eine Gelegenheit, diesen Wunsch zu erfüllen. Eine Freundin teilte mir mit, daß eine italienische Nonne im Kloster unserer Stadt zu Besuch war. Es war die Oberin eines Frauenklosters in Rom. Ich bat sie sofort um ein Rendezvous... Die Nonne hat mir lange zugehört und sich mein Anliegen zu Herzen genommen: Sie versprach, mir zu helfen."

Und sie hat Wort gehalten. Einige Monate danach bekommt Rosemary einen Anruf der Oberin: “Kommen Sie nach Rom. Alles ist bereit: Sie können den Papst sehen und dann nach Lourdes fahren."

Rosemary setzt fort: “Es war das Jahr 1980. Wir haben das erstbeste Flugzeuge genommen. Und am nächsten Tag waren wir am Petersplatz, inmitten der zahllosen Gläubigen. Da Emil nicht gehen konnte und ich ihn in einem Kinderwagen befördern mußte, haben wir uns neben die Absperrung im Sektor für Behinderte postiert: Dort sollte der Papst vorbeikommen. Wir würden versuchen, ihn anzuhalten. Ich war froh: auf jeden Fall würde ich den Papst aus der Nähe gesehen haben. Auch Emil lächelte, zwar etwas unruhig, aber sichtlich glücklich, hier zu sein."

“Nachdem wir eine Stunde gewartet hatten", erzählt Rosemary weiter, “sahen wir den Papst von weitem näherkommen, zu Fuß. Dann machte Emil etwas ganz Unerwartetes. Er, der kaum und nur sehr schlecht redete, wendete sich plötzlich Johannes Paul II. zu und schrie: ,Pope, come here, come here' - was der Papst auch tat... Mir erschien das unwirklich, aber es war so. Johannes Paul II trat zu Emil heran."

“Ich war zutiefst bewegt und weinte vor Freude. Emil lächelte weiterhin. Der Papst streichelte und umarmte ihn. Er sprach Worte, die ich nie vergessen werde. Ich höre sie heute noch in mir. Der Papst fragte mich: ,Warum weinst Du?' Mit schwerem Herzen antwortete ich: ,Wir sind nach Rom gekommen, wir wohnen bei den Schwestern, mein Sohn kann nicht gehen.' Ich hätte ihm so vieles zu sagen gehabt, aber ich schaffte es nicht, meine Gefühlsbewegung blockierte mich. Daraufhin blickte der Papst wieder zu Emil, schaute dann mir in die Augen und sagte lächelnd: ’Bring Deinen Sohn nach Lourdes. Du wirst sehen, er wird gehen.' Dieser Satz des Papstes weckte in mir eine unfaßbare Freude, eine noch nie erlebte Hoffnung."

“Und dann geschah noch etwas Überraschendes. Zum Erstaunen seiner Umgebung griff er in seine Taschen und zog zwei Dinge heraus, die er mir in die Hand drückte: ein Kruzifix und einen Rosenkranz. Dann nahm er ein Osterei aus der Hand eines der Priester, die ihn begleiteten und reichte es meinem Sohn."

“In diesem Moment war ich unglaublich tief bewegt," fährt Rosemary fort. “Eine grenzenlose Seligkeit überfiel mich. Ich fühlte mich wie im Paradies. Der Papst hatte mit uns gesprochen. Er hatte uns sogar drei Dinge geschenkt: einen Rosenkranz, ein Kruzifix und ein Osterei! Ich erinnere mich, daß der Papst, bevor er uns verließ, Emil noch einmal liebkost hat. In Tränen gebadet, aber das Herz voll Freude, dachte ich dauernd an das, was der Papst gesagt hatte..."

Hoffnungsvoll und gestärkt durch die Worte des Papstes, fährt Rosemary am folgenden Tag nach Lourdes. Kaum angekommen, begibt sich die Mutter zum Bad und läßt den kleinen Emil ins kalte Wasser tauchen. “Tief bewegt begann ich wieder zu weinen. Und da geschah wieder etwas Außergewöhnliches. Plötzlich sah mich Emil an - er hatte die Beine im Wasser - und sagte: ,Weine nicht Mama, die Jungfrau hat gesagt, daß ich gehen werde.' Ich war sprachlos. ,Emil, hat die Gottesmutter zu dir gesprochen?', hab ich ihn gefragt. Und er gab mir lächelnd zur Antwort: ,Ja, Mama, sie hat gesagt, daß ich gehen werde'."

“Wir sind heimgefahren nach Australien. Und das Alltagsleben nahm wieder seinen Lauf. Oft habe ich an die Worte des Papstes zurückgedacht, an das, was wir erlebt hatten. Nacht für Nacht betete ich. Ich wußte, daß sich etwas Außergewöhnliches ereignen würde."

“Sechs Wochen nach unserer Reise, läutete das Telephon. ,Frau Barbara kommen sie rasch, es gibt eine Überraschung.' Ich legte auf, verließ das Büro und machte mich eilig auf den Weg. In der Nähe des Gebäudes, wo sich Emil aufhielt, merkte ich große Aufregung. Lachen, Applaus, Euphorie. Ich trat ein und war sprachlos. Emil war aus seinem Rollstuhl aufgestanden und ging umher. Es war das erste Mal, daß ich ihn allein auf den Beinen sah. Er sah mich an und lächelte. Ich brach in Tränen aus, lief auf ihn zu, umarmte ihn. ,Emil, die Jungfrau Maria und der Papst haben ein Wunder gewirkt.' Und er: ,Ich hatte es Dir ja gesagt, Mama.' Es war der schönste Tag meines Lebens. Die erstaunten Ärzte gestanden, daß sie vor einem außergewöhnlichen Ereignis standen."

Emil hat mittlerweile ein Jusstudium absolviert und will Rechtsanwalt werden. Er führt ein ganz normales Leben. “Unsere Gedanken und unsere Gebete richten sich oft an Papst Johannes Paul II.", sagt Rosemary Barbara zum Abschluß. “Jetzt da er tot ist, wollen wir nach Rom reisen, um an seinem Grab zu beten und Dank zu sagen."

Andrea Tornielli

Auszug aus dem Buch “I Miracoli di Papa Wojtyla", Ed. Piemme 2005, 12,90 Euro in einer französischen Übersetzung in “Famille Chrétienne" v. 1.-7. April 2006.

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