Auf der Homepage des Ökumenischen Rates der Kirchen liest man, die Vereinigung umfasse “Christen in mehr als 340 Kirchen, Denominationen und kirchlichen Gemeinschaften": orthodoxe Kirchen, Anglikaner, Baptisten, Lutheraner, Methodisten, Reformierte...
Sage und schreibe: 340 Gemeinschaften! Entmutigend. Können wir da je auf einen grünen Zweig kommen? Selbst bei bestem Willen ist eine Einigung von hunderten Gemeinschaften mit rein menschlichen Mitteln wohl nicht zu schaffen. Da ist offenkundig der Heilige Geist gefordert! Also warten, bis dieser das Wunder wirkt?
Ja und nein. Ja, um nicht vorschnell Abkürzer zu nehmen, sich mit einer Ökumene des Minimalkonsenses zu begnügen. Nein, weil die von Gott geschenkte Einheit in jedem von uns vorbereitet werden kann und muß.
Was das konkret bedeutet? Zunächst das Bemühen um Einheit in der eigenen Glaubensgemeinschaft. Das gilt besonders für uns Katholiken. Wir leben unseren Glauben ja in Gemeinschaft mit Petrus, dem der Herr den Dienst der Einheit aufgetragen hat. Es ist ein Ärgernis für alle, wenn wir im Dissens mit dem Papst leben, laut hinausposaunen, wenn unsere persönlichen Sichtweisen nicht mit der Lehre der Kirche übereinstimmen.
Heißt das, wir müßten zu allem Ja und Amen sagen? Nein. Wer meint, berechtigte Kritik äußern zu müssen, der tue es - aber an der richtigen Stelle. Er trage seine Bedenken an die Hirten heran und überlasse diesen das letzte Wort.
In den wesentlichen Fragen des Glaubens übereinzustimmen, ist notwendig, um in Einheit miteinander leben zu können. Wenn ich dabei von Einheit rede, meine ich das immer tiefer aufeinander Zugehen, den Wunsch, den anderen in seiner Besonderheit zu entdecken und anzunehmen - nicht gutnachbarschaftliche Beziehung, friedliche Koexistenz, auch wenn so ein Zusammenleben sehr erstrebenswert ist.
Wie notwendig diese Übereinstimmung in Glaubensfragen für eine auf Vertiefung ausgerichtete Einheit ist, wurde uns vor Jahren bewußt. Damals haben wir, eine Gruppe in der katholischen Kirche engagierter Paare, zu einer Familienrunde zusammengefunden, viel gemeinsam unternommen, sehr schöne Zeiten miteinander verlebt. Aber immer mehr stellte sich heraus, daß wir in wichtigen Fragen (den üblichen heißen Eisen, der Frage nach der Autorität der kirchlichen Lehre ...) tiefe Differenzen hatten. Uns fehlte die gemeinsame Basis, um unsere Gemeinschaft zu vertiefen. Wir gingen also auseinander und sind der Welt das Zeugnis der Einheit schuldig geblieben, ein Zeugnis, das heute so dringend notwendig wäre.
Diese Erfahrung hat uns zweierlei gelehrt. Erstens: Ohne gemeinsames Glaubensverständnis keine Einheit. Es ist eben nicht egal, ob das gewandelte Brot der Leib Christi ist oder nicht, ob Priester Sünden vergeben können oder nicht. Und zweitens: Als Katholiken werden wir nichts Wesentliches zur Ökumene beitragen können, wenn wir es nicht schaffen, nicht in unserer Kirche in Einheit mit dem Papst und den Bischöfen leben.
Es geht darum, aller Welt erfahrbar zu machen, wie befreiend es ist, sich den Glauben nicht selbst zurechtzimmern zu müssen, sondern vertrauensvoll den Wegweisungen des Petrus zu folgen. Dann wird unser Leben im Alltag zum Exerzierfeld der Einheit werden: in Ehe und Familie, in den Pfarren, zwischen Priestern und Laien, Priestern und Bischöfen... Das ist Herausforderung genug! Wie gesagt: Nur der Heilige Geist kann dieses Wunder wirken.
Christof Gaspari