Wahrheit gibt es nicht im Plural, wie Joseph Ratzinger schreibt: “Wahrheit ist keine Mehrheitsfrage. Sie ist oder sie ist nicht ... Nicht der Konsens begründet die Wahrheit, sondern die Wahrheit den Konsens." Das ökumenische Gespräch verlangt mehr als kirchenpolitische Verhandlungen und einen äußeren Konsens, unterstreicht Joseph Ratzinger: “Da aber der Glaube nicht eine bloße Setzung menschlichen Denkens ist, sondern Frucht einer Gabe, kann die Gemeinsamkeit auch letztlich nicht aus einer Operation des Denkens kommen, sondern wiederum nur geschenkt werden." (...)
Ratzinger stellt fest, “daß wir die Stunde nicht wissen und auch nicht festlegen können, wann und wie die Einheit zustande kommt"; sie ist allein Gottes Sache. Bis Gott selbst die Einheit der Christen bewirkt, gilt es, im ökumenischen Gespräch und in der Annäherung der Christen “dem anderen nichts aufdrängen zu wollen, was ihn noch im Kern seiner christlichen Identität bedroht": “Katholiken sollten nicht versuchen, Protestanten zur Anerkennung des Papsttums und ihres Verständnisses von apostolischer Sukzession zu drängen. [...] Umgekehrt sollten Protestanten davon ablassen, von ihrem Abendmahlsverständnis her die katholische Kirche zur Interkommunion zu drängen, da nun einmal für uns das doppelte Geheimnis des Leibes Christi, Leib Christi als Kirche und Leib Christi als sakramentale Gabe, ein einziges Sakrament ist, und die Leibhaftigkeit des Sakramentes aus der Leibhaftigkeit der Kirche herauszureißen das Zertreten der Kirche und des Sakraments in einem bedeutet."
Michael Schneider SJ i
Auszug aus “Die Tagespost" v. 28.2.06